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Aus den Reihen der britischen Truppen im Irak werden seit Beginn des Irak-Krieges jährlich etwa 3.000 Uniformierte als unerlaubt abwesend gemeldet, von denen jeweils etwa 1.000 dauerhaft desertierten. Im mit der NATO und der Europäischen Union eng verbundenen Israel, wo es keinen alternativen Zivildienst für Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen gibt, haben sich seit September 2000, als die gegenwärtige Intifada der Palästinenser begann, mehrere Hundert SoldatInnen geweigert, in den eroberten und besetzten Gebieten Militärdienst zu leisten und sich an Menschenrechtsverletzungen zu beteiligen, welche die israelische Armee ihrer Ansicht nach verübt. Aus der Vielzahl der bekannt gewordenen Fälle von Gehorsamsverweigerungen ragen je einer in der U.S. Army und den britischen Streitkräften hervor, die einerseits wegen der Argumente, mit denen die beiden Soldaten ihr Handeln begründeten, andererseits wegen der Reaktionen der Militär- und Justizapparate paradigmatische Bedeutung haben und deshalb hier und im nächsten Ossietzky-Heft eingehender betrachtet werden sollen. Der eine Fall ist der des First Lieutenant der U.S. Army Ehren K. Watada. Dieser Artillerie-Offizier aus Fort Lewis im Bundesstaat Washington war im Juni 2006 der erste Offizier, der sich in aller Öffentlichkeit weigerte, mit seiner Einheit in den Irak zu gehen. Als Hauptgrund gab er an, daß der Krieg gegen den Irak in seinen Augen illegal und unmoralisch sei und daß er sich an ihm aufgrund seines Diensteides sowie des »Uniform Code of Military Justice« (UCMJ) der U.S. Army gar nicht beteiligen dürfe. Seiner Auffassung nach verstoße der Irak-Krieg gegen die US-amerikanische Verfassung und den »War Powers Act«, der es dem Präsidenten als Oberkommandierendem nicht gestatte, die Streitkräfte nach eigenem Gutdünken einzusetzen. In Bezug auf das Völkerrecht legte Watada dar, daß »die UN-Charta, die Genfer Konvention und die Nürnberger Prinzipien den Aggressionskrieg verbieten«. Schließlich monierte er auch noch die ebenfalls illegale Art und Weise, in der die US-Streitkräfte den Krieg im Irak führten: »Wenn man das Army Field Manual 27-10 studiert, welches das Verhalten im Bodenkrieg regelt, dann gibt es darin gewisse Verantwortlichkeiten der Besatzungsmacht. Als Besatzungsmacht haben wir viele dieser Regeln nicht befolgt.« Seine persönliche Verantwortung als Soldat, so machte er deutlich, beziehe sich »nicht nur auf individuelle Kriegsverbrechen. Sie schließt das größte Verbrechen gegen den Frieden mit ein, welches, wie in Nürnberg festgestellt, Angriffskriege darstellen, Kriege, die nicht aus Zwang, sondern mit Vorsatz um des Profits oder um der Macht willen oder worum auch immer geführt werden«. Watada betonte, daß das Führen eines Krieges oder das Töten von Menschen keineswegs prinzipiell gegen seine Gewissensüberzeugungen verstießen; er gab zu Protokoll: »Ich bin nicht einfach gegen das Tragen von Waffen oder dagegen, Leute zu bekämpfen. Ich bin gegen einen ungerechtfertigten Krieg.