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Die ist leider berechtigt. Denn eine Krise wie die jetzige war noch nie da. Genau besehen überlagern sich vier Krisen: Erstens eine im Kapitalismus regelmäßig wiederkehrende Überproduktionskrise, über die man schon bei Karl Marx alles nachlesen kann; sie allein wäre schon schlimm genug. Zweitens eine Kreditblase, die ein Vielfaches der Wirtschaftskraft der betroffenen Länder ausmacht und bisher erst in Ansätzen zu sehen ist wie die Spitze eines im Wasser treibenden Eisbergs. Wenn auch noch die US-Schulden und die der Kreditkartenfirmen auf die Finanzmärkte schwappen, könnte eine Pleitewelle wie ein Tsunami die ganze Wirtschaft überschwemmen. Drittens eine Strukturkrise: Die großen Konzerne haben sich nicht an moderne Bedürfnisse angepaßt und seit Jahren mit rasant steigender Produktivität die falschen Dinge produziert, die nun keiner haben will: Riesenautos, nicht isolierte Holzhäuser, Weltraumstationen, Computer mit zuviel Innenleben und so weiter. Viertens die Grundursache der jetzigen Krise: Eine Ansammlung zu großer Mengen Reichtums in zu wenigen Händen – oder andersrum ausgedrückt: die viel zu niedrigen Löhne weltweit, gesenkt unter dem Druck der Globalisierung. Wegen der vierfachen Verwicklung wird diese Krise eine halbe Ewigkeit dauern und immer noch tiefer greifen. Eine Krisenbranche wird die andere mit hinabziehen, und die Wirkung aller »Rettungspakete« wird einfach verpuffen. Kurz nach dem »Schwarzen Freitag«, dem Crash der New York Stock Exchange am 25. Oktober 1929, sprachen Fachleute schon wieder von »Gesunden Aktien«; die Krise dauerte dann aber noch fünf Jahre. Und erst mit der Schließung der Danat-Bank in Berlin am 13. Juli 1931 begann der Absturz in millionenfache Arbeitslosigkeit, Hunger, Elend, Faschismus und Krieg. Diese Krise heißt »Große Krise«. Doch die Krise, die am 15. September 2008 begonnen hat, wird schlimmer werden und länger dauern, weil viel größere Werte weltweit vernichtet werden und die staatlichen Maßnahmen ebenso hilflos sind wie 1930. Im Rückblick wird man sie die Dreißigjährige Krise nennen; ihre Verheerungen werden nicht geringer sein als die des Dreißigjährigen Krieges. Da sich, wie gesagt, zuviel Reichtum in zu wenigen Händen angesammelt hat, finden seine Eigentümer keine lohnende Geldanlage mehr, in der Kapital sich rentiert und Zinsen abwirft. Logische Folge: Es muß Kapital vernichtet werden, damit sich Investitionen für das überlebende Kapital wieder lohnen. Das bisher prominenteste Opfer dieser Zwangslage war der schwäbische Milliardär Adolf Merckle, der sich mit ein paar Milliarden verspekuliert und sich so geschämt hatte, künftig nur noch einfacher Milliardär zu sein, daß er sich lieber umbrachte. Im Angesicht seiner Lieblingsfirma Ratiopharm legte er sich auf die Schienen! Ich bin Eisenbahnerkind und weiß, daß es zu den größten Ängsten aller Lokführer gehört, jemanden totzufahren. Sie sind danach traumatisiert und lange arbeitsunfähig. Das hat Herrn Merckle aber nicht interessiert: Egoist bis zum letzten Atemzug. Und solche Leute verfügen über die Kapitalströme. BMW-Erbin Klatten, die ihren Gigolo nur gegen eine Abfuck-Prämie loswurde. Die knallharte Frau Schaeffler, die mit Krokodilstränen Staatsknete erbettelt. Zumwinkel, Hartz, Lambsdorff, die ganze Bande, die, ohne sich zu bewähren, frei herumläuft – die geschmackloseste, spießigste, rückständigste Kapitalistenklasse weit und breit. Neuerdings empfehlen einige Linke, man sollte sich gemeinsam mit solchen Kapitalisten gegen das US-Kapital wehren. Aber ich weiß eine bessere Lösung: Sollten wir ihnen nicht einfach das Verfügungsrecht über ihr Vermögen entziehen? Sie haben doch deutlich genug bewiesen, daß sie mit Geld nicht umgehen können. Jede Hartz-4-Mutter kann und muß besser rechnen als unsre Kapitalisten. Ohne Genehmigung (einen ordentlichen »Luxusführerschein«) sollte man die Großeigentümer nicht mehr an ihre Konten lassen. Besser wäre: Man teilt alles auf, das Geld und die Arbeit: Dann haben alle genug zum Leben, und alle haben Arbeit. Da mir Neid abgeht, reiße ich mich nicht drum, aber die paar Stunden in der Woche bin ich dann auch gern dabei! Übrigens: Die Kapitalisten wollen im Grunde selber von ihrem neurotisch gewordenen Geld befreit werden. Wir werden ihnen dabei helfen. Man lese nur, was die Financial Times Deutschland vom 20. 2. 09 über die Verleihung der Fonds-Awards für die besten Performer am 18. Februar in der Frankfurter Oper berichtete: »Dekoriert wurden u.a. der beste Aktienfonds (Jahresminus 2008: 35 %), der beste Nebenwertefonds (minus 44%), der beste Rohstofffonds (minus 42 %). Beim siegreichen Hochzinsfonds waren die Zinsen zwar anfänglich hoch, die Kursverluste aber waren leider noch höher. Er büßte im vergangenen Jahr 28 % an Wert ein, hat damit aber seinen Vergleichsindex um 1,38 Prozent ›outperformt‹, wie die siegreiche Gesellschaft am Donnerstag freudetrunken verkündete. Und: ›Über diese hochkarätige Auszeichnung freuen wir uns sehr.‹« Der Kabarettist Dr. Seltsam veranstaltet allsonntäglich in Berlin-Kreuzberg »Dr. Seltsams Wochenschau«.
Erschienen in Ossietzky 5/2009 |
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