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Die Tragfähigkeit des Ansatzes wurde im April 2007 seitens der Deutschen Gesellschaft für Gesetzgebung durch Verleihung des Preises für gute Gesetzgebung gewürdigt« (so Preis und Henssler im Vorwort zum Entwurf, Stand November 2007, Beilage zur Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 21/2007). Beim Deutschen Juristentag vom 23. bis 26. September 2008 in Erfurt (Präsident: Henssler, Gutachter in der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht: Preis) soll das Projekt weiter lanciert werden – diesmal als probates Heilmittel gegen die hierzulande auch im EU-Vergleich besonders hohe Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer. Lob für das Projekt kam auch schon vom Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) – »das würde den heutigen Wirrwarr durchschaubarer machen«, verhieß er im Spiegel 8/2008 – und von der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt (NZA aktuell Heft 5/2008). Der DGB, der sich bis Anfang 2008 auf eine Strategie des »Totschweigens« verlegt hatte, die Einzelgewerkschaften und auch AnwältInnenorganisationen wie Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) haben inzwischen angefangen aufzudecken, was wirklich in dem Entwurf steht. Fazit von Andrej Wroblewski vom Hauptvorstand der IG Metall, Ressort Arbeitsrecht: »Insgesamt verschiebt der Preis-Henssler-Entwurf die Gewichte zu Lasten der Arbeitnehmerseite« (NZA Heft 11/2008). Was steckt hinter dem Projekt? Es handelt sich – wieder einmal – um ein Auftragswerk der Bertelsmann-Stiftung, die mit über 300 Mitarbeitern und (2006) mehr als 47 Millionen Euro aus Gewinnen der Bertelsmann AG (eines der größten Medienkonzerne weltweit) das »Leitbild« verfolgt, »daß unternehmerisches Denken und Handeln entscheidend dazu beitragen, Problemlösungen für die verschiedenen Bereiche unserer Gesellschaft zu entwickeln und erstarrte Strukturen aufzulösen«. In dieser Ideenschmiede des Neoliberalismus ist man offenbar angesichts der Widerstände in der Bevölkerung bis weit in die SPD hinein gegen Bemühungen, den gesetzlichen Arbeitnehmerschutz immer weiter zu untergraben, auf den Gedanken gekommen, es mit einer Mogelpackung zu versuchen. Tatsache ist: Wer als Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder Jurist mit dem deutschen Arbeitsrecht zu tun hat, fühlt sich im Gesetzesdschungel: Statt in einem einheitlichen Gesetzbuch – wie man es fürs Zivilrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch und fürs Strafrecht im Strafgesetzbuch hat oder zu Zeiten der DDR fürs Arbeitsrecht im dortigen Arbeitsgesetzbuch hatte – muß man in rund 60 gängigen Gesetzen nach den passenden Bestimmungen für den Einzelfall suchen. Zudem besteht in wichtigen Bereichen (zum Beispiel Streikrecht oder Weiterbeschäftigungsanspruch) lediglich Richterrecht des Bundesarbeitsgerichts. Seit Jahrzehnten läuft daher die Diskussion über eine gesetzliche Zusammenfassung des Arbeitsrechts. In Art. 30 Abs.1 des Einigungsvertrags von 1990 wurde ein Arbeitsgesetzbuch – also eine Zusammenfassung des gesamten Arbeitsrechts – als »Aufgabe des gesamtdeutschen Gesetzgebers« verkündet. Umgesetzt wurde seither nichts. Nun soll ein Arbeitsvertragsgesetz als Zusammenfassung des privatrechtlichen Teils des Arbeitsrechts Licht ins Dunkel bringen – auf den ersten Blick immerhin etwas. Henssler und Preis stellen ihren Entwurf leutselig als durchweg bloße Zusammenfassung der bisherigen einzelgesetzlichen Regelungen und des bisherigen Richterrechts dar und behaupten, sie hätten nur eine »ganz geringe Zahl materieller ... in der Gesamtschau sehr ausgewogener Änderungen« vorgenommen (so im Vorwort zur Entwurfsfassung von November 2007). Indem sich der Entwurf auf das (private) Arbeitsvertragsrecht beschränkt, läßt er das öffentlichrechtliche Arbeitsrecht (Arbeitszeitschutz, Arbeitssicherheitsschutz, Mutterschutz et cetera) und das kollektive Arbeitsrecht (zum Beispiel Betriebsverfassungsgesetz oder Tarifvertragsgesetz) scheinbar unberührt. Doch das Arbeitsrecht entfaltet seine Wirkung gerade durch das Zusammenwirken von privatrechtlichen, öffentlichrechtlichen und kollektivrechtlichen Schutzelementen. Eben dies spiegelt sich auch in den – für die einzelnen EU-Staaten immer wichtiger gewordenen – EU-Richtlinien wider, die in Deutschland in entsprechende Gesetze umgesetzt wurden und werden (zum Beispiel in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder das Teilzeit- und Befristungsgesetz). Der Henssler/preis-Entwurf zieht aus den verschiedenen Arbeitsrechtsgesetzen den privatrechtlichen Teil heraus, ohne zu sagen, was mit dem – häufig für die Schutzwirkung entscheidenden – »Rest« geschehen soll. Wer mit einem solchen Arbeitsvertragsgesetz arbeiten müßte, würde – jedenfalls solange öffentlichrechtlicher und kollektivrechtlicher Arbeitnehmerschutz besteht – vielfach auf die falsche Fährte gelockt. Der besseren Übersicht dient das jedenfalls nicht. Zehn von 26 EU-Staaten – darunter Frankreich, Spanien, Portugal, Luxemburg – haben Arbeitsgesetzbücher (also Regelungen des gesamten Arbeitsrechts), nur zwei Staaten – Belgien und Finnland – Arbeitsvertragsgesetze. Ansonsten (zum Beispiel in den Niederlanden, Italien und Österreich) ist die Situation ähnlich wie derzeit hierzulande. Doch die Entwurfsverfasser kümmern sich nicht um diese ihnen geläufige EU-Situation (Henssler selbst ist Mitherausgeber des Übersichtswerks »Arbeitsrecht in Europa«); offensichtlich paßt sie nicht in das Bertelsmann-Konzept. Die Behauptung, die materiellen Änderungen seien »ganz gering« an Zahl und »sehr ausgewogen«, erweist sich bei näherem Hinsehen als irreführend. Tatsächlich werden in entscheidenden Regelungsbereichen ganz neue, eindeutig arbeitgeberorientierte Änderungen vorgeschlagen. So soll über den Arbeitsvertragsbestand hinweg, also entgegen dem eigentlich auch im privaten Arbeitsrecht geltenden Grundsatz »pacta sunt servanda«, der Arbeitgeber einseitig und ohne Änderungskündigung Überstunden und Kurzarbeit anordnen und bei »dringenden betrieblichen Gründen« Arbeitsort und Tätigkeit einseitig abändern können. Das Recht zu Änderungsvorbehalten des Arbeitgebers im Vertrag soll ausgeweitet werden. Obendrein soll auch noch die Änderungskündigung erleichtert werden, indem bei »betrieblichen Gründen« »Dringlichkeit« nicht mehr erforderlich sein soll. In Fällen der Befristung des Arbeitsverhältnisses ohne Sachgrund soll das Anschlußverbot entfallen: Nach zwei Jahren »Pause« soll eine sachgrundlose Befristung abermals für zwei Jahre möglich sein – im Ergebnis eine uferlose Ausdehnung von Kettenbefristungen. Rund zehn Millionen Arbeitnehmer in sogenannten Kleinbetrieben mit bis zu zehn Vollzeit- oder bis zu 20 Teilzeitbeschäftigten sollen ganz ohne Kündigungsschutz auskommen – wie schon nach der letzten Fassung des Kündigungsschutzgesetzes. Darüber hinaus soll nun die sogenannte Wartefrist – in der ab Beginn des Arbeitsverhältnisses zunächst kein allgemeiner Kündigungsschutz besteht – von derzeit sechs Monaten auf optional 12, 18 oder gar 24 Monate ausgedehnt werden, wodurch weitere Millionen von Arbeitnehmern kündigungsschutzlos gestellt werden. Und nach drei Jahren Beschäftigung soll der Arbeitnehmer die »Möglichkeit« erhalten, gegen Abfindung auf seinen Kündigungsschutz ganz zu verzichten. Wie die Entscheidung eines Arbeitnehmers, solche »Möglichkeiten« zu nutzen, zustande kommt, kann man sich lebhaft vorstellen. Der Henssler-Preis-Entwurf erleichtert auch fristlose Kündigungen. Und