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Das sind Selbstverständlichkeiten, die aber nicht immer so offen ausgesprochen werden, weil wir sonst vielleicht die Freude an der Kapitalherrschaft oder gar die Bereitschaft verlieren, dieses Regime weiterhin zu ertragen. Aber Unternehmer unter sich und vor allem im Gespräch mit ihren Geschäftsführern und Personalverantwortlichen müssen gelegentlich Klartext reden. Dabei helfen Dr. jur. Dirk Schreiner und in dessen Auftrag Rechtsanwalt Tore Raulfs. Wie Schreiner uns dieser Tage mitteilte, veranstaltet er in den nächsten Wochen in Hannover, Berlin, Stuttgart, Dortmund und Köln Seminare zum Thema »Die Kündigung ›störender‹ Arbeitnehmer«. Wenn auch Sie, liebe Ossietzky-Leserinnen und Leser, die Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben wollen, auf die es im Kapitalismus ankommt, dann melden Sie sich am besten gleich an. Die Teilnehmergebühr für ein achtstündiges Seminar (incl. drei Stunden Kaffeepausen und Mittagspause) beträgt nur 795 Euro plus Mehrwertsteuer. Schon rund zwei Monatseinkommen nach Hartz IV reichen aus. Dr. Schreiner schrieb uns: »Schlechtleister, Blaumacher und Motivationskiller sind im Betrieb meist schnell ausgemacht; viel schwieriger ist es jedoch, diese auch tatsächlich loszuwerden.« Im Rahmen des Seminars werde gezeigt, »wie Sie Kündigungsgründe kreativ gestalten können, wie Sie effektiv auf Leistungsminderung und Fehlzeiten reagieren können, wie Sie ›störende‹ Arbeitnehmer durch Outsourcing bzw. durch Betriebsübergänge loswerden können und wie Sie sich taktisch richtig beim Arbeitsgericht verhalten müssen«. Freundlicherweise schickte er auch einen Prospekt mit, damit wir uns noch genauer vorstellen können, was uns in solchen Seminaren geboten wird. Nehmen wir an, wir wären Arbeitgeber, also darauf bedacht, möglichst wenigen Menschen möglichst viel arbeiten zu lassen, und wollten nun »störende« (Dr. Schreiner setzt das Wort gewöhnlich in Anführungszeichen) Arbeitnehmer loswerden. Dann empfiehlt es sich laut Schreiner, erst einmal zu analysieren, mit welchem »Störertyp« wir es zu tun haben: »Querulant«, »Pflichtenverletzer«, »Schlechtleister« »Mobber« oder »zu häufig fehlende Arbeitnehmer«. Je nach den Ergebnissen dieser Analyse müssen wir kreativ entweder eine verhaltensbedingte oder eine personenbedingte oder eine betriebsbedingte Kündigungsstrategie entwickeln. Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt »als Reaktion auf Pflichtverletzungen, Schlechtleistungen und sonstiges Fehlverhalten« in Betracht. Selbstverständlich müssen wir dafür sorgen, daß wir von einem Fehlverhalten erfahren – durch »Einsatz eines Privatdetektivs«, »Videoüberwachung« oder »Datenzugriff und Auswertung«. Was der Privatdetektiv meldet, muß eine »relevante Pflichtverletzung« sein, und damit ein Beschäftigter seine Pflichten verletzen kann, muß der Arbeitgeber erst einmal feste Regeln und Verbote geschaffen haben – »Vorgaben zur späteren Konkretisierung von relevanten Pflichtverletzungen«. Schreiner nennt unter anderem: »Privatnutzungsverbote, Ordnungsnormen, Arbeitsausführungs- und Leistungsvorgaben«. Zum »kreativen Gestalten einer personenbedingten Kündigung« empfiehlt Schreiner beispielsweise »Krankenrückkehrergespräche« und die »konkrete Erfassung der Fehlzeiten, Entgeltfortzahlungskosten, betrieblichen Ablaufstörungen« sowie als »milderes Mittel« die Versetzung auf einen »leidensgerechten Arbeitsplatz«. Es könnte sein, daß der »störende« Arbeitnehmer, den man loswerden will, mit dem neuen Arbeitsplatz nicht einverstanden ist. Schreiners Empfehlung: »Versetzung als Chance zur Eigenkündigung nutzen«. Zu den Vorteilen einer betriebsbedingten Kündigung, die sich ebenfalls mit Schreiners Hilfe »kreativ gestalten« läßt, gehört, wie wir dem Prospekt entnehmen, das Recht der »frei gestaltenden Unternehmerentscheidung« mit eingeschränkter Überprüfungsmöglichkeit durch die Arbeitsgerichtsbarkeit. Bei »Outsourcing, Betriebsabteilungsstilllegung, Betriebsteilstilllegung, Wegfall von Hierarchieebenen, Wegfall von Funktionen« kann eben leicht auch der unternehmerische Bedarf an der Beschäftigung des »störenden Arbeitnehmers« wegfallen. Zwar gilt bei betriebsbedingten Kündigungen die Pflicht, nach sozialen Kriterien zu entscheiden, aber Schreiner weiß auch hier Rat: »ggf. Entfallen der Sozialauswahl bei vorheriger Versetzung des Arbeitnehmers«. Großartig, was Dr. jur. Schreiner (Adresse der Redaktion bekannt) sich alles ausgedacht hat. Aber nein, wir wollen hier für ihn und seine Seminare nicht werben, zumal er uns nicht dafür bezahlt. Aber es beeindruckt uns schon, wie sorgsam der Klassenkampf von oben organisiert wird. Und daran scheint starkes Interesse zu bestehen. Denn außer dem Seminar »Die Kündigung ›störender‹ Arbeitnehmer« bietet Schreiner noch 27 andere Seminare an, darunter »Grenzen des Betriebsrats – So weisen Sie Ihren Betriebsrat in die Schranken« (nächste Termine in Frankfurt, Köln, Dresden, Stuttgart, Nürnberg), »Die häufigsten Betriebsratssünden – So reagieren Arbeitgeber richtig«, »Effektive Strategien gegenüber schwierigen Betriebsräten – So reagieren Sie richtig auf blockierende, übereifrige oder fremdgesteuerte Betriebsräte«, »Arbeit statt Freistellung für Betriebsräte – So reduzieren Sie effektiv die Betriebsratskosten«, »In Zukunft ohne Betriebsrat«, »Belegschaftsausschuß statt Betriebsrat«, »Ausstieg aus dem Arbeitgeberverband und andere tarifrechtliche Strategien, um überzogenen Tarifverträgen zu entgehen«, »Die einseitige Änderung von Arbeitslohn, Arbeitszeit und Arbeitsort sowie aller anderen Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber«. Zwei Fragen blieben offen, darum haben wir eben mal bei Dr. Schreiner angerufen und erfahren: Jedes dieser Seminare kostet ebenfalls pro Teilnehmer 795 Euro. Die Kosten sind als Aufwendungen für Weiterbildung steuerlich absetzbar – »selbstverständlich, ganz normal!« Denn unser Staat fördert die Bildung.
Erschienen in Ossietzky 25/2008 |
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