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Genau besehen ist da kein Widerspruch: Auch die Sozialisierung der Verluste ist eine Form kapitalistischer Ausbeutung. Das Kapital und der Kapitalismus leben davon, daß sie die Kosten anderen aufbürden. Uns allen. Der Staat greift ein, um dem Kapitalismus aus einer Krise zu helfen, die diesem System gefährlich werden könnte. Wo aber Profit lockt, greift das Kapital wieder zu. Die Privatisierungswelle rollt weiter. Auch und gerade bei uns in der BRD. Mehdorn will mit dem Segen der Bundesregierung auf Teufel komm raus die Bundesbahn an die Börse bringen – nur wenn er sich dabei zu ungeschickt anstellt (s. Bedienzuschlag), wird er vielleicht abgelöst. Die Bundespost schließt Ämter um Ämter und mutet dem Bürger immer weitere Wege zu. Die Telekom wirft rücksichtslos Tausende von Beschäftigten auf die Straße. Bisher waren die drei Betriebe im Besitz der Allgemeinheit, staatlich geleitet. Jetzt werden sie zu Spekulationsobjekten für reiche Aktionäre und Börsianer. Wenn aber ein solches Unternehmen Pleite zu gehen droht, springt wieder die Gesellschaft ein und rettet es mit dem Geld der Steuerzahler. Unserem Geld. Und so weiter und so weiter, solange wir zulassen, daß das Kapital herrscht. Werner René Schwab Merkels WunschEin Jahr vor der Wahl zum nächsten Bundestag eröffnete die CDU-Vorsitzende Merkel den Wahlkampf. Zu diesem Zweck rief sie Anfang September alle Kreisvorsitzenden ihrer Partei zusammen und schärfte ihnen ein: »Wir brauchen andere politische Verhältnisse, um noch mehr für die Menschen in Deutschland zu erreichen.« Beim Nachdenken darüber stellen sich bei mir Fragen ein. Mit »anderen politischen Verhältnissen« kann sie wohl nicht jene meinen, die sie, die Pfarrerstochter, als FDJ-Agitationssekretärin in der DDR so tapfer bekämpft hat, bis ihr die Freiheit des demokratischen Rechtsstaates BRD zuteil wurde. Vielmehr war ihr diese Freiheit noch nicht genug. Deswegen erhob sie in ihrer ersten Regierungserklärung als Bundeskanzlerin die Forderung, »mehr Freiheit zu wagen«. Und obwohl sie nun schon drei Jahre regiert, ist sie mit dem Erreichten noch längst nicht zufrieden. Woran mag das liegen? Millionen Deutsche sind von den Fesseln der sozialen Sicherheit befreit, und jeder ist sich in aller Freiheit selbst der Nächste. Deutschland verteidigt mit Bundeswehreinsätzen unsere Freiheiten auch am Hindukusch, in den Gebirgen des Kosovo, am Horn von Afrika und demnächst auch im Kaukasus, wenn man uns endlich läßt. Was also will Angela Merkel noch? Ihre Forderung nach »anderen politischen Verhältnissen« ist gewiß nicht antikapitalistisch zu verstehen. Im Augenblick muß sie zwar auf einen ihrer engsten wirtschaftlichen Berater, den ehemaligen Siemens-Chef Heinrich von Pierer, verzichten, der wegen Korruption und Mißmanagement im eigenen Laden indisponiert ist. Ihr stehen aber ein paar junge Wilde zur Seite, die ihr zu totalem Neoliberalismus, zu hemmungsloser Kapitalherrschaft raten. Wenn ich die Verheißung »anderer politischer Verhältnisse« höre, denke ich an Entmilitarisierung der Außenpolitik. Rückzug der Bundeswehr aus weltweit eingerichteten Zweigstellen großdeutschen Anspruchsdenkens. Die dadurch eingesparten Milliardenbeträge könnten manches Loch in Bildungs- und Sozialkassen stopfen. So könnte man wirklich »noch mehr für die Menschen tun«. Aber gerade das darf offenbar nicht sein. