Zweiwochenschrift
10/2017 9/2017 8/2017 7/2017 6/2017 5/2017
Archiv
Abonnement
Impressum
Plattform SoPos
|
|
|
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können.
Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror.
Den Aufsatz kommentieren
Wortwörtlich irrtumslos
Hartwig Hohnsbein
Der Verein »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« ist ein Netzwerk von 500 Schulen, die sich verpflichtet haben, »sich mit vielfältigen Aktionen nachhaltig gegen jede Form der Diskriminierung einzusetzen«. Sehr erfreulich.
Zu den Förderern gehören das Bundespresseamt und die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), deren Zuschüsse es dem Verein ermöglichen, neben einem jährlichen Themenheft (2008: »Jugendkulturen zwischen Islam und Islamismus«) die von Schülern gemachte Zeitung Q-Rage herauszubringen.
Von der letzten Ausgabe wurden Anfang Dezember 2008 an 20.000 weiterführenden Schulen eine Million Exemplare verteilt. Diese Ausgabe erregte bundesweite Aufmerksamkeit. Grund dafür war ein Artikel, in dem zwei 18-jährige Schüler unter der Überschrift »Die evangelikalen Missionare« über das »Christival 2008« in Bremen berichten (s. Ossietzky 6/08). Die Verfasser des hervorragenden Artikels kommen auf Grund ihrer Begegnungen und Beobachtungen beim »Christival« zu der Erkenntnis: Immer mehr Jugendliche zieht es zu den evangelikalen Gemeinden. Sie werden durch Musik und ein Gemeinschaftsgefühl bei den Gottesdiensten angelockt, und dabei werden ihnen »fast nebenbei die erzkonservativen, zum Teil verfassungsfeindlichen Ideologien vermittelt.«
Diese Botschaft also erreichte zusammen mit einem Empfehlungsschreiben des bpb-Präsidenten Thomas Krüger die Schulen und ebenso die Organisatoren jenes Spektakels in Bremen, die von einem heiligen Zorn ergriffen wurden wie weiland der alttestamentliche Prophet Elia, der in seinem Eifer für seinen Gott 400 heidnische Priester persönlich erschlug. Der Generalsekretär der für das »Christival« verantwortlichen Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, forderte eine »Wiedergutmachung für Rufschädigung« und eine »korrekte Darstellung« des »evangelikalischen Christseins«. Die Rechtspostille Junge Freiheit, für die Steeb gelegentlich schreibt, nahm seine Forderungen auf. Die Welt meldete mit einer Frage gleich ihre Forderung an: »Stellt das Bundespresseamt die finanzielle Förderung der Jugendzeitschrift ein?« Und der Geschäftsführer des »Christlichen Medienverbundes«, Wolfgang Baake, forderte in einem Brief an Bundesinnenminister Schäuble gar, daß »Krüger seinen Platz räumen muß«.
Die Evangelikalen sind seit den 1990er Jahren im deutschen Protestantismus zu einem bestimmenden Machtfaktor geworden. Die »ProChrist«-Bewegung, die eng verzahnt ist mit dem »Christival« und demnächst wieder mit Tausenden von Veranstaltungen die Bundesbürger belästigen wird (und natürlich in Berlin zu den »ProReli«-Unterstützern zählt), hat in ihrem Kuratorium allein neun Bischöfe mit Wolfgang Huber an der Spitze neben Politikern wie Christian Wulff, Günther Beckstein, Hans-Jochen Vogel und dem Fernsehmoderator Peter Hahne. Kein Wunder, daß sich vor dieser frommen Großmacht die bpb unverzüglich von dem Q-rage-Artikel distanzierte: »Die bpb hält diesen Beitrag in seiner Einseitigkeit und Undifferenziertheit für gänzlich unakzeptabel.« Der Weihnachtsfrieden war wiederhergestellt.
Wie begründet ist aber der Vorwurf, die Ideologien der Evangelikalen seien zum Teil verfassungsfeindlich? Als Mitglieder der Allianz-Bewegung, zu der weltweit 500 Millionen Menschen gehören, sind sie deren unumstößlicher Glaubensbasis verpflichtet. Ihr wichtigster »biblischer Leitsatz« ist das Bekenntnis »zur göttlichen Inspiration der Heiligen Schrift und ihrer Irrtumslosigkeit in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung«. In der Bibel, die sie also auf Grund ihres Glaubens wortwörtlich nehmen, finden sie alle von Gott persönlich gegebenen Anordnungen, nach denen die Sittlichkeit in der Menschenwelt auch im 21. Jahrhundert gestaltet werden soll. Dazu einige Beispiele:
Für Homosexuelle: Todesstrafe (3.Mose 20 V. 13); für Ehebrecher: Todesstrafe (3.Mose 20 V. 10); für den »Umgang« mit der eignen Frau »zur Zeit ihrer Tage«: Todesstrafe für beide (3.Mose 20 V. 18); für ein vor der Ehe entjungfertes Mädchen: Todesstrafe durch Steinigung (5.Mose 22 V. 20 f); für einen ungehorsamen Sohn: Todesstrafe durch Steinigung (5.Mose 21 V.18 ff); für Ungehorsam gegen Priester: Todesstrafe (5.Mose 17 V. 12). Die nach dem heiligen Gesetz des Bibelgottes Umgebrachten können nach weiteren Anweisungen von ihm auch öffentlich zur Schau gestellt werden (5.Mose 21 V.22 f).
In unserem Grundgesetz Art. 102 heißt es: »Die Todesstrafe ist abgeschafft.« Da paßt doch etwas nicht zusammen. Herr Verfassungsminister, überprüfen Sie! Die couragierten Jungredakteure sollten in der Zwischenzeit für ihren respektablen Aufsatz geehrt werden.
Erschienen in Ossietzky 3/2009
|