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Auf die Schlagzeile »Bundesregierung greift bei den Banken durch« warte ich bislang vergeblich. Die gelegentlichen Zornesausbrüche des Bundesfinanzministers nehmen sich vergleichsweise harmlos aus. Paul Craig Roberts hingegen, unter Präsident Reagan stellvertretender Finanzminister, bezeichnet die US-Banker in seinen Beiträgen in Counterpunch nur noch als »Kriminelle«. Ebenso vermisse ich in Deutschland klare Worte von der Zunft der Ökonomen, soweit sie sich der Wissenschaft verschrieben haben. Sie sollten sich an ihren Kollegen jenseits des Ozeans, der die vielbeschworene transatlantische Wertegemeinschaft verbindet, ein Beispiel nehmen. William Black war in den 1980er Jahren während des damaligen Sparkassenskandals in den USA ein ausgesprochen durchsetzungsfähiger Bundesanwalt. Heute ist er Professor für Rechts- und Finanzwissenschaften an der Universität von Missouri. In einer Kongreßanhörung vor wenigen Wochen führte er die Finanzkrise auf »Kontrollbetrug auf allen Ebenen« zurück. Viele – von den an der Spitze des Systems stehenden »Derivate-Banden-Chefs« bis zu den für Kreditvergabe zuständigen Bankangestellten – hätten »zu kriminellem Verhalten angestiftet«. Die einzig richtige Antwort sei die »aggressive Strafverfolgung dieser ›Eliten‹ auf allen Ebenen dieser pervertierten Schweinerei«. Sie sollten signifikant höher bestraft werden als bei Wirtschaftsverbrechen bisher üblich. Bei festgestelltem Betrug sei die Rückforderung der astronomischen Boni mehr als angemessen. Im gleichen Sinne forderte Paul Craig Roberts »Jailout« statt »Bailout« – ein Wortspiel, das sich leider nicht griffig ins Deutsche übersetzen läßt. Auch der angesehene Wirtschaftsprofessor Michael Hudson (Universität Kansas City) unterscheidet sich in Diktion und Inhalt vorteilhaft von seinen hiesigen akademischen Kollegen. In einem Aufsatz mit dem Titel »The Language of Looting« (Räubersprache) geht er die neoliberale Schule der »Chicago Boys« (Adepten des Nobelpreisträgers Milton Friedman) frontal an, die mit ihren Rezepten unter anderem die wirtschaftlichen Katastrophen in Rußland unter Jelzin und in Chile nach dem Putsch von 1973 zu verantworten hatten. Der Schwerpunkt seiner Argumentation ist die Auseinandersetzung mit ihrem Konzept des »freien Marktes«, das für Hudson eine Perversion der Vorstellungen der klassischen Ökonomen von Adam Smith über John Stuart Mill und Karl Marx bis zu den Ökonomen der von 1890 bis 1920 dauernden sogenannten »Progressive Era« (Anti-Trust-Politik) ist. Hier einige Kostproben: »Die Rhetorik von ›freien Märkten‹, Verstaatlichung‹ und gar ›Sozialismus‹ dient der sprachlichen Verschleierung und Täuschung. Damit soll die Finanzwirtschaft bei ihren Bemühungen unterstützt werden, die Regierungsmacht für ihre Partikularinteressen und Sonderrechte einzuspannen. Nachdem die Wall Street die gesamte Wirtschaft unterhöhlt hat, demontieren ihre PR-Denkfabriken nunmehr die Sprache … Das neoliberale Ideal von ›freien Märkten‹ entspricht demjenigen eines Bankräubers oder Veruntreuers, der sich eine Welt ohne Polizei wünscht, damit er genügend Freiheit hat, um das Geld anderer Leute ohne Einschränkungen abzapfen zu können … Das Kernanliegen der klassischen politischen Ökonomie des 18. und 19. Jahrhunderts bis hin zu den sozialdemokratischen Reformbewegungen in den USA und Europa vor dem 1. Weltkrieg war, den Besteuerungsschwerpunkt von Löhnen und Gewinnen zu Pacht- und Zinseinnahmen zu verlagern. Aber das darauf basierende Reformprogramm ist unter einem rhetorischen Nebelvorhang begraben worden. Er wurde organisiert von Finanzlobbyisten, die die ideologischen Wasser ausreichend eintrübten, um die weitverbreitete Opposition gegen die heutige Machtergreifung durch Finanz- und Monopolkapital zum Verstummen zu bringen. Ihre Alternative zu wahrer Verstaatlichung und Sozialisierung des Finanzsektors ist Schulden-Leibeigenschaft, Oligarchie und Neo-Feudalismus. Dieses Programm nennen sie ›freie Märkte‹.« In einem Mailwechsel mit mir kam Hudson noch einmal auf die Methoden zu sprechen, mit denen die neoliberale Ideologie durchgesetzt wurde und wird: »Die Freimarkt-›Chicago Boys‹ sind ideologische Zensoren – Freimarkt-Taliban, wenn Sie so wollen. Diese Mullahs sind sich bewußt, daß ihre Art von freien Märkten nur mit autoritären politischen Methoden aufrechterhalten werden kann. So läßt sich verhindern, daß Alternativen diskutiert werden.« Ein Schelm, wer da an Bundesinnenminister Schäuble und dessen Vorgänger Schily denkt.
Erschienen in Ossietzky 6/2009 |
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