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, ist zu befürchten, daß sie mit »anderen politischen Verhältnissen« noch mehr »Rechtsstaat« meint. Rechts im Sinne politischer Ausrichtung. Ihr Innenminister Wolfgang Schäuble hat schon vor Jahren in der FAZ die Parole »Weniger Demokratie wagen!« ausgegeben. Also mehr Strammstehen für die Menschen. Und verschärfte Ausbeutung. Harri Czepuck Merz taucht abDer CDU-Politiker Friedrich Merz hat angekündigt, bei der nächsten Bundestagswahl werde er nicht wieder kandidieren. Bis Angela Merkel ihn ausbremste, galt er als Star seiner Partei, zu höchsten Ämtern berufen. Aber Merz ist nicht der Mann, der sich mit einem Platz im zweiten Glied begnügen könnte. Der sogenannte Wirtschaftsflügel der Union bedauert den Rückzug seines schneidigsten Vertreters. Vor der FDP-Bundestagsfraktion hielt Merz jetzt noch einmal eine Gastrede und schlug mächtig auf die Pauke: Der sozialstaatlichen Verschwendung müsse härter zu Leibe gerückt werden, die »Sozialpolitiker« seien es, die »mit immer mehr Geld Probleme schaffen, die sonst gar nicht da wären«. Zur FDP will Merz aber nicht überwechseln, auch ein Sauerlandtrip mit Guido Westerwelle hat ihn dazu nicht animieren können. Vielleicht, so mag der Landsmann von Franz Müntefering denken, holt ihn die CDU später mal in ihre Spitze zurück. Vorerst wird Parteifreund Jürgen Rüttgers, der in Nordrhein-Westfalen als Arbeiterführer posiert, zufrieden sein, daß Merz nicht mehr bei den Bemühungen stört, die CDU mit dem Image zu versehen, sie sei sozialer als die Sozialdemokratie. Marja Winken Eine noble GesteFranz Josef Jung hat sich zu einer noblen, ja geradezu menschlich anrührenden Geste aufgerafft. Nachdem im deutschen Vorverteidigungsfeld am Hindukusch Bundeswehrsoldaten eine Frau und zwei Kinder erschossen hatten, entschuldigte sich der Bundesverteidigungsminister beim afghanischen Präsidenten, und die Bundeswehr zahlte der betroffenen Familie eine Entschädigung, um Blutrache zu vermeiden. Wie anders war das doch im sogenannten Kosovo-Krieg. Als am Abend des 24. März 1999 die Luftangriffe auf Ziele in ganz Serbien begannen, flogen deutsche »Tornados«, wie Berliner Zeitungen in fetten Lettern meldeten, in der ersten Staffel mit. Das schier Unfaßbare geschah: Deutschland führte einen Angriffskrieg gegen Jugoslawien, zum dritten Mal im 20. Jahrhundert. 450 mal kehrten die deutschen »Tornado«-Flieger »glücklicherweise«, wie es hieß, »heil und unversehrt« von ihren Terroreinsätzen zurück. Welche Städte und Dörfer sie angegriffen, welche Ziele sie getroffen, welche »Kollateralschäden« sie verursacht und wie viele Menschen sie erschlagen oder verstümmelt haben, ist bisher NATO- und Bundeswehr-Geheimnis. Bis heute gibt es kein Wort der Entschuldigung, ganz zu schweigen von Reparationen. Als die Hinterbliebenen der im serbischen Städtchen Varvarin von NATO-Raketen ermordeten Zivilisten und die zum Teil für immer schwer geschädigten Überlebenden die Bundesrepublik Deutschland verklagten und von der Bundesregierung Schmerzensgeld und Schadenersatz verlangten, wurde ihre Klage von deutschen Gerichten als unbegründet zurückgewiesen. Und damit nicht genug: Auf der Grundlage eines Kostenfeststellungsbeschlusses des Landgerichtes Bonn wurden die serbischen Kläger, die Ehepartner, Väter und Mütter der Getöteten und die Schwerstverletzten, unter Androhung einer Zwangsvollstreckung aufgefordert, rund 16.000 Euro Verfahrenskosten an die Bundesrepublik Deutschland zu zahlen. Besonders nobel war das nicht, aber der Grund liegt nahe! In Serbien gibt es mit Ausnahme der südserbischen Provinz Kosovo keine Blutrache. Ralph Hartmann Nächste US-Basis Brdy?Deutsche Medien erinnern zur Zeit daran, daß vor 40 Jahren sowjetische Truppen in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik stationiert wurden. Daß demnächst US-amerikanische Truppen in Tschechien stationiert werden sollen, scheint ihnen kaum der Erwähnung wert zu sein. Als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Polen will den Bau einer US-amerikanischen Raketenbasis genehmigen (s. Ossietzky 18/08). Als Pendant soll in Tschechien eine Radarbasis der US-Streitkräfte entstehen. Die konservative Regierung in Prag hat – nach Vorarbeit der sozialdemokratischen Vorgängerregierung – eine entsprechende Vereinbarung mit Washington geschlossen, obwohl sich bei Umfragen mehr als 70 Prozent der Bevölkerung dagegen ausgesprochen haben. Als nächster Schritt ist nun ein Vertrag über die Truppenstationierung geplant. An die hundert Bürgermeister von Städten und Gemeinden der betroffenen Region Brdy (Kreis Pribram, 90 Kilometer von der bayerischen Grenze entfernt) haben mit ihren Gemeinderäten Protest eingelegt. Kommunale Referenden in dieser Region erbrachten Ablehnungsquoten zwischen 90 und 100 Prozent. Die tschechischen Kommunisten, vor allem Mitglieder ihres verbotenen Jugendverbandes, sammelten gegen die Errichtung einer US-amerikanischen Militärbasis auf tschechischem Territorium 180.000, die Bürgerinitiative »Nein zu den Militärbasen« 130.000 Unterschriften, und im Internet wurden mehr als 138.000 Stimmen für die internationale Petition www.nechciradar.cz abgegeben. Jugendverbände, Gewerkschaften und viele andere Organisationen haben sich den Protesten angeschlossen. 87 namhafte US-Bürger, darunter Noam Chomsky, erhoben in einem Schreiben an Außenministerin Condoleezza Rice Einspruch gegen die geplante Radarbasis in Tschechien. Auch 20 Abgeordnete des Europaparlaments, zumeist aus der Fraktion der Linken, äußerten sich in diesem Sinne (aber nicht alle Linken unterschrieben, Yvonne Kaufmann und Gabi Zimmer wieder mal nicht). Es bleibt noch zu erwähnen, daß tschechische Militärtechniker ein weltweit einzigartiges, seit Jahren einsatzbereites Radarsystem entwickelt haben, mit dem sich das Land in souveräner Entscheidung zuverlässig selbst schützen kann. Tschechien braucht die US-amerikanische Radarbasis nicht. Sie wird den Tschechen aufgezwungen. Klaus Kukuk WichtigkeitenMein Radiogerät ist auf das Programm Radio Kultur des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) eingestellt. Ein öffentlich-rechtlicher Sender. Aber wenn täglich das Kulturkaufhaus Dussmann erwähnt wird, frage ich mich gelegentlich, ob der Sender privatisiert worden ist. Neben diesem Berliner Unternehmen scheint auch die Festspielfirma Bayreuth beteiligt zu sein. In diesem Sommer wiederholte der Sender in seinen Nachrichten unentwegt Wichtigkeiten aus dem Hause Wagner. Die Erben Karajan müssen gleichfalls dazugehören. Den 100. Geburtstag des Dirigenten beging Radio Kultur monatelang. Andere große Dirigenten des vorigen Jahrhunderts, vor allem solche, die nicht dem »Führer« ergeben, sondern ins Exil gezwungen waren, Klemperer zum Bespiel, werden nie solche