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Aber wir können uns eine Lösung vorstellen: Mit Hilfe der Bertelsmann-Stiftung entwirft Ihr Institut ein wirtschaftsfreundliches Meßsystem für pädagogische Leistungen; die höchste Besoldung erhalten dann diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Zöglinge so zurichten, daß sie niemals mehr an der Weisheit unternehmerischer Entscheidungen zweifeln. Klaus Franz, Opelaner. – Was gut ist für General Motors, ist auch gut fürs Gemeinwohl, mögen Sie als Vorsitzender des Opel-Gesamtbetriebsrats gedacht haben, als Sie gemeinsam mit dem Präsidenten von General Motors Europe und dem Vorstandsvorsitzenden der GM-Tochterfirma Opel in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Kreditprogramm in Höhe von 40 Milliarden Euro, um den Kauf von Neuwagen anzuregen, sowie eine »Verschrottungsprämie« für Altwagen und ähnliches mehr forderten – der Motor im Automobilgeschäft soll wieder brummen. Ja, warum nicht, wenn doch den Banken noch viel mehr Milliarden zufließen sollen! Aber was soll aus den vielen weniger großen Metallbetrieben werden? Die meisten Beschäftigten der Metall-Industrie arbeiten in den zahllosen kleineren »Klitschen« der Branche. Auch sie sind von der Finanz- und Marktkrise betroffen, und vielen ist nicht schon geholfen, wenn wieder mehr Autos verkauft werden. Nur als Beispiel: Was haben Ihre KollegInnen in einer Fahrradfabrik davon, wenn General Motors auf Staatskosten saniert wird? Sollten die gleichfalls an die Kanzlerin schreiben, werden sie keine Aufmerksamkeit erregen; ihr Betrieb wird mit Staatsknete nicht rechnen können. Aber sie und wir alle sollen – wenn Ihr Brief die beabsichtigte Wirkung hat – mit unserem Steuerscherflein dazu beitragen, daß in der Chefetage von General Motors wieder Frohsinn aufkommt. Christian Wulff, aus dem Takt geraten. – Vor einer »Pogromstimmung« gegen hochbezahlte Manager haben Sie im TV-Studio Friedman gewarnt, und nicht nur der Generalsekretär des Zentralrats der Juden war über diese Ihre Begriffsverwendung empört. Sie hätten sich rechtfertigen können, wenn Sie über spezielle Diskurse in einer pseudolinken Szene Bescheid wüßten: In Veröffentlichungen von »Antideutschen«, die eifrig in die Linkspartei hineinwirken, ist zu lesen, Kritik am Finanzkapitalismus entspringe antisemitischen Gefühlen. Tatsächlich lassen sich dadurch manche Kritiker – eben weil sie nicht als Antisemiten gelten wollen, die sie nicht sind – zum Schweigen bringen, und das hilft auch Ihnen, den real existierenden Kapitalismus politisch-ideologisch abzusichern. Deutscher Bundestag, fast einig. – Mit überwältigender Mehrheit aus allen Fraktionen haben Sie eine Entschließung »Den Kampf gegen den Antisemitismus verstärken« angenommen, in der Sie das Gedenken an das hitlerdeutsche Pogrom vor 80 Jahren dazu mißbrauchen, den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zu beschuldigen, er habe dazu aufgerufen, »Israel von der Landkarte zu tilgen«. Die Kühnheit, mit der Sie diese längst widerlegte Lüge weiterverbreiten, macht uns staunen, obwohl Sie uns, vor allem in den Begründungen für Aufrüstungs-, Sozialabbau- und Grundrechtsbeschneidungsgesetze, schon manche Unwahrheit zugemutet haben. Den beiden Kölner Journalisten Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, die, in Sorge angesichts US-amerikanischer Kriegsdrohungen gegen den Iran, den vielen Verdrehungen und Verfälschungen von Ahmadinedschad-Äußerungen nachforschen, gelang es, tonangebende Medien zu dem mehr oder weniger gewundenen Eingeständnis zu bewegen, daß sie falsche Übersetzungen veröffentlicht hatten. In Wahrheit hatte der iranische Präsident nicht von Israel, sondern vom zionistischen Regime gesprochen, das Jerusalem nicht für immer besetzt halten könne. Formulierungen wie »von der Landkarte tilgen« hatte er nie verwendet, sie sind frei erfunden. Die Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online, tagesschau.de, das ZDF und die Nachrichtenagentur AP überzeugten sich ähnlich wie die Deutsche Presseagentur, deren Chefredakteur Wilm Herlyn versicherte: »Die dpa wird in Zukunft bei der Berichterstattung darauf achten, daß der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad nicht die Auslöschung Israels oder dessen Tilgung von der Landkarte gefordert hat.