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Medienmonopol Madsack
Rainer Butenschön
Robert Haberer stimmt seine Kolleginnen und Kollegen auf Gegenwehr ein: »Wer sich bei den Banken ausgerechnet in diesen Zeiten zig Millionen borgt, der ist unter Druck, dieses Geld auch wieder reinzuholen«, warnt der Betriebsratsvorsitzende die Belegschaft der Rostocker Ostsee Zeitung vor den möglichen Folgen eines Eigentümerwechsels. Das traditionsreiche Verlagshaus ist gerade an die Lübecker Nachrichten verkauft worden, firmiert jetzt als deren hundertprozentige Tochtergesellschaft. Tatsächlich aber wird in Rostock wie in Lübeck künftig der Madsack-Konzern das Sagen haben.
Die von Hannover aus geführte Verlagsgruppe, die den Namen ihres Gründers August Madsack trägt und deren Miteigentümer die SPD-Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) ist, hat dem Springer-Konzern dessen Beteiligungen an mehreren Regionalblättern abgekauft. 310 Millionen Euro schwer ist das Geschäft. »Ein Knaller für die Branche«, meint Professor Horst Röper aus Dortmund, der die Konzentrationsprozesse im Mediengeschäft seit Jahren kritisch verfolgt.
Madsack übernimmt Springers Anteile an den Kieler Nachrichten, den Lübecker Nachrichten und an der Leipziger Volkszeitung, die zusammen mit den Dresdner Neuesten Nachrichten nun hundertprozentig zum Madsack-Imperium gehört, sowie eine Beteiligung an der Hanseatischen Verlags-Beteiligungs-AG. Die hält ihrerseits weitere Anteile an den Verlagen in Kiel und Lübeck. So steigt Madsack zur publizistischen Großmacht im Norden der Republik auf, rückt von Platz acht im Ranking der deutschen Zeitungsverlagsgruppen auf Platz vier vor.
Der überraschende Deal unterstreicht, daß die Medienbranche zur Zeit vor dem Hintergrund sinkender Auflagen und nachlassender Anzeigenaufträge eine Neuordnung durchläuft. Mehrere Konzerne legen Redaktionen zusammen, um unterschiedliche Zeitungen und Zeitschriften zentral mit publizistischer Einheitsware noch kostengünstiger zu füllen. So machen es der WAZ-Konzern im Ruhrgebiet, über das er immer weiter hinauswächst, der zum Bertelsmann-Konzern gehörende Verlag Gruner&Jahr mit seinen Wirtschaftsblättern und Springer schon seit zwei Jahren mit Welt und Morgenpost in Berlin. Gleichzeitig stehen nicht mehr nur – wie schon seit Jahrzehnten – Kleinverlage zum Verkauf, auch im großen Stil wechselt Medienkapital die Besitzer. Nach dem Kauf der Süddeutschen Zeitung durch die Stuttgarter Verlagsgruppe (Stuttgarter Zeitung, Die Rheinpfalz, Südwest Presse) im vergangenen Jahr und der Übernahme der deutschen Verlagsaktivitäten des britischen Medienkonzerns Mecom (Berliner Zeitung, Berliner Kurier, Hamburger Morgenpost) durch den Kölner Verlag DuMont Schauberg (Kölner Stadtanzeiger, Express, Mitteldeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau) Anfang Januar ist der Springer-Madsack-Deal die dritte Großübernahme innerhalb kurzer Zeit.
Sie signalisiert: Die Springer AG, Europas größter Zeitungsverlag, stellt sich neu auf. Wie und wo genau, ist noch nicht zu erkennen. Offiziell heißt es, das Geld aus dem Verkauf hochprofitabler Zeitungsbeteiligungen werde in den multimedialen Ausbau der eigenen »Marken« (Bild, Welt, Hör Zu) investiert. Auch für die Expansion durch den Aufkauf weiterer Verlage in Osteuropa benötigt Multimilliardärin Friede Springer Liquidität. Zudem wird spekuliert, der Konzern könne erneut den Einstieg ins Fernseh-Geschäft versuchen.
Madsack setzt vor allem auf Kostenvorteile durch zentrale Verwaltung und Datenverarbeitung sowie auf den konzernweiten Austausch journalistisch erarbeiteter Inhalte, wie Geschäftsführer Herbert Flecken öffentlich signalisiert hat. Das dürfte früher oder später Arbeitsplätze kosten; jedenfalls ist es kein Beitrag zu mehr publizistischer Vielfalt.
Mit bis dato 14 Tageszeitungen – darunter Hannoversche Allgemeine Zeitung, Neue Presse, Göttinger Tageblatt, Wolfsburger Allgemeine Zeitung, Leipziger Volkszeitung, Oberhessische Presse – dominiert die hannoversche Verlagsgruppe bereits weite Teile des Zeitungsmarktes in Niedersachsen, Sachsen und Hessen. Dazu kommen Aktivitäten im Post-Geschäft (City Post), als Fernseh-Dienstleister (TVN und AZ Media), Aktivitäten im Internet und im kommerziellen Rundfunk. Nun dirigiert Madsack direkt oder indirekt auch alle Blätter entlang der Ostseeküste von Kiel bis Greifswald. Die tägliche Gesamtauflage der Konzern-Zeitungen wächst von bisher 625.000 auf über eine Million Exemplare.
Da zu dem Geschäft mit Springer neben diversen Rundfunkbeteiligungen auch etliche Anzeigenblätter gehören, wird Madsack in diesem besonders gewinnträchtigen Segment nationaler Marktführer mit einer unüberschaubaren Vielzahl von Titeln – vom Extra Tipp in Frankfurt am Main über den Sachsen-Sonntag bis zum Wolfenbüttler Schaufenster. Deren Gesamtauflage steigt von bislang 4,5 Millionen auf über sieben Millionen Exemplare.
Medienforscher Röper attestiert Madsack solides Wirtschaften. Das Management verstehe das Verlagsgeschäft und gehe bislang vergleichsweise pfleglich mit seinen Beschäftigten um. Die Konzernbilanz glänzt mit tiefschwarzen Zahlen und hoher Rendite. Madsack-Geschäftsführer Flecken betont, die mit Krediten finanzierten Zukäufe seien zwar »ein großer Schritt«, aber »kein großes Wagnis«.
Angesichts der galoppierenden Rezession versehen Gewerkschafter solchen Optimismus mit Fragzeichen. So oder so stellen sie sich auf Umstrukturierungen und wachsenden Druck auf die Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen im Konzern ein. Sie wissen: Madsack nutzt konsequent die Rationalisierungspotentiale neuer Techniken. Mit Massenkündigungen haben die Hannoveraner bislang nicht hantiert, aber solche »Folterinstrumente« (so der Rostocker Betriebsratsvorsitzende Haberer) wie Tarifflucht (aktuell in Hessen), Leiharbeit und Outsourcing werden überall dort im Konzern hervorgeholt, wo die Beschäftigten wenig Widerstand leisten. Nicht nur Haberer fordert deshalb verbindliche Regelungen zum Schutz der Beschäftigten und zum Ausbau publizistischer Freiheit. »Madsack ist sicher ein renommierter Verlag«, sagt er, »aber ebenso sicher nicht der gute Onkel aus Hannover.«
Erschienen in Ossietzky 4/2009
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