« Konsequenterweise bot Watada an, entweder aus der U.S. Army auszuscheiden oder in Afghanistan zu dienen, doch das Verteidigungsministerium lehnte ab. Mit seiner öffentlichkeitswirksamen Gehorsamsverweigerung sowie seinen den Medien zugeleiteten kritischen Stellungnahmen zum Irak-Krieg und zur diesbezüglichen Politik seiner Regierung verfolgte Ehren Watada die Absicht, in den USA eine zivile Widerstandsbewegung nach dem Vorbild der Bewegung gegen den Vietnamkrieg zu initiieren. Damit stieß er auf positive Resonanz in der Öffentlichkeit sowohl in den USA selbst als auch weltweit. Mittlerweile haben bereits mehr als 1.000 US-Soldaten im aktiven Dienst den sogenannten «Appeal for Redress» unterzeichnet, mit dem ein Ende des Irakkriegs gefordert wird. Auch inspiriert Watada eine wachsende Bewegung des zivilen Ungehorsams gegen den Krieg, die auf Beantwortung ihrer drängenden Fragen insistiert – Fragen nach der Wahrheit oder Unwahrheit der Rechtfertigungen des Irakkrieges, nach der Beachtung oder Nichtbeachtung der Prinzipien der US-Verfassung und des amerikanischen sowie internationalen Rechtes und nach der persönlichen Verantwortung der Handelnden. Angesichts der beharrlichen Weigerung Watadas, sich mit seiner Einheit in den Irak verlegen zu lassen, leitete das Pentagon im August 2006 ein Militärgerichtsverfahren gegen ihn ein. Im ungünstigsten Falle drohten ihm bis zu achteinhalb Jahre Militärgefängnis, unehrenhafte Entlassung sowie Verlust aller Dienstbezüge. Der Prozeß wurde am 5. Februar 2007 eröffnet. Das Hauptziel der Verteidigung bestand darin, den Irak-Krieg selbst »vor Gericht zu stellen«: Sie wollte nachweisen, daß es sich um einen illegalen und unmoralischen Angriffskrieg handelte. Genau dieses Ziel indes versuchten die Anklagevertreter im Verein mit dem Vorsitzenden Richter zu durchkreuzen. Doch das Gericht wurde letztlich Opfer seiner eigenen Strategie. Denn ob Watada schuldhaft einem rechtmäßig erteilten Befehl den Gehorsam verweigert oder sich zu Recht geweigert hat, einen illegalen Befehl auszuführen, war nicht zu entscheiden, wenn nicht zuvor die Legalität oder Illegalität des Irak-Krieges an sich geklärt werden konnte. Solchermaßen in die Bredouille geraten, zog der Vorsitzende Richter die Notbremse und erklärte das Militärgerichtsverfahren für vorläufig gescheitert. Gegen die Fortführung des Prozesses erhob Watadas Verteidigung mit der Begründung Einspruch, daß das erste Verfahren gescheitert sei und nach dem Fünften Zusatz zur US-Verfassung niemand wegen desselben Gesetzesverstoßes ein zweites Mal angeklagt werden darf. Nachdem dieses Ansinnen durch drei Instanzen bis hinauf zum U.S. Court of Appeals for the Armed Forces, dem höchsten Appellationsgericht der Militärjustiz, abgelehnt worden war, führte schließlich die Anrufung eines Zivilgerichtes zu einer Verschiebung des Prozesses auf unbestimmte Zeit. Nachdem mehr als anderthalb Jahre vergangen waren, entschied Bundesrichter Benjamin Settle im Oktober 2008, daß die U.S. Army den obstinaten Leutnant in drei Anklagepunkten nicht erneut vor Gericht stellen dürfe. Offen ist, ob die Militärjustiz hinsichtlich zweier noch offener Tatvorwürfe nach erneuter Prüfung weitere Anklage gegen Watada erheben wird. Obwohl die vertragliche Dienstzeit von First Lieutenant Ehren K. Watada eigentlich bereits im Dezember 2006 geendet hätte, wurde er aufgrund des gegen ihn laufenden Militärgerichtsverfahrens nicht aus den Streitkräften entlassen. Zur Zeit ist er in Fort Lewis, Washington, mit administrativen Aufgaben betraut. Jürgen Roses Artikelserie zur Ächtung des Angriffskriegs, die in Ossietzky 1/08 begann, wird fortgesetzt. Der Autor, Oberstleutnant der Bundeswehr, ist aus disziplinarrechtlichen Gründen gezwungen, darauf hinzuweisen, daß er in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen darlegt.
Erschienen in Ossietzky 24/2008 |
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