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Angst umschleicht die Rentner, die Arbeitslosen und die von Hartz IV bedrohten Noch-Arbeitsplatzbesitzer. Und weshalb das Barmen und Bangen? Die Finanzspekulationsblase ist geplatzt. Banken gehen pleite, Betriebe in die Insolvenz und suchen Investoren. Die Nachfrage im In- und Ausland befindet sich im Sturzflug. Die Zahl der Arbeitslosen, laut geschönter Statistik gegenwärtig 3,5 Millionen, in Wahrheit fast doppelt so hoch, wächst weiter. Die Bürger bangen um ihr Erspartes. Die Krise erschüttert das Land und die herrschende Gesellschaftsordnung. Na und, ist das so schlimm? Ähnliches hatten wir doch schon. Nicht nur 1929, sondern auch nach 1990, damals allerdings nur im Osten unseres Vaterlandes, in den der Kapitalismus fahnenschwenkend wieder einzog. Dort haben wir doch Erfahrungen gesammelt, um mit solchem Niedergang fertig zu werden und ihn zum Aufschwung, zum »Aufschwung Ost« zu machen. Ist es uns etwa nicht gelungen, dem Monster der Arbeitslosigkeit den Schrecken zu nehmen, die geprellten Sparer zu besänftigen und Investoren en masse zu gewinnen? Nach der genialen Währungsunion und der Einführung der DM in der untergehenden DDR im Sommer 1990 und dank des danach beginnenden effektiven Wirkens der Treuhandanstalt ging die ostdeutsche Industrieproduktion innerhalb eines Jahres um 67 Prozent zurück, im Maschinenbau betrug der Rückgang 70, in der Elektrotechnik 75 und in der Feinmechanik 86 Prozent. Ein kleiner Absturz! Doch schon in knapp 20 Jahren gelang es, die Industrieproduktion im Osten wieder an das DDR-Niveau heranzuführen. Zeigt nicht allein schon dieses glänzende Ergebnis, was mit einer weisen Wirtschaftspolitik und Geduld zu erreichen ist? Also wozu das heutige gesamtdeutsche Jammern? Nicht wesentlich anders sieht es auf dem Gebiet der Arbeitslosigkeit aus. Da die Kommunisten so ein schreckliches ökonomisches Erbe hinterlassen hatten, sah sich die Treuhandanstalt unter ihren Präsidenten Rohwedder und Breuel genötigt, im Zeitraum von Juni 1991 bis Februar 1994, also in weniger als drei Jahren, 3.244 DDR-Betriebe zu liquidieren. Allein dadurch wurden Hunderttausende von Arbeitern und Angestellten von der täglichen Arbeitsfron befreit. Durch weitere entschlossene Maßnahmen wurde in diesem Zeitraum insgesamt 2,6 Millionen ostdeutschen Landsleuten das gleiche Glück zuteil. Doch das, was unverbesserliche Pessimisten als »Massenarbeitslosigkeit« bezeichneten, war so übel nicht. Schließlich handelte es sich, wie der damalige SPD-Fraktionschef Richard Schröder noch in der Volkskammer vorausgesagt hatte, nur um eine »Arbeitslosigkeit der verlängerten Arbeitsplatzsuche«. Und er hat Recht behalten. Bereits im Juni 2008 war die Arbeitslosigkeit im Osten laut offiziellen Angaben auf dem niedrigsten Stand seit 1991 angelangt. Nur noch 1.123.264 Mitbürger befanden sich auf »verlängerter Arbeitsplatzsuche« (viel mehr wären es, wenn nicht in dieser schönen neuen Zeit Millionen Menschen aus dem Osten weggezogen wären). Also Geduld zahlt sich aus, auch diese Erfahrung sollte für Gesamtdeutschland beruhigend wirken. Das um so mehr, wenn nun im Krisengewitter der Blitz in Ost- und West-Unternehmen einschlägt. Nicht ganz so einfach verhält es sich mit der Geldvernichtung, dem Verlust von Sparguthaben und von Rücklagen für das Alter. In ganz Deutschland haben Millionen infolge des Finanzdebakels Milliarden verloren. Der Sturzflug der Kurse hat bei jenen, die auf Aktien, Investmentsfonds, Derivate und Sonstiges vertrauten, gesparte Euros aufgefressen oder zumindest halbiert. Sie sind den Dschungelgesetzen der freien Finanz- und Marktwirtschaft zum Opfer gefallen. 