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Ernst BarlachRainer Butenschön Bert Brecht reagierte begeistert: »Ich halte Barlach für einen der größten Bildhauer, die wir Deutschen gehabt haben«, notierte er Anfang 1952, nachdem er die große Barlach-Ausstellung der Akademie der Künste der DDR besucht hatte: »Der Wurf, die Bedeutung der Aussage, das handwerkliche Ingenium, Schönheit ohne Beschönigung, Größe ohne Gerecktheit, Harmonie ohne Glätte, Lebenskraft ohne Brutalität machen Barlachs Werke zu Meisterwerken.« Dieses Urteil, mit dem Brecht dem »eifernden Ton« einiger DDR-Kulturfunktionäre, die gegen Ernst Barlach die Formalismus-Keule zu schwingen versuchten, öffentlich widersprach, ist heute unbestritten. Auch der künstlerische Rang, den Barlach sich als Graphiker und Schriftsteller erworben hat, ist inzwischen allgemein anerkannt. Doch mit welchem Interesse und Gewinn beschäftigen sich ausgerechnet Gewerkschafter mit Barlach? Warum öffnet das Bildungs- und Begegnungszentrum »Clara Sahlberg« der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft in Berlin-Wannsee seine Räume für eine Tagung über den Künstler, dessen Todestag sich am 25. Oktober zum 70. Mal jährt? Anders als bei früheren kunstpolitischen ver.di-Wochenenden, die Wilhelm Liebknecht, Heinrich Heine und Wolfgang Borchert zum Thema hatten, fehlen bei Barlach direkte Bezüge zur Arbeiter- und Emanzipationsbewegung. Vielfach wurde er als unpolitischer »Gottsucher«, »religiöser Künstler« und »Mystiker« fehlgedeutet, was er ausdrücklich zurückwies. Barlach begehrte, »nichts anderes als schlecht und recht Künstler zu sein« – »predigen, Lösungen präsentieren, Prädikate austeilen, Gut und Böse definieren, kurz gesagt, irgend etwas anderes als Gestalten aufstehen zu lassen aus dem geheimnisvollen Sein«, lag ihm fern. Dennoch ist es ihm mit seiner Kunst gelungen, die deutsche Kriegspartei und die nationale Rechte zur wütenden Raserei zu treiben: mit einem künstlerischen »Realismus«, der »viel Wesentliches und nichts Überflüssiges« hat und bei dem »Idee, wirkliche Vorbilder und Material die beglückende Form bestimmen« (Bert Brecht). »Wider den Ungeist der Zeit« – unter diesem Titel, einer Rundfunkrede Barlachs entliehen, die dieser eine Woche vor dem Machtantritt Adolf Hitlers gehalten hat, rückte die Tagung die Leidens- und fünfjährige Verfolgungsgeschichte Barlachs in den Vordergrund. Die Nazis entzogen ihm nach und nach seine Schaffensgrundlagen. Seine Dramen wurden aus den Spielplänen genommen, seine bildnerischen Schöpfungen aus der Öffentlichkeit entfernt, eine Buchausgabe seiner Zeichnungen verboten. 1937 zeigten die Nazis in ihrer Münchner Ausstellung »Entartete Kunst« auch Barlach-Plastiken; ein Jahr später erlag der gehetzte Künstler einem Herzleiden. Barlach selbst hat diese letzte Phase seines Lebens als »langsame Erdrosselung« und Verschleierung einer »echten Garottierung« empfunden. Er war jedoch kein wehrloses Opfer der Diktatur. Sehenden Auges hatte er sich dem Exil verweigert, um in seiner Wahlheimat auszuharren, dem mecklenburgischen Städtchen Güstrow, wo die DDR 1976 eine großartige Gedenkstätte für ihn eingerichtet hat. In Protestbriefen an den »Reichsstatthalter für Mecklenburg«, Friedrich Hildebrandt, und an Propagandaminister Joseph Goebbels hatte Barlach versucht, die Autonomie der Kunst und die Freiheit seiner Berufsausübung zu verteidigen: »Der künstlerische Wert oder Unwert meiner Arbeiten steht außerhalb der von der politischen Polizei zu treffenden Entscheidungen«, beschied er Goebbels. Mit einer seiner letzten Holzskulpturen, der »Lachenden Alten«, hat Barlach die Faschisten schließlich einfach ausgelacht. Zur Zielscheibe der deutschen Kriegspartei war der Künstler schon lange vor 1933 geworden. Deren Wut hatte sich vor allem an seinen »Totenmalen« entzündet. Plastiken, die Mahnmale gegen den Krieg sind, nicht Heldendekoration. Hierin spiegelte sich Barlachs Entwicklung zum Pazifisten, zu dem er am Ende des 1. Weltkriegs geworden war. Den Beginn des Krieges hatte er noch als ein »großes Liebesabenteuer« empfunden. An dessen Ende formulierte er als seine »Pflicht gegenüber dem Neuen«, die er hervorragend erfüllte: »Kunst ist eine Sache allertiefster Menschlichkeit.« »Barlachs Kunst und Barlachs Menschlichkeit sind eines«, urteilte 1930 der Maler Max Liebermann. Und hatte Brecht 1952 auch Zweifel, ob Barlach »nicht auch mitunter seine Bettler und abgestumpften Mütter nur der religiösen Empfindung überantwortet, die ja ökonomische und geistige Armut fromm ergeben hinnimmt«, so betonte er doch: »Aber in seinen für mich schönsten Plastiken läßt er die menschliche Substanz, das gesellschaftliche Potential herrlich über Entrechtung und Erniedrigung triumphieren«. Kein Wunder, daß die Nazis Barlachs Kunst als konträr zu ihrem Programm erkannten und Goebbels urteilte: »Scheußlich! Dieses Gift darf nicht ins Volk hinein.«
Erschienen in Ossietzky 20/2008 |
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