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Energisch fordert sie von großen und kleinen Staaten ein transparenteres Verhalten: vom russischen Präsidenten Medwedjew mehr »Transparenz« im Rechtssystem, da Deutschland hier an einer »dynamischen Entwicklung« interessiert sei, und vom Liechtensteiner Regierungschef Otmar Hasler mehr »Transparenz« im Finanzsektor, um die Steuerhinterziehungen einzudämmen. Ja, die Finanzen. Seit Ausbruch der Krise auf diesem Sektor fordert sie pausenlos mehr »Transparenz« an den Finanzmärkten: beim Petersburger Dialog, auf der VW-Betriebsversammlung, auf dem Unternehmertag der CDU/CSU-Fraktion, auf dem Deutschen Handwerkstag und so weiter. Erstmals hatte sie sich, mutig, wie sie nun einmal ist, mit dem internationalen Finanzkapital angelegt, als sie als Konsequenz aus den beginnenden weltweiten Börsenturbulenzen wegen der US-Hypothekenkrise eben diese »Transparenz« verlangte, da »wir beispielsweise bei den Hedge Fonds künftig wissen (müssen), wo das Kapital herkommt«. Aber wo kommt unsere kapitale Kanzlerin selber her, wie durchschaubar ist ihre persönliche Entwicklung bis 1989? Hier, so scheint es, läßt sie zuweilen die sonst so eifrig eingeforderte »Transparenz« vermissen. Auf ihrer Homepage teilt sie unter der vielversprechenden Überschrift »Mein Werdegang« dazu lediglich mit: »Am 17. Juli 1954 in Hamburg geboren, habe ich den größten Teil meiner Jugend in Templin in Brandenburg verbracht. Zum Studium der Physik (1973–1978) zog ich nach Leipzig. Nachdem ich mein Studium dort abgeschlossen hatte, ging ich nach Berlin an das Zentralinstitut für Physikalische Chemie an der Akademie der Wissenschaften. Dort habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin vor allem auf dem Gebiet der Quantenchemie geforscht. Mit einer Arbeit zur Berechnung von Geschwindigkeitskonstanten von Reaktionen einfacher Kohlenwasserstoffe promovierte ich 1986 zur Dr. rer. nat.« Ausführlich ist das nicht. Die Kargheit ihrer biographischen Selbstauskunft führt immer wieder zu Irritationen und auch zu heftigen Angriffen auf diejenigen, die sich hierzu etwas präziser äußern. Vor einiger Zeit bekam das Oskar Lafontaine zu spüren. In der ARD-Talkshow Anne Will sagte er in einem Disput über die »Altkommunisten« in der Partei Die Linke mit dem bayerischen Ex-Ministerpräsidenten Günther Beckstein: »Sie haben eine überzeugte Jungkommunisten zur Kanzlerin gewählt. Ist Ihnen das überhaupt klar? Denn Frau Merkel war FDJ-Funktionärin für Propaganda und Agitation ... Und sie durfte in Moskau studieren. Das waren nur Linientreue.« Ob dieser Bemerkungen geriet nicht nur Beckstein aus dem Häuschen. Die sich als Sprachrohr der Ostdeutschen gerierende Super-Illu aus dem Burda-Konzern titelte »Mieses Spiel mit Angela« und warf Lafontaine vor, mit »Unwahrheiten« ein »Zerrbild Merkels« zu zeichnen. Die Kanzlerin habe nie in Moskau studiert und an der Akademie der Wissenschaften in Berlin habe sie sich nach eigener Auskunft nur »als FDJ-Kulturbeauftragte« engagiert, um »Theaterkarten (zu) besorgen«, Lesungen und Vorträge zu organisieren. Andere Medien, darunter Bild und der Bayernkurier, und kanzlertreue Politiker stimmten in den Chor der empörten Protestierer ein und wiesen vor allem die Behauptung, Merkel sei in der FDJ Sekretärin für Agitation und Propaganda gewesen, als »Verleumdung« und »Provokation« zurück. Unlängst stieß auch Frank Plasberg in seiner Sendung hart aber fair in das gleiche Horn und beschuldigte den Ko-Vorsitzenden der Linkspartei ob dessen Aussagen über die Kanzlerin nicht sonderlich fair der Demagogie. Dabei berief er sich auf »Frau Baumann, die Büroleiterin von Frau Merkel«, die auf Nachfrage bestätigt habe, daß ihre Chefin »nie in Moskau studiert« habe. Lafontaine blieb bei seiner Darstellung und forderte die Kanzlerin auf, »selbst öffentlich (zu) erklären, daß sie nicht als Auslandstudentin in Moskau war«. Und wie reagiert diese? Sie hüllt sich weiter in Schweigen. Weshalb wohl? Erinnert sie sich vielleicht doch ein wenig genauer an ihr Auslandsstudium und an ihre Mitarbeit in der FDJ, der sie selbst als 25jährige noch angehörte? In einem Interview mit Günter Gaus hatte Merkel einst leichtsinnigerweise bekannt: »Ich war gerne in der FDJ.« Der Verfasser ihrer ersten Biographie, Gerd Langguth, der ihre Unfähigkeit beklagt, Einblick in das eigene Ich zu geben, geht relativ ausführlich auf die Zeit ein, in der sie die blaue Bluse der Jugendorganisation trug. Ihm hatte sie berichtet, Kulturreferentin gewesen zu sein und sich um die Bereitstellung von Theaterkarten gekümmert zu haben. Andere, die der Biograph ebenfalls befragte, erinnerten sich dagegen, daß sie »Sekretärin für Agitation und Propaganda« war. Auf Unterlagen kann Langguth hier nicht zurückgreifen, denn sie sind wundersamerweise ebenso wie ihre Pflicht-Arbeiten in Marxismus-Leninismus nicht aufzufinden. Dafür weiß Langguth zu berichten, daß die Pfarrerstochter Angela, geborene Kasner, die angeblich nie in der Sowjetunion studierte, bei einem Studentenaustausch in Moskau ihren späteren ersten Mann Ulrich Merkel kennenlernte. Auch andere Verfasser von Biographien der Kanzlerin geben Auskunft. Wikipedia vermeldet kurz und knapp: »Angela Merkel war während ihrer Zeit an der Akademie als Kreisleitungsmitglied und Sekretärin für Agitation und Propaganda bei der FDJ tätig – sie selbst spricht in diesem Zusammenhang von ›Kulturarbeit‹, die ihr laut einem Interview mit Günter Gaus aus dem Jahr 1992 ›Spaß gemacht hat‹«. Und laut FemBio, der Frauen-Biographieforschung e.V. in Hannover, »war Angela Merkel FDJ-Leitungsmitglied, bis 1984 FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda«. Wie es scheint, steht der Vorsitzende der Linkspartei mit seinen biographischen Angaben nicht allein, auch wenn er mit der Behauptung, die Bundeskanzlerin sei eine »Jungkommunistin« gewesen, wohl ein wenig übertrieben hat. Wer aber hat nun Recht? Lafontaine, Langguth, Wikipedia, FemBio oder die Super-Illu? Am einfachsten wäre es wohl, wenn die Kanzlerin die Angaben zu ihrem »Werdegang« auf ihrer Hompage erweitern und präzisieren würde. Nur Mut, Frau Bundeskanzlerin, ehemalige FDJ-Mitglieder werden Sie wegen Ihrer Agitations- und Propagandaarbeit in Ihrer Jugendorganisation nicht schelten, aber zugeben müßten Sie sie schon. Nicht zuletzt wäre das ein schöner Beitrag, um Ihrer Dauerforderung nach mehr »Transparenz« wenigstens ein Quentchen Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Erschienen in Ossietzky 22/2008 |
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