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Der neue polnische Frühkapitalismus leidet an denselben Gebrechen wie jener in der Zwischenkriegszeit, in erster Linie an Kapitalmangel. Ausländisches Kapital wurde daher seit 1989/90 vorrangig im Bankensektor angelegt, wo es inzwischen eine beherrschende Stellung einnimmt. In der gegenwärtigen Finanzkrise stützen die ausländischen Banken nun nicht etwa das polnische Finanzsystem, sondern ihre nicht liquiden Haupthäuser in den Mutterländern. »Weil die Investoren uns nicht so vertrauen, wie wir es verdienen, müssen wir für unsere Staatsschulden zwischen 5,5 und sechs Prozent Zinsen zahlen. Die Briten zahlen dagegen nur 1,5 Prozent«, beklagte der polnische Finanzminister Jacek Rostowski Anfang März in der FAZ. Der Preisverfall begann bei den Eigentumswohnungen. Seit Oktober 2008 sank der Kurswert des polnischen Zloty um 27 Prozent, die Regierung kaufte Euro-Reserven und griff ein, als der Kurs zum Euro (2008 noch bei 1:3,6) auf 1:5 zuging. Auch die ausländischen Direktinvestitionen in der Industrie – Weltkonzerne nutzen Polen als verlängerte Werkbank mit billiger Arbeitskraft – gehen zurück. Massenentlassungen solcher Firmen haben schon begonnen, Philips zum Beispiel setzt 5.000 Arbeiter auf die Straße, auch das Opelwerk in Polen ist gefährdet. Die polnische Regierung hat ein Krisenreaktionspaket im Wert von 25 Milliarden Euro beschlossen. Außerdem will sie in diesem Jahr 20 Milliarden Zloty einsparen. Noch prognostiziert sie ein Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent, doch wie lange diese Prognose realistisch bleibt, ist ungewiß. Ihr kühnes Ansinnen, angesichts der Krise vorzeitig in die Eurozone aufgenommen zu werden, wurde von den Hauptmächten der EU brüsk abgelehnt. Doch wie tief Finanzkrise und Wirtschaftskrise Polen auch treffen werden, eines ist gewiß: Am härtesten treffen sie nicht die Bankmillionäre, sondern Millionen armer und verelendeter Polen. Die Arbeitslosigkeit, die 2008 bei zehn Prozent lag, wird nach derzeitigen Schätzungen auf 12,5 Prozent steigen. Nach Angaben der systemkritischen Wochenzeitung Nie (6/09) beträgt das Existenzminimum in Polen für eine dreiköpfige Familie 2.120 Zloty, das sind umgerechnet rund 450 Euro. Von diesem Minimum leben derzeit rund 23 Millionen Menschen. Weitere 2,5 Millionen leben in extremer Armut und haben nicht mehr als 920 Zloty für eine dreiköpfige Familie. Das sind in erster Linie arbeitslose Städter und perspektivlose Dorfbewohner. Ewelina Kuzmicz und Jedrzej Stasikowski haben für die Nachrichtenagentur CBOS eine Studie über erwerbstätige Arme (working poor) erstellt. Sie definieren sie als Personen, die trotz Vollzeitarbeit nicht mehr als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens erhalten, das betreffe in Polen 2,3 Millionen Menschen mit Löhnen unter 640 Zloty (rund 136 Euro). In ihrer Mehrheit seien das Arbeiter und Bauern mit elementarer beruflicher Bildung, meist aus kleineren Städten und Dörfern, aber auch 180.000 Menschen mit abgeschlossener Hochschulbildung. Die Autoren heben zwei Punkte hervor: 57,7 Prozent dieser working poor haben sehr viele Kinder unter 18 Jahren, und sie werden von der katholischen Kirche wie von der Regierung Tusk gleichermaßen ermuntert, sich weiter zu vermehren. 80 Prozent dieser Armen hätten sich so an die Armut gewöhnt, daß sie damit zufrieden seien. Sie meinten, auf einem mittleren Niveau zu leben und am Wohlstand des nun 20jährigen Kapitalismus in Polen teilhaben zu können, nicht zuletzt weil 52,1 Prozent von ihnen über ein Mobiltelefon verfügten. Am schlimmsten trifft die Krise die Rentner. 650.000 Personen erhalten eine monatliche Rente von weniger als 556 Zloty (118 Euro) und 240.00 eine Sozialrente unter 475 Zloty. Die Welle der Massenentlassungen in der Industrie steht erst bevor, der Rückgang der Kreditvergabe der Banken beginnt gerade erst, die Arbeitslosigkeit wird mit beidem sprunghaft ansteigen. In den privaten Betrieben der neuen Kapitalisten aber gibt es meist keine Gewerkschaften, nicht einmal die gelbe Solidarnosc. Die polnische Regierung aber sieht das Land in der Krise vergleichsweise »gut aufgestellt«. Selbstbewußt sagte der polnische Finanzminister Rostowski in dem FAZ-Interview: »Bei uns betragen die Gesamtschulden des Bankensektors 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, während sie in Deutschland um die 300 und bei Großbritannien über 400 Prozent liegen. Da zeigt sich, wie falsch die schwarze Legende von unserem kommenden Zusammenbruch ist.«
Erschienen in Ossietzky 6/2009 |
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