Gerhard Schröder, hilfsbereit. – Beim kommenden Wahlkampf, meldete die SPD-Führung, würden Sie der Partei werbend zur Seite stehen – in welcher Form, sei noch zu klären. Wir haben einen Vorschlag: Auf Volksversammlungen könnten Sie, da bei diesem Thema zur Zeit viel Verwirrung besteht, über die Managerwelt berichten, aus eigener Erfahrung als Pipeline-Aufsichtsratsvorsitzender, als Vorstandsdirektor einer Ölgesellschaft, als Berater eines Pressehauses und so weiter. Das wäre eine vertrauensbildende Maßnahme. Wo kämen wir hin, wenn die sozialdemokratische WählerInnenschaft jede Hochachtung vor Wirtschaftsführern verlieren würde.

Andrea Nahles, zielstrebig. – Zehn Jahre nach dem ziemlich kurzlebigen Blair/Schröder-Programm für einen »dritten Weg« der europäischen Sozialdemokratie haben Sie jetzt zusammen mit dem britischen Labour-Politiker Jon Cruddas ein Grundsatzpapier über »Die gute Gesellschaft« herausgebracht, als Anstoß für eine »europäische Linke«, gegen »Marktradikalität« gerichtet et cetera, insoweit nicht sonderlich originell. Bemerkenswert ist nur, daß Sie ausdrücklich versichern, dies sei »kein Plädoyer für einen neuen Sozialismus«, Ihr Konzept sei der »verantwortliche, sozial regulierte Kapitalismus«. Bevor Sie dann demnächst nicht mehr nur stellvertretende Parteivorsitzende sind, müßten Sie freilich für eine Korrektur im geltenden SPD-Programm sorgen, das immer noch den Sozialismus als Ziel angibt. Eine Kleinigkeit – lassen Sie einfach das Wort »Sozialismus« ersetzen durch »verantwortlicher Kapitalismus«. Wer da was verantworten soll, braucht nicht ausgeführt zu werden, so genau schaut ja bei einem Grundsatzprogramm kaum jemand hin.

Peer Steinbrück, volksnah. – »Reiche sollen bluten« überschreibt die Neue Westfälische einen Bericht über Ihre neuesten Forderungen; eine »Reichensteuer«, so sagten Sie dieser Zeitung, sei jetzt »mehrheitsfähig«. Zu der Frage, ob sie nach der Wahl koalitionskompatibel wäre, äußerten Sie sich nicht. Sie wußten aber zu erklären, weshalb bisher in der Steuer- und Wirtschaftspolitik etwas falsch gelaufen sei: »Seit den 1990er Jahren ist von vielen das marktradikale Modell, das Paradigma der Deregulierung, vorangetrieben worden, von Managern, mit wissenschaftlichen Expertisen und auch von vielen namhaften Vertretern der Wirtschaftspresse. Dem hat sich die Politik zu lange ergeben.« So wissen wir nun, wer die Täter und wer die Opfer waren. Die Politiker, auch die namhaften sozialdemokratischen, waren hilflos den Marktradikalisten in der Wirtschaft und in den Medien ausgeliefert. Wie schrecklich für Sie!

Erschienen in Ossietzky 8/2009