« Doch Sie setzen sich nun über diese Erkenntnisse und sogar über die Feststellungen Ihres parlamentseigenen Sprachendienstes hinweg. In deutscher Treue folgen Sie bedingungslos der fettgedruckten Forderung der Jerusalem Post vom 22. Juni 2008: »Irans Aussage von der Zerstörung Israels« – also die Aussage, die es nicht gibt – »darf in der Übersetzung nicht verloren gehen.« Denn die Weltöffentlichkeit soll glauben, der Iran drohe mit Genozid, baue zu diesem Zweck bereits Atombomben und müsse deswegen schnellstens durch einen Präventivkrieg an der Ausführung massenmörderischer Pläne gehindert werden – ähnlich wie der Irak unbedingt angegriffen werden mußte, weil er die Massenvernichtungsmittel herausgeben sollte, die er nicht besaß. Die CDU/CSU, die ihre Wurzeln in dem vom früheren Judenentrechtungsplaner Hans Globke geleiteten Kanzleramt nicht verleugnen kann, wäre mit weniger Einigkeit zufrieden gewesen: Die Linkspartei sollte abseits gehalten werden – wofür es gute Gründe gegeben hätte, weil sie bisher die Teilnahme an allen Kriegen abgelehnt hat. Aber nun wollte sie, jedenfalls die Fraktionsführung, unbedingt dabei sein und brachte deswegen einen gleichlautenden Antrag ein, einschließlich der dreisten Verleumdung des iranischen Präsidenten. Der Text enthält auch brisante Verdächtigungen der »islamistischen Gedankenwelt«. Die Hamas, die Siegerin der Parlamentswahl in Palästina, wird pauschal als »terroristische und antisemitische Gruppe« angefeindet. Immerhin verweigerten einige Abgeordnete, darunter diejenigen Linken, die je in Ossietzky geschrieben haben, die Mitwirkung an dieser erbärmlich verlogenen Kriegsvorbereitungserklärung. Der Sicherheit der in Israel lebenden Juden und aller anderen Menschen in Nahost haben Sie, Deutscher Bundestag, mit dieser Entschließung einen denkbar schlechten Dienst erwiesen. Parteirat der hessischen Grünen, lehrmeisterisch. – Einen Mangel an arrangierender Fähigkeit haben Sie bei der SPD in Hessen beklagt; die sei nicht in der Lage gewesen, »Parteiflügel hinreichend in Entscheidungsprozesse einzubinden«. Aber hätte die geplagte Andrea Ypsilanti noch mehr Konferenzen mit ihren Parteiaktivisten veranstalten und sich noch mehr Zustimmung für ihren Auftritt gegen Roland Koch holen können? Vielleicht hätten Sie der Sozialdemokratin vertraulich raten sollen, den Vorständen der Flughäfen und der Energieunternehmen in Hessen einen verborgenen Wink zu geben, daß es so schlimm schon nicht kommen werde, wie es im Regierungsprogramm stand, man solle nur nach Hamburg schauen. Hätte Ypsilanti solche Bereitschaft zum Wortbruch signalisiert, hätten die Vorstände das Gewissen einiger SPD-Abgeordneten leicht beruhigen können. Lothar Kusche, nachdenklich. – Sie bemerken zu Ralph Hartmanns Beitrag »Die Transparenzlerin« (Ossietzky 22/08): »›Transparenz‹ gehört schon länger zu den Lieblingsschlagworten der Bundeskanzlerin. Vielleicht läßt sich das mit bewußten oder unbewußten Erinnerungen an ihre Jugendzeit erklären. Sollte sie FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda gewesen sein, wie man ihr nachsagt, so ist sie zweifellos mit Transparenten, ohne welche die DDR bekanntlich undenkbar war, in Berührung gekommen. Die Bundeskanzlerin selbst ist aber vermutlich kein sehr transparenter Mensch. Sonst wäre sie doch nicht meistens so zugeknöpft.« Damit haben Sie unbestreitbar recht. Ja, wir erleben Angela Merkel oft undurchsichtig, aber wir dürfen sicher sein: Lange bevor sie ihr jetziges Amt antreten durfte, hatten diverse Geheimdienste sie durchleuchtet. Sonst hätte sie schwerlich Kanzlerin werden können. Marcel Reich-Ranicki, allwissend. – Ihre Behauptung, es gebe im deutschen Fernsehen zu wenig Shakespeare und Brecht, ist falsch. Schalten Sie nur einmal den ZDF-Theaterkanal ein: Dorthin und auf weitere fünf Digitalkanäle haben ARDund ZDF ihren öffentlich-rechtlichen Kultur- und Bildungsauftrag schon vor vielen Jahren entsorgt – ohne ein einziges Widerwort von Ihnen oder anderen Geistesgrößen fürchten zu müssen. Atlas Verlag, Weil am Rhein. – Im Werbeprospekt zur von Ihnen herausgegebenen Dokumentation der Geschichte des in Zwickau entwickelten Autos »Sachsenring P 240« meinten Sie darauf hinweisen zu müssen, daß die DDR »politisch korrekt« im Jahre 1955 »Sowjetzone« genannt wurde. Entsprechend der gegenwärtigen politischen Korrektheit unterließen Sie jedoch den Hinweis, daß man zu dieser Zeit in Zwickau und anderswo die BRD politisch korrekt als »westdeutschen Separatstaat« bezeichnete.
Erschienen in Ossietzky 23/2008 |
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