soweit überhaupt noch allgemeiner Kündigungsschutz besteht, soll auch dieser massiv verringert werden, etwa durch Ausweitung der Möglichkeit personenbedingter Kündigungen wegen angeblicher Minderleistung und durch weitere Einschränkungen des Schutzes vor betriebsbedingten Kündigungen. Entgegen dem bisherigen Wortlaut des Kündigungsschutzgesetzes, wonach »dringende betriebliche Erfordernisse« vom Arbeitgeber bewiesen werden müssen, »die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen«, soll nun in Anlehnung an eine mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbare Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die »unternehmerische Entscheidung« – außer in Fällen »offensichtlicher Unsachlichkeit oder Willkür« – die betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen und damit die Weihe eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals erhalten. Was das heißt, kann man an Vorgängen wie Nokia Bochum oder AEG-Elektrolux Nürnberg studieren. Zusätzlich sollen auch noch bei der Sozialauswahl – diesmal nicht nur entgegen der jetzigen Gesetzesfassung, sondern auch entgegen der BAG-Rechtsprechung – die Auswahlkriterien Schwerbehinderung und Lebensalter gänzlich entfallen (was Preis makabererweise in seinem Gutachten für den 67. Deutschen Juristentag auch noch als Verbesserung der Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer preist). Flankierend hierzu schränkt der Entwurf dann auch noch Weiterbeschäftigungs- und Lohnansprüche des Arbeitnehmers – bislang wesentliche Risikofaktoren für die Arbeitgeber im Prozeß – ein. Bei Leiharbeit – in der heute in vielen großen Industriebetrieben schon 30 Prozent der Beschäftigten eingesetzt sind – soll vom Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche Arbeit, der derzeit nur durch Tarifvertrag außer Kraft gesetzt werden kann und in der Praxis durch entsprechende Tarifverträge sogenannter christlicher, aber auch DGB-Gewerkschaften bereits außer Kraft gesetzt ist, nun schon beim Vorliegen eines »sachlichen Grundes« abgewichen werden können. Das ist noch längst nicht alles. Über weitere Verschlechterungen berichtet die DGB-Zeitschrift Arbeit und Recht 6/2008. Da kaum angenommen werden kann, daß den Professoren Henssler und Preis die ihren Entwurf prägende massive Einschränkung des Arbeitnehmerschutzes – ganz im Sinne der neoliberalen Geldgeber – entgangen ist, liegt nahe, daß mit der irreführenden Darstellung des Entwurfs als »ausgewogen« versucht wird, politisch bis weit in die SPD hinein »Land zu gewinnen«, zumal Preis in der Vergangenheit eher arbeitnehmerfreundliche Positionen bezogen hat. Maßgeblich aufgrund der Ablehnung durch die DGB-Gewerkschaften dürfte inzwischen klar sein, daß sich die Bertelsmann-Hoffnungen in dieser Legislaturperiode des Bundestages nicht mehr erfüllen werden. Allerdings ist nun damit zu rechnen, daß versucht wird, den Entwurf als längst überfällige moderne, ausgewogene Reform des Arbeitsrechts in den Bundestagswahlkampf 2009 einzubringen und zum Gegenstand einer Koalitionsvereinbarung zu machen. Gelänge dies, würde der Arbeitnehmerschutz in Deutschland großen Schaden nehmen. Es ist also dringlich, den tatsächlichen Inhalt des Entwurfs möglichst vielen Menschen bekannt zu machen – was die Konzernmedien unterlassen. Die Mogelpackung darf nicht Gesetz werden! Der Autor ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Freiburg (Breisgau), Mitglied der bundesweiten Kooperation ArbeitnehmerAnwälte und Autor des Buches »Der Anwalt im Arbeitsrecht – Handbuch für die Beratung und Vertretung von Arbeitnehmern« (Bund-Verlag) sowie Mitautor des neuen Handkommentars »Arbeitsrecht« (Nomos-Verlag).
Erschienen in Ossietzky 19/2008 |
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