Beachtung finden. Olympiasiege vermeldet Radio Kultur nur, wenn es deutsche waren. Und Wirbelstürme haben die Radio Kultur-Hörer erst zu beunruhigen, wenn sie US-amerikanisches Territorium erreichen. Wenn sie auf Kuba Milliardenschäden hinterlassen, ist das ganz unwichtig. E.S. Wahnsinnig gescheitJetzt wird es ernst mit dem Urknall. Im neuen Super-Teilchenbeschleuniger des Europäischen Kernforschungszentrums CERN bei Genf wird er nachgeahmt. Zwar sind es nur klitzekleine Urknällchen, die von den mit annähernder Lichtgeschwindigkeit aufeinanderprallenden Protonen erzeugt werden, aber das geschieht 600 Millionen mal in der Sekunde, und dabei entsteht eine Hitze, die 100.000 mal so groß ist wie die im Inneren der Sonne. Von der mit drei Milliarden Euro Baukosten teuersten und mit einer Kreisbahn von 27 Kilometer Länge größten Maschine der Welt, die so viel Strom verbraucht wie eine bescheidene Großstadt, erhoffen sich die Forscher Antworten auf die Frage, wieso Materie eigentlich eine Masse hat und was es mit der rätselhaften »dunklen« Materie auf sich hat, die sich einzig und allein durch ihre Schwerkraft bemerkbar macht, aber 80 bis 95 Prozent der Gesamtmasse des Universums ausmachen soll. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das hypothetische Teilchen »Higgs«, dessen Existenz bisher nur aus mathematischen Berechnungen erschlossen wurde, mit dem Beschleuniger LHC aber vielleicht nachgewiesen werden kann. Tausende von Wissenschaftlern werden mit dem größten Rechnernetzwerk, das es je gab, die Daten auswerten. Aber auch sie werden nie ein Higgs direkt zu fassen kriegen, sondern immer nur sagen können: Die beobachteten Ereignisse lassen aufgrund der derzeit möglichen Berechnungen darauf schließen, daß Higgs im Spiel war. Kein noch so großer Aufwand an Forschergenialität und Supertechnik führt an der schlichten Tatsache vorbei, daß der menschliche Verstand endlich ist. Er ist, innerhalb der Welt, ein Organ der Beziehung zur Welt und führt uns nie über ihre Grenzen hinaus. Die Frage nach dem Ursprung der Welt ist außerwissenschaftlich und darum unwissenschaftlich, ja logisch unsinnig; die Theorie vom Urknall ist ein Mythos im Gewand wissenschaftlicher Begrifflichkeit. Bezeichnend ist das Bild, das der Wissenschaftstheoretiker Klaus Hentschel wählt, um die Masse-Erzeugung durch das Higgs-Teilchen zu erklären: »Stellen Sie sich das Teilchen auf der Spitze eines gerundeten Hutes vor. Dort liegt es zunächst masselos, sobald es aber herunterfällt, wird die Symmetrie gebrochen, weil es eben nur in eine Richtung herunterfallen kann, nicht in alle zugleich. Wenn es dann da unten in der Mulde des Hutes liegt, hat es eine Masse.« Man fragt sich da nur, wie die Abermilliarden Higgs-Teilchen bei der Masse-Entstehung zu ihrem Hut gekommen sind. Tag für Tag verhungern auf der Erde mehr als 30.000 Menschen. Milliarden haben kein sauberes Wasser, keine Gesundheitsversorgung, kaum Zugang zur Bildung. Wir haben alle eine Vorstellung von Gerechtigkeit, aber wir schaffen es nicht, die herrschende Ungerechtigkeit zu verringern. Wir wissen, daß aus Gewalt neue Gewalt entsteht, aber es gelingt uns nicht, die großen und die kleinen Konflikte auf menschenwürdige, also um vernünftigen Ausgleich bemühte Weise zu lösen. Warum? Noch nie ist ein mit LHC auch nur annähernd vergleichbarer Aufwand getrieben worden, um solche elementaren, überlebenswichtigen