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Über solche Zusammenarbeit berichtet er in seinem neuen Buch »BKA – Polizeihilfe für Folterregime«, das im Oktober im Verlag J. H. W. Dietz Nachf. erscheinen wird (400 Seiten, ca. 26 Euro); diesem Buch ist der folgende Text mit Genehmigung von Autor und Verlag entnommen. Übrigens: Von den 186 Interpol-Mitgliedstaaten foltern bis heute noch 106. Über Jahrzehnte konnten BKA-Mitarbeiter die Erfahrung machen: Nazi-Täter werden geschont, Nazi-Verbrechen vertuscht. Nunmehr ist Vergangenheitsbewältigung zumindest kein Tabu mehr. Die Beamten, die jetzt mit dem Naziterror konfrontiert werden, haben aber auch ganz andere Erfahrungen gemacht. Sie erlebten sich bei unzähligen Auslandsdienstreisen auf der Ebene der Mächtigen, Privilegien all inclusive: Am Zielort in einem komfortablen Hotel eines exotisch anmutenden Landes den Swimmingpool genießen, die Gastfreundschaft der örtlichen Kollegen für selbstverständlich halten – Palmenstrand am Wochenende und Hubschrauberflug über ein Tierreservat eingeschlossen – Empfang beim Interpolchef oder Innenminister – man spricht ja dieselbe Sprache in der weltweiten Polizeifamilie. Die zerlumpten Bettler vor dem Tor des Hotels? Der von Lepra gezeichnete Krüppel auf dem Gehweg? Vielleicht fanden manche es etwas hart, daß der sie begleitende Polizeioffizier solche Menschen wie lästige Fliegen wegscheuchte. Schnell vergessen, spätestens auf dem LH-Flug zurück nach Frankfurt. Business-Class. Nicht schlecht, so ein Leben als BKA-Ermittler – abwechslungsreich, interessant, große weite Welt. Vielleicht aber gab und gibt es doch den einen oder anderen, eventuell sogar nicht wenige, die einen sensiblen Blick auf die andere Seite werfen. Die spätestens jetzt an sich heranlassen wollen, an welchen Verbrechen ihre Vorgänger schuldig wurden. Die Vergleiche anstellen. Und die plötzlich Ähnlichkeiten mit Strukturen der SS, der Gestapo oder des SD bemerken. Die diese Allmacht bedrückend finden, die ihr Gesprächspartner, ein Polizeigeneral in Afrika, Lateinamerika oder Asien, ausstrahlt. Die sich einen kleinen Moment vorstellen können, was es bedeutet, ihm ausgeliefert zu sein, vor ihm und seinem Befehl zittern zu müssen. Und wenn man Augen und Ohren nicht verschließt, sieht man auf dem Hof des Polizeihauptquartiers ganz zufällig, wie ein Mann aus dem Streifenwagen gezerrt wird. Sie treten ihn, er fällt zu Boden, sie treten weiter ... Damit endet die Szene, denn der freundliche Kollege vom Interpolbüro lenkt schnell die Aufmerksamkeit in eine andere Richtung. Aber die Geräusche hallen nach, Schmerzensschreie, brutale Befehle, der dumpfe Aufschlag eines Körpers. Zufällig parkt am nächsten Tag der Wagen, der den BKA-Gast am Hotel abgeholt hat, an derselben Stelle. Das Blut im Schmutz des Bodens ist eingetrocknet. Dann wieder das sterile BKA-Gebäude in Wiesbaden, Meckenheim oder Berlin. Diese leise, geschäftige Arbeitsatmosphäre. Nächste Dienstreise. Das Flüchtlingslager, gesichert mit rasierklingenscharfen NATO-Draht-Rollen auf Y-Abweisern. Der Zaun ist unüberwindbar. Oder das Slumgebiet, im Müll wühlende ausgemergelte Gestalten. Wieder kommen Bilder in den Kopf: Konzentrationslager, Ghettos, geheime CIA-Gefängnisse in Ägypten, Marokko, Usbekistan, Jordanien – die Bilder überlagern sich wie Schatten, werden kongruent. Namen verschwimmen. Bokassa – Hitler – Pol Pot – Marcos – Stalin – Taylor – Heydrich – Mao – Pinochet – Bin Laden – Himmler – Saddam Hussein – Papa Doc. Der namenlose Heckenschütze der Todesschwadron in San Salvador. Abu Ghraib-Fotos im Spiegel, Guantánamo im Fernsehen. Nächste Dienstreise. Foltergefängnis Far Filastin in Damaskus. Der Ermittlungsrichter hat fünfzehn Stunden Vernehmung erlaubt. Ein Deutscher syrischer Herkunft wird vorgeführt. Er schwitzt. Aus jeder Hautpore strömt Angst. Folter? »Ich bin bei der Festnahme geschlagen worden«, sagt er. Der syrische Kollege wirkt undurchsichtig. Zurück in Wiesbaden. Schweigen darüber. Er hat ja gesagt, daß er nicht gefoltert wird. Er hat gesagt, daß seine Zelle 190 cm lang, 103 cm breit und ohne Licht ist. Wie ein Sarg? Aber keine Folter. Er hat gesagt, daß er auf die Vernehmung drei Tage lang vorbereitet wurde. Er hätte sich beschweren können. Er tat es nicht. Also wurde er nicht gefoltert.
Erschienen in Ossietzky 18/2008 |
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