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Braune Blätter
Martin Petersen
Während Schmuddelpostillen wie Bild ihre Leser mit Fotos nackter Frauen ködern, locken vorgeblich höherwertige Preßorgane wie stern oder Spiegel ihre Käufer gern mit Propagandabildern Adolf Hitlers und seiner bekanntesten Komplizen. Diese Polit-Pornographie treibt jetzt der Albertas Verlag auf die Spitze, dessen neuer Wochenschrift Zeitungszeugen komplette Faksimile-Nachdrucke so berüchtigter Nazi-Blätter wie Der Völkische Beobachter oder Der Angriff beiliegen. »Die Herausgabe von Zeitungen und Originaldokumenten aus der Zeit des Nationalsozialismus soll zum Verständnis dieser kritischen Periode deutscher Geschichte beitragen,« beruhigt das Impressum mögliche Kritiker. Überdies bringt die Zeitschrift auf ihren gerade mal acht Seiten verständnisfördernde Aufsätze renommierter Historiker wie Hans Mommsen und veröffentlicht neben den Nazi-Zeitungen auch kommunistische und jüdische sowie Exilblätter. So überragende Intellektuelle wie Michael Stich (Ex-Tennis-Champion), Hans-Olaf Henkel (Bild-Kommentator) oder Arnulf Baring (Autor von »Es lebe die Republik, es lebe Deutschland!«) haben ohnehin keine Skrupel, Zeitungszeugen öffentlich zu rühmen.
Alt- und Neonazis werden die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, sich ihren gedruckten Faschismus im Supermarkt um die Ecke zu kaufen. Viele andere werden beim Zeitungszeugen-Lesen den sanften Grusel genießen, etwas Verbotenes zu tun. Zu einem tieferen Verständnis der Jahre von 1933 bis 1945 führt dieser Grusel nicht. Um glauben zu können, die Wahrheit eines Zeitalters, zumal eines diktatorischen, ließe sich einfach aus seinen Tageszeitungen ablesen, zumal gleichgeschalteten, müßte man schon sehr naiv sein.
Die Lektüre kann sich lohnen, wenn man den Faschismus und seine Geschichte gut genug kennt. Doch laut Albertas Verlag richtet sich Zeitungszeugen ausdrücklich an Menschen, die sonst nie ein Geschichtsbuch anrühren würden. Daß beispielsweise dieselben Nazis ihrer Zeitung Der Angriff das Motto »Für die Unterdrückten – Gegen die Ausbeuter« gaben, die später mit mörderischem Eifer zig Millionen Zwangsarbeiter bis zum letzten Atemzug ausbeuteten, läßt sich ohne Vorkenntnisse nicht verstehen. Den renommierten Autoren des Blattes fällt hierzu nichts ein. Auf acht Seiten pro Woche können sie unmöglich alle Lügen untersuchen, die Joseph Goebbels in seinen Zeitungen verbreiten ließ.
Der Albertas Verlag des britischen Verlegers Peter McGee widmet sich seit zehn Jahren einem »Projekt europäischer, historischer Zeitungen«, das jetzt nach Deutschland kommt. Der Deutsche Pressevertrieb des Verlags Gruner & Jahr vertreibt neben stern und Spiegel ab sofort ein Jahr lang auch die wöchentlich 100.000 Zeitungszeugen-Exemplare. Sollten sich genügend Käufer für die Braunen Blätter finden (die 3.90 Euro je Ausgabe kosten, für Schulen die Hälfte), werden die Nazizeitungen samt Beilagen noch ein zweites Jahr ausgeliefert. Da die Personalkosten gering sind und beispielsweise für den Völkischen Beobachter vorsätzlich keine Nachdruckgebühren an den Freistaat Bayern als Rechte-Inhaber gezahlt werden, dürfte McGee mit dem neuen Zeitschriftenprojekt die Kunst perfektionieren, aus Scheiße Geld zu machen. Der sich gerade abzeichnende Rechtsstreit zwischen dem Albertas Verlag und dem Freistaat Bayern wird diesen Künstlern wohl noch mehr Kundschaft zutreiben.
Erschienen in Ossietzky 2/2009
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