Fragen zu klären. Wir Menschen sind eben wahnsinnig gescheit. Hans Krieger Post vom Job CenterHeute kam der Bescheid des »Job-Centers«: Mein Antrag auf Unterstützung wurde abgelehnt, weil ich über 12.000 Euro hätte. Die habe ich nicht, und mir ist schleierhaft, wo der Sachbearbeiter sie gefunden hat. Damit bin ich nun auch nicht krankenversichert. Aber zumindest mental bin ich nicht allein, kam doch in arte der nette Film einer Freundschaft, in dem ein Architekt, der für seine Krankenversicherung kein Geld hatte ausgeben wollen oder können, vom anderen, seinem besten Freund, der noch in Lohn und Brot stand, die Krankenkassenkarte ausgeliehen bekam. Dummerweise stellte sich beim Arztbesuch heraus, daß er krebskrank war. Es folgten teure Operationen, und schließlich ist er doch gestorben. Der hilfsbereite Freund kam wegen Betrugs vor Gericht. Ihm wurden mildernde Umstände zugebilligt: Die Schulden für die teuren Operationen, die er bezahlen muß, seien Strafe genug. Aber wie es (nur) im Fernsehen so geht, ist er dafür beruflich erfolgreich. Dieser Film handelt nicht von Solidarität, von Notwehr und List der Unteren, sondern von Freundschaft – einer Vor- und Schwundstufe von Solidarität. Der gute Architekt verheimlichte den Betrug vor seiner Frau, die, als sie doch davon erfährt, sehr zornig wird, denn zu Recht sieht sie ihre bürgerliche Existenz bedroht (das ist der Realismus im Film). Ihr Mann verteidigt den kranken Freund mit dessen Individualismus und der Hoffnung, daß es rasch wieder besser werden und aufwärts gehen könnte (das ist die individuelle Utopie im Film), und mit der amtlichen »Verfolgungsbetreuung«, einer Schikane, der er entgehen wollte. Ich werde mich nun einmal mehr bei der »Agentur für Arbeit« und dem »Job-Center« bewerben, und zwar mit dem Hinweis, daß ich als »Kunde« die Misere doch gute kenne und es besser machen wolle – im Sinne der Kunden. Die Agentur wächst schließlich noch. Aber ob ich der Richtige für diesen Job bin? Wolfgang Haible Hans Tombrockwurde einst als »George Grosz der Landstraße« gefeiert. Unter den Nazis fiel seine politisch motivierte Kunst der Zensur zum Opfer. 1939 ging er ins schwedische Exil, wo er Bertolt Brecht kennenlernte. Daraus entstand eine tiefe Freundschaft und eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Schriftsteller und dem Maler. Bis zum 5. Oktober zeigt die Wohnungsloseneinrichtung »Haus St. Martin am Autoberg« in Hattersheim bei Frankfurt am Main eine vom Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kunst der Arbeitswelt in Dortmund erarbeitete Tombrock-Ausstellung. Vorausgegangen war in diesem Jahr die viel besuchte Ausstellung »Bertolt Brecht, der Brotladen und Wohnungslose«. Hans Tombrock, ursprünglich Bergmann im Ruhrgebiet und zeitweise selbst obdachlos, war von 1927 bis zu seiner Emigration 1933 Mitglied der Künstlergruppe der »Bruderschaft der Vagabunden«. Seinen künstlerischen Durchbruch erlebte er durch die Begegnung mit Gregor Gog, dem Herausgeber der ersten Straßenzeitung der Welt, der ihn ermutigte, Szenen der Straße zu zeichnen, zu malen und zu radieren, wie es jetzt zum Programm der Arbeit mit Wohnungslosen im Haus St. Martin gehört. Besonderen Erfolg hatte der Maler in Schweden. Brecht schrieb die Texte, zu denen Tombrock malte. Die Arbeiten wurden dann im Großformat für die Einrichtung schwedischer Gewerkschafts- und Volkshäuser verwendet, wo