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Er hat auch den Katalog herausgegeben. Die Collagen entstanden, als Roman konzipiert, auf einem Schloß in Vigoleno bei Piacenza, wo Ernst im Sommer 1933 eingeladen war. So wie die Collagen aus Büchern und Zeitschriften stammen, so lieh sich der Künstler den Titel von Plakaten, die in Paris zu sozialer Hilfe aufriefen. Nach dem Verein mit dem Namen »Semaine de la Bonté« (eine Woche der Güte) nannte Max Ernst sein Werk, das dem Titel Hohn spricht, weil Mordtaten im Vordergrund stehen. Inspiriert von Holzstichen aus Fortsetzungsromanen in Zeitschriften des 19. Jahrhunderts – eine frühe Form der Doku-Soap –, aber auch von Künstlern wie Gustave Doré oder Max Klinger stellte Ernst die irritierenden Collagen her. Sie provozieren Fragen, die ohne Antworten bleiben. Das erste Heft, in violett, ist dem Sonntag gewidmet, dem Tag des Herrn, dem Tag der Verbrechen – heimlich in Zimmern oder offen im Krieg. Er nennt es nach einem Siegesdenkmal »Der Löwe von Belfort«. Auf dem ersten Blatt ein über und über mit Orden dekorierter Militär mit Löwenkopf, der von einem kleinen weißen Tier angefallen wird. Und immer wieder löwenköpfige Männer mit Orden auf der Brust, da, wo das Herz sein sollte. Zu dieser Serie gehören fünf Blätter, die in Madrid nicht gezeigt wurden. Zu blasphemisch für das katholische Land? Der Löwenköpfige in einer Art Meßgewand mit Monstranz in den Händen, von einem Sonnenschirmträger behütet. Menschen, vor ihm niederkniend, auch ein nacktes Weib, eine Wilde? Er spielt Oboe, dazu tanzt eine Nackte vor ihm, aufreizend. Ihr Geschlecht wird verdeckt vom Herz Jesu, mit Dornen umhüllt. Dieses Herz baumelt auch am Hals eines leichtbekleideten Mädchens, das der Lebemann-Löwe auf dem Schoß hat. Er lacht, raucht Zigarre und hat als Serviette das Schweißtuch mit dem Leidensantlitz Jesu umgebunden. Die violette Serie endet mit Totenköpfen, die der Löwe herumträgt wie Trophäen. Das zweite Heft für den Montag, grün. Wasser bricht hier in das bürgerliche Wohnzimmer ein, dringt ins Schlafzimmer vor. Ein Mann mit verschränkten Armen, untätig, sieht durch Gitterstäbe, wie die Wellen eine Schlafende erreichen. Sieht Gefesselte im Wasser liegen. Die Turmuhr zeigt zehn vor Zwölf. Das dritte Heft (Dienstag) ist rot und dem Feuer gewidmet, das man nie sieht. Diese geschlossenen Räume, mit Tapeten ausgekleidet, düster – sollte man sie anzünden? Die vielen Spiegel an den Wänden zeigen die Verbrechen aus verschiedenen Blickwinkeln: eine aufgebahrte Welt. Blümchentapeten, Teppiche, Plüschdecken, Kissen, Gardinen – dazwischen die Drachen, die diese herrschaftlichen Räume beherrschen. Wie eine Vision schwebt ein gekreuzigter weiblicher Jesus im Raum. An der Tapetenwand ein Kruzifix im Goldrahmen. Menschen mit Drachen- oder Engelsflügeln – es macht keinen Unterschied. Diese stickigen Zimmer müssen Ausgeburten der Hölle erzeugen. Das vierte Heft (Mittwoch) in blau ist bevölkert von Heuschrecken und Vogelmenschen, die Verbrechen begehen oder zu vertuschen suchen. Die letzten Wochentage sind in einem Heft zusammengefaßt – sie verkauften sich 1934 nicht so gut wie geplant. Wir sehen – auf gelbem Grund – Menschen, die Hähnen gleichen. Morde oder Hinrichtungen, ein Gehängter als Demonstrationsobjekt, Folterungen. Der Tod kommt als Gerippe durch die offene Tür, ein kleineres Skelett vor sich herschiebend. Oder wird er ins Zimmer gezogen? Da stehen sich Armeen gegenüber, Armeen von aufgeschlagenen Augen, wie Soldaten aufgereiht, feindselig. Ist das, was Max Erst 1933 schuf, absurd oder von einer verborgenen Wahrheit durchsetzt? Die Spanier, an Goya geschult, haben ihn vielleicht verstanden. Nach dem Ende der Ausstellung malte er ein riesiges surrealistisches Gemälde. Zu Werner Spies sagte er: »Ein Bild, das ich nach der Niederlage der Republikaner in Spanien gemalt habe, ist der Hausengel. Das ist natürlich ein ironischer Titel für eine Art Trampeltier, das alles, was ihm in den Weg kommt, zerstört und vernichtet. Das war mein damaliger Eindruck von dem, was in der Welt wohl vor sich gehen würde, und ich habe damit recht gehabt.« Der Katalog mit allen Collagen auf 320 Seiten kostet 29 Euro.
Erschienen in Ossietzky 20/2008 |
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