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Das Duo Zupfgeigenhansel (Erich Schmeckenbecher und Thomas Friz) nahm 1985 eine erfolgreiche LP mit Liedern zu Texten von Theodor Kramer auf, in der DDR sang fast gleichzeitig der Liedermacher Eckhard Wenzel Texte des um seine Heimat betrogenen Dichters und zog 1997 mit einer Kramer-CD nach. Weitere Aufnahmen gibt es von Heike Kellermann und Wolfgang Rieck, von Thomas Riedel und Hubertus Schmidt, von Harald Hahn und David Fuhr. Diese Häufung verdankt sich einmal dem bei jungen Künstlern nach 1968 erwachten Interesse für das Exil in den Jahren der Naziherrschaft, dann aber eben auch der Liedhaftigkeit dieser Gedichte. Beeindruckend ist der Umfang des Werkes. Die 1984 bis 1987 erschienene dreibändige Ausgabe der »Gesammelten Gedichte« umfaßt mehr als 2000 Seiten, der unermüdliche Herausgeber und Nachlaßverwalter Erwin Chvojka spricht von insgesamt rund 12.000 Gedichten. Kramer, der 1958 starb, ist in seiner Dichtung noch ganz ein Kind des 19. Jahrhunderts. Man findet bei ihm zuhauf Motive, die auf die Romantik und weiter zurück verweisen, Landschafts- und Naturbilder, Liebesgeständnisse, Selbststilisierungen der Rastlosigkeit und des Umherirrens, anakreontische Huldigungen an den Wein. Der Vierzeiler »Motto« benennt stichwortartig die Themen, die sich durch Theodor Kramers Werk ziehen: den »Braten«, den »Rotwein«, den »Schwarzen« (also den Mokka, wie man ihn in Wien bestellt), die Liebe, das »Sinnen«, den »Schritt« und das scharfe »Wort«. Kramers Metaphern sind unmittelbar verständlich, weit entfernt von der Hermetik des 23 Jahre jüngeren Paul Celan, aber auch vom exaltierten Expressionismus des zehn Jahre älteren Georg Trakl. Manchmal schleicht sich ein ironischer oder mild humoristischer Ton ein, häufiger macht sich eine sentimentale oder auch depressive Stimmung bemerkbar, die nur zum Teil aus der Lebenssituation des Dichters zu erklären ist. So wird bei Kramer aus Arthur Schnitzlers Motiv der Frau, die sich – in »Spiel im Morgengrauen« – für eine weit zurückliegende Demütigung rächt, indem sie den verschuldeten Leutnant Kasda nach einer Liebesnacht bezahlt, eine romantisierende Männerfantasie, in der die »Vorstadthure« davon träumt, daß sie einen, »der schlechter daran ist und ärmer« als sie, mit sich aufs Zimmer nähme, um ihm morgens »einen Schein« zurückzulassen. In den Gedichten Theodor Kramers, den es aus dem Weinviertel, aus Niederhollabrunn, nach Wien verschlug, finden sich zu einer Zeit, da die Großstadt auch in der Literatur zu einem zentralen Thema wird, immer wieder Spuren der ländlichen Herkunft. Wie zahlreiche Schriftsteller seiner Generation sympathisiert er mit den »kleinen Leuten«, macht er ihre Lebenssituation beschreibend oder simulierend zum Gegenstand seiner Gedichte. Auch das läßt Kramer für heutige Liedermacher attraktiv erscheinen. Lieder von Vaganten und Außenseitern gehörten seit den sechziger Jahren zu ihrem bevorzugten Repertoire, als Ahnen betrachteten sie Villon oder Carl Michael Bellman. Da paßt Theodor Kramer gut hinein. In Österreich war man an Theodor Kramer nach dem Krieg ebenso wenig interessiert wie an all den anderen ins Exil Verjagten. Man könnte das auf den doch etwas veralteten Stil zurückführen, wären nicht zur gleichen Zeit noch viel altmodischere Lyriker hoch gepriesen und geehrt worden, wäre nicht zur gleichen Zeit die Avantgarde, jedenfalls im Zentrum des Literaturbetriebs, marginalisiert worden. Nein, an der Form der Gedichte hat es nicht gelegen. 1957 holte man Theodor Kramer nach Wien zurück. Das Exil hatte zwölf Jahre länger gewährt als der Anschluß Österreichs ans Deutsche Reich. Nicht verwunderlich, da doch der damalige sozialdemokratische Innenminister Oskar Helmer mit unverhohlenem Abscheu »überall nur jüdische Ausbreitung« registrierte und der sozialdemokratische Präsidentschaftskandidat Adolf Schärf just in jenem Jahr mit dem Slogan »Wer einmal schon für Adolf war, wählt Adolf auch in diesem Jahr« warb – mit Erfolg, wie man weiß. Theodor Kramer hat die Heimkehr gerade um ein halbes Jahr überlebt. Die Mißachtung aber hält an. Für Bruno Kreisky zählte Theodor Kramer noch »zu den großen literarischen Erlebnissen meiner Jugend«. Und er fügte hinzu: »Auch die Mühlen der literarischen Gerechtigkeit mahlen langsam.« Seit Kreisky dies schrieb, sind 25 Jahre ins Land gezogen. Mahlen die Mühlen überhaupt noch?
Erschienen in Ossietzky 20/2008 |
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