sie zum Teil heute noch hängen. Er porträtierte den Dichter, und ebenso kraftvoll wie realistisch illustrierte er dessen Dramen. Brecht verarbeitete in der »Parabel vom Me-Ti im Volkshaus« die Anfänge des Malers in Schweden und verfaßte Vierzeiler für seinen Freund. Beide Künstler gaben sich gegenseitig wichtige Impulse und ergänzten sich in ihrem Schaffen. Die Ausstellung in Hattersheim zeigt Porträts von Brecht, Selbstzeugnisse Tombrocks, Illustrationen zur »Dreigroschenoper«, zu »Galileo Galilei« und »Mutter Courage« sowie historische Fotos und Textdokumente. Kontakt: 06190/935712, www.haus-stmartin.de. Klaus Störch Biographien von anderenDaß man zum besseren Verständnis sich gegenseitig die Biographie erzählen soll, war nach 1989 ein allseits guter Rat, der selten verwirklicht wurde. Keine Zeit! Fiktive Biographien einiger vor 40 oder 50 Jahren Geborenen und in Westberlin Aufgewachsenen habe ich in Michael Wildenhains Roman »Träumer des Absoluten« gefunden. Vieles verstehe ich nun besser. Besonders berührt hat mich Ostdeutsche das Eingeständnis der Unsicherheit während und nach dem Mauerfall. Für mich seltene, sympathische Zeitgenossen. Aus jungen Wilden und stillen Träumern werden Hausbesetzer, aus Hausbesetzern Universitätslehrer und Familienväter, Kaufhallenleiter und Weltenbummler, Buddhisten, ewig Unzufriedene, Angepaßte. Und einer wie Tariq. Wildenhain erzählt vor allem von drei Schulkameraden, die sich immer wieder begegnen, sich lieben, trennen, erneut finden und wieder lösen. Tariq, der Junge mit libanesischen Wurzeln, souverän im Turnen und Zweikampf, unbedingt in seinen Forderungen an das Leben, übt eine Faszination aus, der sich auch der Ich-Erzähler nicht entziehen kann. Um so schwerer wiegen Tariqs späterer Verrat an den Freunden und seine Entscheidung für den Wahnsinn, die nur zu einem kleinen Teil erklärbar bleibt, der große Rest ist Ratlosigkeit. Unter den zur Zeit zahlreichen literarischen Versuchen, den Weg von Terroristen zu ergründen, ist Wildenhains spannende Geschichte ein sehr plausibler. Christel Berger Michael Wildenhain: »Träumer des Absoluten«, Klett-Cotta, 334 S., 18.90 € KollaborationDie deutsche Okkupation in Frankreich, die Greueltaten von Mont-Valérien und Oradour, das Paktieren der Pétain und Laval mit den Nazis sind für die französische Literatur von ungebrochener Aktualität. Didier Goupil, 1963 in Paris geboren, führt uns in das Paris von heute, wo »Madame« im eleganten Hotel Ritz seit 1950 ihren langen Lebensabend verbringt, eigenbrötlerisch, ohne Sorgen, aber verfolgt von ihrer Vergangenheit als Nummer 168.478 in einem deutschen Konzentrationslager. Wie das Goupil auf nicht einmal einhundert Seiten beschreibt, ist atemberaubend. Er scheut sich nicht, dabei auch den Boden, auf dem Kollaboration gedieh, kenntlich zu machen: Die Familie von »Monsieur« macht in Silber und bereichert sich nach der deutschen Besetzung an jüdischen Privatsammlungen. »Madame«, die für damals in Paris lebende spanische und russische Maler schwärmt, ist mit ihren »Bolschewiken-Freunden« ein Makel, der schnell beseitigt werden muß. »Eine Erzählung von einer wunderschönen dramatischen Dichte«, bescheinigte L´Humanité diesem Buch. Es ist jetzt in deutscher Übersetzung von Ines Schütz erschienen. »Endstation Ritz« ist die erste Übersetzung Goupils ins Deutsche. Der Autor lebt heute in Toulouse als Dramaturg, Drehbuchautor