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Ein Geld- und Machtmensch
Jochanan Trilse-Finkelstein
Henrik Ibsen ist immer mal wieder für eine Überraschung gut – vor über 110 Jahren bei der Uraufführung des Schauspiels »John Gabriel Borkman« wie kürzlich in der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz. Gutes Stück, gute Inszenierung von Thomas Ostermeier und Jan Pappelbaum als Szenograf, beste Schauspieler wie Kirsten Dene, Angela Winkler und Josef Bierbichler.
Der jüngste Bankensturz mit nachfolgender Finanz- und Wirtschaftskrise könnte auch das Stück selbst ausgelöst haben, nicht nur die Inszenierung. Ein Bankenkrach ging der Stückhandlung voraus, und der Verursacher, der titelgebende Machtmensch Borkman, rennt, läuft, schleicht wie ein angeschossenes und waidwundes Raubtier in seinem Hause umher, klagt, beklagt sich und klagt andere an, voller Selbstmitleid und Zynismus in einem. Bierbichler wirkt wie eine vom Sturm zerzauste Esche, doch noch eine Spur zu weich. Daß er schuld ist an all dem Elend, das nun nach ihm greift, wird kaum deutlich. Die ungeheure Spannung, die Ibsen bis zu Zusammenbruch und Tod im Lehnstuhl (nicht im Gebirge wie im Text) geschaffen hat, wird nicht so richtig spür- und sichtbar; zu lange, zu oft, zu lässig hat Bierbichler die Hände in den Hosentaschen.
Gunhild, Borkmans Ehefrau, hört gar nicht mehr richtig zu, weder seinen Gründerphantasien noch den Jeremiaden. Kirsten Dene spielt sie eiskalt, auch im Pianissimo immer gut zu verstehen. Als einstige Geliebte und noch immer Liebende Ella Rentheim, die sogar zur Retterin der Familie wurde, wüßte ich keine bessere als Angela Winkler. Aber daß sie eine Schwerkranke, fast Sterbende ist, mochte ich kaum glauben – so aufrecht stand sie im Bild.
Dramaturg Marius von Mayenburg hatte einer Übersetzung von Sigurd Ibsen eine Art von Schaubühnen-Ton gegeben, einen neueren freilich. Der ließ sich im gut geführten Ensemble hören und eben auch spielen – behutsam, eher gedämpft, gelegentlich bis an die Grenze des Unverständlichen. Wenn ich noch an früheres Schreitheater in Ostermeiers Anfangszeit denke – welch ein Weg! Die Aufführung war nicht nur intelligent, sondern zuweilen auch zart. Robust waren nur die Kürzungen. Der vierte Akt im Gebirge fehlt, fast nur die Schlußsätze waren herübergezogen. Die Handelnden hatten Raum, ihr Handeln war von geistiger Disziplin bestimmt.
Manchmal hätte ich mir freilich etwas mehr Fülle des Lebens gewünscht.
Manchmal wächst so etwas im weiteren Spiel.
Erschienen in Ossietzky 3/2009
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