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Angriffsziel öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Volker Bräutigam
Die Deutsche Welle darf getrost als staatsfromm bezeichnet werden. Dennoch ist sie seit Monaten Zielscheibe reaktionärer Gesellschaftsveränderer. Hauptaussage in deren demokratiefeindlicher Kampagne: Der Sender verbreite besonders in den Programmen für die Volksrepublik China kommunistische Propaganda (s. »Die Wühlarbeit der Falun gong«, Ossietzky 21/08, und »Verzerrte Wahrnehmung«, Ossietzky 22/08). Mit diesen Vorwürfen beschäftigt sich jetzt sogar der Bundestag.
Keiner der bisher mit öffentlichem Gezeter aufgetretenen deutschen Beschwerdeführer hat je etwas über China publiziert. Keiner von ihnen verfügt über sinologische Kenntnisse und Erfahrungen. Keiner hat je in Fernost gelebt, geforscht oder ist einer der chinesischen Sprachen mächtig. Sie alle übernahmen nur die Behauptungen einiger obskurer exilchinesischer Gruppen, publizierten und agitierten auf bloßes Hörensagen hin, ohne eigenständige Prüfung und ohne Belege – und erdreisteten sich schließlich, den Bundestag aufzufordern, alle DW-Mitarbeiter auf eventuelle Mitgliedschaft in kommunistischen Parteien zu überprüfen, gegebenenfalls Entlassungen vorzunehmen und einen externen Zensor zur Programmüberwachung einzusetzen.
Gemäß dem »Gesetz über die Rundfunkanstalt des Bundesrechts, Deutsche Welle« strahlt der Sender seine Programme fürs Ausland aus. In seinen Aufsichtsgremien sitzen mehrheitlich Parteipolitiker aus Bundes- und Landesparlamenten sowie Regierungsvertreter. Man darf sagen: Mit der verfassungsrechtlich gebotenen Staatsferne des Rundfunks ist es bei der Deutsche Welle nicht weit her.
Ein solcher hauptsächlich von CDU- und SPD-Vertretern beaufsichtigter Rundfunkbetrieb unter Kommunismusverdacht? Man hätte schon deshalb die Kampagne, an der sich viele Zeitungen beteiligten, als Aufmerksamkeitsklamauk reaktionärer Banausen abtun können. Nicht so der Deutsche Bundestag. Dessen »Ausschuß für Kultur und Medien« veranstaltete vielmehr unter Hinzuziehung der Bundestagsausschüsse für Petitionen, für Auswärtige Angelegenheiten, für Menschenrechte und humanitäre Fragen sowie des Unterausschusses für auswärtige Medienpolitik eine nichtöffentliche Anhörung. Und dies, obwohl bereits der (von den Regierungsparteien personell beherrschte) Rundfunkrat der Deutschen Welle nach umfassender Prüfung festgestellt hatte: Die Vorwürfe sind haltlos.
Der Kulturausschuß des Bundestages wollte sechs »Experten« hören, darunter nur zwei in der Rolle von Verteidigern. Einer der beiden war ich als ehemaliger Tagesschau-Redakteur, der nachmals viele Jahre in Fernost tätig gewesen ist. Die gesamte Veranstaltung war nicht-öffentlich, ich sehe mich aber nicht verpflichtet, die Leitgedanken meines Auftritts vor den Abgeordneten geheimzuhalten:
Es ist angebracht, die Deutsche Welle in Schutz zu nehmen und die Kampagne des »Autorenkreises der BRD« und anderer gegen den Sender zurückzuweisen. Diese Kampagne beschädigt nicht nur einen Sender, sondern verletzt konstitutive Freiheitsrechte. der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine demokratische Errungenschaft der Nachkriegszeit. Er mußte unserem Land als Ersatz für den großdeutschen Nazi-Rundfunk von den Briten regelrecht verordnet werden, denn deutschen Wünschen entsprach er anfänglich nicht. Wenige Jahre später versuchten konservative Kräfte zwar erneut, einen Staatsfunk einzurichten, verschleiert als bundeseigenen Privatsender, das sogenannte Adenauer-Fernsehen. Sie scheiterten aber am Bundesverfassungsgericht.
Dieses Gericht hat seither in allen seinen Rundfunk-Urteilen festgestellt: Radio und Fernsehen in Deutschland sind staatsfern zu organisieren, nach dem öffentlichen Recht. Staatliches Einwirken in die Programmtätigkeit ist unzulässig. Der Staat muß vielmehr die Freiheit des Rundfunks aus der Distanz garantieren. Die Deutsche Welle wird zwar aus Steuermitteln finanziert und sendet fürs Ausland. Aber auch sie darf kein Staatssender, sondern muß ein öffentlich-rechtlicher Betrieb sein. Allein Rundfunkrat und Intendant haben darüber zu wachen, daß der Sender seine Programmrichtlinien einhält. Doch selbst die Rundfunkräte haben kein präventives Kontrollrecht im Sinne einer Zensur, sondern nur Nachprüfungsrechte an bereits ausgestrahlten Sendungen.
Das Deutsche Welle-Gesetz verbürgt in Paragraph 61: »Die Deutsche Welle unterliegt keiner staatlichen Fachaufsicht.« Wozu dann eine solche Anhörung im Bundestag? Rechtlich und richtig besehen hat diese Veranstaltung nicht mehr Relevanz als ein Urlaubsgeplauder übers Wetter.
Presse-, Rundfunk- und Meinungsfreiheit sind konstitutiv für unsere Demokratie. Man kann der Meinung Dritter widersprechen, sie unangemessen oder falsch nennen. Doch zu verlangen, Meinungsäußerungen zu unterbinden, und seien die auch noch so kontrovers, ist mit unserem Recht und unserem Freiheitsverständnis unvereinbar. Für gute Programme unabdingbar ist es, die Freiheit der Sender zu hüten, sie auch vor Pressionsversuchen von Interessengruppen zu schützen.
Das Ergebnis der Anhörung wird nun in den Ausschüssen beraten. Was auch immer dabei herauskommt und selbst wenn die Kampagne im Sande verläuft: Folgenlos ist sie für den Sender nicht. Der Leiter der China-Redaktion wurde bereits seines Postens enthoben, ebenso seine Stellvertreterin. Ein rigides Kontrollsystem in der Redaktion soll anscheinend nun alles ausfiltern, was nicht von vornherein rund und stromlinienförmig war. Intendant und Programmdirektor waren zu schwach, dem politische Druck zu widerstehen, und haben es in die Redaktionen durchhageln lassen. Das steigert nach aller Lebenserfahrung die Neigung zur Selbstzensur.
Erschienen in Ossietzky 1/2009
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