1990 hatten die Regierung Kohl und das DDR-Übergabekabinett de Maizière das Geldtranchieren gleich selbst übernommen. Obwohl in einem Grundsatzpapier des Bundesfinanzministeriums festgestellt worden war, daß die Verbraucher-Kaufkraft von 1 Mark der DDR 1,07 DM der Bundesrepublik entsprach, wurde mit der Währungsunion für einen großen Teil der Sparkonten ein Kurs von 2 Mark der DDR gleich 1 DM festgesetzt. So wurden viele Ersparnisse halbiert. Zwar sahen der Vertrag über die Währungsunion und der Einigungsvertrag »Möglichkeiten« vor, »daß den Sparern zu einem späteren Zeitpunkt für den bei der Umstellung 2:1 reduzierten Beitrag ein verbrieftes Anteilrecht am volkseigenen Vermögen eingeräumt werden kann«, aber das war eben eine Kannbestimmung, und die wurde beiseite gewischt, obwohl das riesíge volkseigene Vermögen der DDR-Bürger bei weitem nicht nur die 600 Milliarden DM ausmachte, die die Treuhand in einen Schuldenberg von 256 Milliarden verwandelte. Haben die betrogenen ostdeutschen Sparer ernsthaft aufgemuckt und ihr Anteilrecht energisch eingefordert? An dieser Duldsamkeit könnten sich die geprellten westdeutschen Sparer getrost ein Beispiel nehmen! Übrigens, die Treuhandanstalt. Hier kann der Osten noch mit einer besonders wertvollen Erfahrung dienen. Im Krisenchaos suchen immer mehr Unternehmen – darunter Opel, Schaeffler, Quimonda, Karmann, Woolworth, Ratiopharm, Märklin – Retter in der Not, Investoren. Ein Ausweg aus diesem Elend wäre die Schaffung einer gesamtdeutschen Treuhand. Diese könnte entscheidend dazu beitragen, aus dem Dilemma herauszukommen, bietet doch die Rohwedder-Breuel-Anstalt viele wunderbare Beispiele dafür, wie man Investoren gewinnt. Erinnern wir uns nur an das größte maritime Baggerei-Unternehmen an der gesamten Ostseeküste mit dem ein wenig holprigen Namen »Bagger-, Bugsier- und Bergungsreederei Rostock«. 1990 zählte das Werk 2.522 Mitarbeiter und verfügte über eine Flotte von 138 Schiffen. Als Investor fand die Treuhandanstalt einen Habenichts, eine absolut vermögenslose GmbH in Buchholz in der Nordheide, die allerdings das Kunststück vollbrachte, sich das angebliche Eigenkapital von 50.000 DM aus der Firmenkasse der übernommenen Reederei zu klauen, um sich danach deren Stammkapital von 15 Millionen DM unter den Nagel und die Belegschaft in die Arbeitslosigkeit zu reißen. Da war Ernst Albrecht, ehemaliger CDU-Ministerpräsident von Niedersachsen, schon ein großzügigerer Investor. Auf Heller und Pfennig überwies er der Treuhand den Preis von 1 (in Worten: einer) DM für den Kauf des Stahl- und Walzwerkes im schönen Harzer Städchen Thale. Im Kaufpreis inbegriffen waren eine Reihe Immobilien und Werkswohnungen, ein großes Betriebsferienheim, ein Kinderferienlager mit zugehörigen Ländereien und Wald. Als das Land Sachsen-Anhalt das Ferienlager kommunalisieren wollte, war er großzügigerweise bereit, es für 5 Millionen DM zu verkaufen. Solche Investoren braucht unser Land. Heute, nahezu 20 Jahre nach der Investitionsgroßtat, ist vom Hüttenwerk bis auf ein paar Kleinbetriebe nur ein riesiger Parkplatz, verschönert von einigen Wildblumen, übriggeblieben und Thaler Heimatfreunde sind dem Investor noch immer verbunden: »Ernst Albrecht, wir Harzer danken Dir!« Also Schluß mit dem Jammern und Barmen! Das Rezept zur Überwindung der Krise ist simpel: Wir brauchen Geduld, denn in der Ruhe liegt die Kraft, Sanftmut, denn schon Schiller wußte: »Große Seelen dulden still«, und Dankbarkeit für Wohltaten, die wenigstens den Tätern zum Wohle gereichen. Blickt also nach dem Osten, liebe Landsleute. Dort geht nicht nur die Sonne auf, angesichts der dortigen reichen Erfahrungen kann auch so manches Licht aufgehen. Wo Licht ist, ist auch Hoffnung, daß der gute alte Kapitalismus sich noch einmal aufrappelt.
Erschienen in Ossietzky 9/2009 |
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