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Dann sind die Verwalter unserer Steuern fachmännisch zur Sache gegangen und haben das gerettete Geldinstitut für satte 150 Millionen an einen von christlicher Nächstenliebe erfüllten amerikanischen Investor verscherbelt. Eine finanztechnische Meisterleistung! Nur ein Lump wird da von Schnäppchenpreis, Milliardenverlust oder gar Verschleuderung des Staatsvermögens reden wollen. Man muß das eben solidarisch sehen, gemeinsam einstehen für den kleinen Lapsus einiger ein wenig überforderter Finanzfachleute. Konsequenz: Neun Milliarden Sanierungskosten minus 150 Millionen Verkaufserlös machen 8,85 Milliarden Verlust, geteilt durch rund 82 Millionen BRD-Einwohner sind: 107,93 Euro pro Kopf, ob beim ersten Schrei oder beim letzten Röchler. Wir alle müssen blechen. Wollte man nun aber korrekterweise das Banken-Notopfer gleichmäßig nur auf Steuerzahler umlegen, müßte man Kinder, Arbeitslose, treusorgende Mixa-Hausmütterchen, Kleinstverdiener und unsere hohe Verantwortung tragenden Multimillionäre, die bekanntermaßen keine Steuern zahlen, von den 82 Millionen abziehen und käme so leicht auf schätzungsweise 500 Euro Steuermehrbelastung pro deutscher Durchschnittsfamilie. Unseren Leserinnen und Lesern frohe Weihnachten schon jetzt! Aus noch vollerem Herzen wünschen darf man solches dem gewesenen Steuervereinfacher und CDU-Geschäftsführer Friedrich Merz. Sein Anwaltsbüro nämlich hat die erwähnte Verkaufsaktion juristisch fixiert. Nach anwaltlicher Mindestgebühr bedeutet dies für seine Kanzlei eine Solidareinnahme von wenigstens 461.000 Euro. Selbstverständlich ist in solchen Fällen das Honorar frei verhandelbar und könnte leicht auch wesentlich höher ausgefallen sein. Dafür wurde der Vertrag dann aber sicher auch per Bierdeckel abgeschlossen. Per Bierfilz sagt man mancherorts auch. Oder knapper: per Filz. * Ganz so schlimm ist es nun wohl andererseits auch nicht, jedenfalls wenn man ein wenig vorausdenkt. Letzte Woche nämlich habe ich meine ganz persönliche Steuerpflichtigenidentifikationsnummer zugestellt bekommen. Sie ist laut Versicherung der Bundesregierung nach reinem Zufallsprinzip erstellt und soll wirklich keinerlei Zifferncodes enthalten, die irgendwelche Rückschlüsse auf die Person des Numerierten zulassen. Alle Bundesbürger erhalten von der Wiege bis zur Bahre dieses lebenslang unveränderbare Kennzeichen. Da die Zahl elfstellig ist, geht man offensichtlich – ich habe dies schon einmal vorgerechnet (Ossietzky 17/07) – von 100 Milliarden minus einem Deutschen aus. Zum Vergleich: Im Jahre 2004 betrug die Erdbevölkerung 6,4 Milliarden Menschen. Da müssen wir aber ran, Damen und Herren! Gemach, gemach, dies ist natürlich eine Milchmädchenrechnung. Denn selbstverständlich benötigt man auf lange Sicht in Anbetracht der aufgrund von Geburten und Todesfällen variablen Bevölkerungszahlen eine gewisse Steuernummernreserve. Pro Person stehen gegenwärtig 1220 verschiedene Ziffernfolgen zur Verfügung, oder anders gerechnet: Wenn man eine Generation wie üblich mit 30 Jahren ansetzt, langt der Nummernvorrat bis Ende Mai des Jahres 38594 unserer christlichen Zeitrechnung. Das nenne ich vorsorglich gedacht! Der Mensch denkt, Gott lenkt ein. Nebenher: Auf diesen ganzen Zeitraum bezogen beträgt – gleichbleibende Bevölkerung vorausgesetzt – das eingangs erwähnte Banken-Notopfer pro Kopf nur 0.3 Cent im Jahr. Das zahlt man doch die nächsten 36 Jahrtausende gern für unsere Wirtschaft. Gut, daß wir einen Generationenvertrag haben. Für die, denen ob solch aberwitziger Rechenkunststücke jetzt der Kopf brummt, sag ich es noch schnell im Klartext: Selbstverständlich bin ich der unmaßgeblichen Meinung, in der »Steuernummer« für alle seien eben doch Personencodes enthalten. Wer jetzt denkt, unsere gute Regierung sei zu solcherlei Täuschungen und Tarnungen nicht fähig, den erinnere ich etwa an die trotz aller Dementis inzwischen nun doch bewiesene Tätigkeit deutscher BND-Agenten als vorgeschobene Zielsucher und Beobachter für die US-Army in Bagdad und die deutsche Mitverantwortung oder Teilhabe an CIA-Entführungen und -folterungen und, und und ... Oder: »Im Kongo ist das Problem, daß der Öffentlichkeit von der Bundeskanzlerin nicht gesagt worden ist, worum es eigentlich geht. Das konnte man in Paris sehr deutlich hören. In Paris hat man gehört, wir können Afrika nicht China und den Vereinigten Staaten überlassen. Punkt. Da man das aber in Deutschland nicht sagen wollte, hat man dann die Erfindung mit der Wahl gemacht.« (Ex-Verteidigungsstaatssekretär Walter Stützle am 7. November 2006 in der Phoenix-Runde über den Bundeswehreinsatz zur »Sicherung freier Wahlen« im Kongo.) Notlügen sind halt manchmal unumgänglich. Warum nicht auch bei Zifferncodes. * Zum Schluß noch ein Schmankerl. Die SPÖ hat in höchster Umfrageergebnis-Not verlautbart, sie halte unter gewissen Umständen in Österreich nun doch eine Volksabstimmung nach irischem Beispiel über den Lissabonner Vertrag, also eine leicht abgeänderte EU-Verfassung für geboten. Joschka der Zuständige ließ es sich daraufhin nicht nehmen, den SPÖ-Politiker Gusenbauer einen Opportunisten zu nennen. Da hat er ja Recht; nur komisch finde ich es doch und erlaube mir ein bekanntes Tucholsky-Zitat inhaltlich leicht abzuwandeln: Nichts ist schlimmer, als wenn Opportunisten Opportunisten Opportunisten nennen.
Erschienen in Ossietzky 19/2008 |
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