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Wie Bougainville!« Ich seufzte und erinnerte mich an einen ähnlichen Anruf vor sechzehn Jahren: Damals hatte Rosemarie – ich halte sie für eine australische Jeanne d’Arc (wiewohl sicher keine Jungfrau) – mich in den Bougainville-Krieg hineingezogen: Sie überwand den Blockadering um die Insel und sandte mir Nachrichten aus dem Kampfgebiet; ich schrieb darüber und machte täglich neue Erfahrungen mit der angeblich nicht existierenden australischen Zensur, denn über diesen geheimen Krieg sollte absolut nichts bekannt werden, obwohl die australische Regierung ihn mit australischen Piloten, Offizieren, Hubschraubern und Patrouillenbooten führte. Und, nach acht Jahren, verlor. Ich verlor damals bei meinen Versuchen, über den Krieg zu berichten, meine guten Beziehungen zu den Chefredakteuren tonangebender Medien. 15.000 Bougainvillier verloren ihr Leben, aber gewannen den Krieg. Die Kupfergrube Panguna, um die der Krieg geführt worden war, ist heute nicht mehr im Besitz des Rio-Tinto-Konzerns, sondern, stillgelegt, im Besitz der Einwohner. Die Umweltvergiftung durch den Abraum und die Abwässer der Grube ist damit nicht zu Ende, aber sie nimmt nicht mehr zu. Soll ich, inzwischen sechzehn Jahre älter geworden, mich noch einmal in einen solchen Krieg hineinziehen lassen? Nach einigen Tagen rief mich dieser Jethro Tulin an. Wir trafen uns. Der kräftig gebaute schwarze Mann, 40 Jahre alt, trug den rechten Unterarm in Gips. »Den haben mir die Schläger von der Barrick-Porgera-Grube gebrochen, sie zielten auf meinen Kopf und sagten: ›Du wirst nicht wieder nach Kanada fahren.‹« Ich hörte zu. Und erfuhr Folgendes: In der Mitte des neuguineischen Hochgebirges liegt die Porgera-Goldgrube, 1989 eröffnet. Seit ein paar Jahren gehört sie der Barrick Gold Company, der größten Goldgräbergesellschaft der Welt. Sie schürft in vielen Ländern, auch in Australien. Der Konzern sitzt in Toronto, Kanada. Jethro stammt aus dem Grubengebiet. Sein Vater hatte bis 1938 nie einen Weißen gesehen. Sie wußten nichts von der Außenwelt. Wie sein Volk, die Ipali, lebte er ohne Metall, mit Stein-Werkzeugen, von der Jagd und einem hoch produktiven Gartenbau. Sie wußten, daß viel Gold im Sediment ihrer Bäche und Flüsse lag, aber sie betrachteten es als nutzlos. Ließen es liegen. Diese Welt änderte sich, als die Australier kamen, die bis 1975 über Papua-Neuguinea herrschten. Die schon erwähnte Kupfergrube Panguna auf Bougainville wurde zur größten Devisenquelle des Landes. Als diese aus den geschilderten Gründen versiegte, schloß die PNG-Regierung, von Canberra gesteuert – denn die staatsrechtliche Unabhängigkeit hatte wenig an der australischen Dominanz geändert –, schnellstens einen Vertrag, um die neue Porgera-Goldgrube in Betrieb zu bringen. Dem Ipali-Volk wurden viele Versprechen gemacht, auch vertragliche Zusicherungen; man wollte ein zweites Bougainville vermeiden. Die Arbeiter, die das Bergwerk erschlossen, waren zum Teil gewerkschaftlich organisiert. Der damals noch ganz junge Jethro Tulin wurde Gewerkschaftsvorsitzender. Später schickten ihn der PNG-Gewerkschaftsbund und australische Gewerkschaften zur Schule. Er kam aufs Ruskin-College in Oxford, wurde auch in die BRD, auch nach Israel eingeladen, lernte viel. Was sich später in Porgera zutrug, verstanden Tulin und andere Ipali als Vertragsbrüche. Das Ackerland, die Gärten, die Flüsse wurden von den Grubenabfällen vergiftet. Die Grube wuchs über ihre anfängliche Größe hinaus – es gab mehr Gold als erwartet. Gut für die Gesellschaft, die kanadische Barrick Gold Company, die um 2005 fast alle Anteile von den Australiern gekauft hat. Der Aktienkurs und der Profit stiegen steil an. Aus der Sicht der Profiteure wurde es notwendig, viele Einwohner zu erschießen, die auf eigene Faust Gold schürften und damit den Grubenbetrieb störten. Eine schwer bewaffnete 500 Mann starke Grubenpolizei sollte ihnen die Courage nehmen. Aber als diese Polizisten wiederholt Ipali-Frauen vergewaltigten, wuchs die Empörung. Im Mai 2008 fuhr Jethro Tulin zur Hauptversammlung der Aktionäre der Barrick Gold Co. nach Toronto. Freunde hatten ihm eine Aktie beschafft, damit er teilnehmen und mitreden konnte. Er sprach über die Zustände in Porgera und machte sich damit bei der Firmenleitung sehr unbeliebt. Als er in sein Dorf heimkehrte, griffen ihn drei Männer mit Macheten an und verwundeten ihn schwer. »Du wirst nicht wieder nach Kanada fahren«, erklärten sie ihm. Die PNG- und die australischen Gewerkschaften und auch Umweltgruppen sorgten dafür, daß Tulin nach Sydney ins Spital kam, wo ein namhafter Chirurg ihn »pro bono« behandelte. Zum Ersatz des zertrümmerten Vorderarmknochens wurde ihm eine Stahlstange eingesetzt. Ich besuchte ihn in Behandlungspausen. Er fragte, ob ich ihm bei der Öffentlichkeitsarbeit helfen könne. Wir sprachen über den Rechtsstreit, den die Bougainvillier seit zehn Jahren in den USA gegen Rio Tinto wegen Umweltzerstörung und Genozid führen. Ob das auch für Jethro und sein Volk ein gangbarer Weg ist? Wir lassen das jetzt von einer Anwaltsfirma in Seattle prüfen. Mehr darüber später.
Erschienen in Ossietzky 23/2008 |
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