und Lehrer. Für sein erstes Werk, den Erzählband »Maleterre«, erhielt er den Prix Thyde Monnier und den Prix Cino del Duca. Dieter Götze Didier Goupil: »Endstation Ritz«, Roman, Haymon Verlag, 14,90 € Listig, liebenswertVallejo zu lesen, ist immer ein Vergnügen. Das wissen seine deutschsprachigen Leser, denen jetzt ein Buch nachgereicht wird. Der 66jährige, der in Mexiko lebt, hat es vor Jahrzehnten geschrieben. »Blaue Tage« erzählt »Eine Kindheit in Medellin«. Die Familie lebt nicht schlecht. Sie lebt, wie Bürger leben. Im Rahmen der Gesetze des Landes und gemäß den Ritualen der Familientradition. Also eine Welt des Liberalismus und des Konservatismus, der Gier und Geister. Eine Welt, die für das Kind voller Schrecken ist, solange es sich den Fängen der Kleriker ausgesetzt fühlt. Die möchte der Verfasser allesamt im Höllenfeuer schmoren sehen und formuliert so radikale fromme Wünsche nicht nur, wenn er von Priestern spricht. Fernando Vallejo macht sich mit List an die Geschichten des Lebens und erzählt in seinen Kindheitsgeschichten viel von den Lastern des Lebens der Erwachsenen. Die Leser kommen nicht mit einem Lächeln davon. Wieder und wieder werden sie lauthals lachen müssen. Bernd Heimberger Fernando Vallejo: »Blaue Tage. Eine Kindheit in Medellin«, aus dem Spanischen von Elke Wehr, Suhrkamp Verlag, 224 Seiten, 22.80 €. Richard Clayderman leidetneuerdings unter Angstzuständen, denn der »Star-Pianist« (Bild am Sonntag) »hat eine mysteriöse Verehrerin«. Besser eine Verehrerin als gar keine. Mysteriös kam mir vor, daß Clayderman überhaupt eine Verehrerin hat. An seinem Klavierspiel kann es nicht liegen, aber vielleicht hat der Star-Pianist eine besondere Aura, die man, wie jede andere Aura auch, nicht sehen kann. Indes ganz ungefährlich scheint die Verehrerin nicht zu sein. Der Verehrte meldete der Zeitung: »Eine Frau stellt mir in Konzerten auf der ganzen Welt nach, wohnt in meinen Hotels und sitzt teilweise im gleichen Zug wie ich. Ich fühle mich schon unwohl.« Begreiflich. Man stelle sich vor, wie sie im gleichen Zug sitzt wie er, der sich immer noch keinen gepanzerten Sonderzug leisten kann, und wie sie teilweise darin sitzt, wahrscheinlich auf ihrem mysteriösen Hinterteil. Zu den Konzerten, die Clayderman »in der ganzen Welt« veranstaltet, gehört auch eines in Marne (Schleswig-Holstein), denn die dortigen Musikfreunde möchten die »Ballade pour Adeline«, welche zu den besonderen Bravourstücken des Tasten-Magiers gehört, endlich einmal direkt von Richard dem Großen hören statt wie vorher nur aus der alten Music Box im alten Marner Marine-Café! Was nun macht R. C.s Zauber aus? Ein uralter Schlager (»Man müßte Klavier spielen können«) enthält die kurze Zauberformel vom »Klang des gespielten Klavieres«. Das ist es, was der Meister so meisterhaft meistert, eingeschlossen den wunderbaren Genitiv »Klavieres«. Nach dem eigentlichen Geheimnis der Clayderman-Spielweise befragt, sagte ein berühmter Musiker treffend und liebevoll: »Es ist mir immer ein Rätsel geblieben, warum der gut verdienende Mensch nicht endlich mal Klavier-Unterricht nimmt.« Weil es dazu vielleicht zu spät ist, denn der Künstler, der im fernen Marne nun von sechs Bodyguards vor seiner Verehrerin beschützt wurde, ist schon 54 Jahre alt. Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 19/2008 |
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