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Die Begeisterung ist um so größer, als den Hauptpreis niemand Geringerer als Bundespräsident Horst Köhler erhalten wird. Wofür? Warum? Weil er, wie die Superillu verkündet, »den Deutschen Orientierung gibt in einer immer unübersichtlicheren Welt, weil er an die Chancen unseres Landes glaubt und darauf drängt, sie beim Schopfe zu packen – und weil ihm das Zusammenwachsen von Ost und West im vereinten Deutschland eine Herzensangelegenheit ist«. Überhaupt nehmen in der Begründung für die hohe Auszeichnung die Verdienste des Staatsoberhauptes um die »innere Einheit« und um die ostdeutschen Landeskinder einen zentralen Platz ein. Superillu-Chefredakteur Wolff weiß: »Die Anerkennung, die Horst Köhler den Ostdeutschen für ihre Lebensleistung zollt, gibt vielen Mut und Kraft.« Theo Waigel (CSU), einst Bundesfinanzminister und damals Chef des zu Ehrenden, stimmt aus vollem Herzen zu: »Seit dem Fall der Mauer hat sich Horst Köhler für die Einheit Deutschlands und die Menschen in Ostdeutschland mit ganzer Kraft eingesetzt. Die deutsche Währungsunion und der Abzug der sowjetischen Truppen sind mit seinem Namen verbunden. Er gibt den Menschen in Ostdeutschland Mut und Zuversicht und mahnt alle Deutschen zu Einsatz und Solidarität.« Horst Köhler wird die »Goldene Henne« vor rund 2000 Gästen im Berliner Friedrichstadtpalast höchstpersönlich entgegennehmen und sich damit unter die bisherigen großartigen Henne-Träger einreihen, die sich ebenfalls alle um das Zusammenwachsen von Ost und West, um das Aufblühen der Landschaften in Ostdeutschland verdient gemacht haben, darunter Kurt Biedenkopf, der sächsische Ersatzkönig, Helmut Kohl, der Kanzler der Einheit, Roman Herzog, der Ruck-Präsident, Hans-Dietrich Genscher, der Diplomat der Einheit, Michail Gorbatschow, der DDR-Verkäufer, Angela Merkel, die Aufschwung-Kanzlerin, Lothar Späth, das Stehaufmännchen, und nicht zu vergessen die Helden von 1989, Gyula Horn und Bärbel Bohley. Danach wird der Bundespräsident sicher eine bewegende Dankesrede halten. Zu bezweifeln ist, daß er darin Oskar Lafontaine zitieren wird, der ihm, im Vergleich mit Gesine Schwan, bescheinigt hat, sich der PDS und der Linken gegenüber korrekt verhalten, deren Parteizentrale besucht und zudem die Weltfinanzmärkte als »Monster« bezeichnete zu haben. Schön wäre es allerdings, wenn der um Ostdeutschland so Verdiente an die euphorischen Worte des Ex-Finanzministers Theo Waigel, als dessen Staatssekretär er einst für die Fachaufsicht der Treuhandanstalt (THA) verantwortlich war, anknüpfen und einige Fragen beantworten würde, zum Beispiel: Wie hat er sich als Oberaufseher der Treuhandanstalt bemüht, die entschädigungslose Enteignung von 17 Millionen Ostdeutschen, die Verschleuderung der volkseigenen DDR-Industrie an westdeutsche Profitjäger, die Liquidierung von 3.495 ehemaligen DDR-Betrieben, die Vernichtung von 2,6 Millionen Arbeitsplätzen, die Verwandlung eines mindestens 600-Milliarden-DM-Volks-vermögens in einen Schuldenberg von 256 Milliarden DM zu verhindern? Von welchen übergeordneten, edlen Erwägungen, ließ er sich leiten, als er auf einer Sitzung des Treuhandpräsidialausschusses am 21.Januar 1991 im Kölner Hotel Excelsior, wie Michael Jürgs berichtet, verlangte, in der ehemaligen DDR-Industrie müsse »auch mal gestorben werden, Blut müsse fließen«? Was hat er gemeint, als er vor dem Treuhand-Untersuchungsausschuß des Bundestages die THA als »eine politische Veranstaltung« bezeichnete? Doch nicht etwa die Restauration des Kapitalismus und die Verwandlung Ostdeutschlands in ein Notstandsgebiet innerhalb der Europäischen Union um jeden Preis? Die Mehrheit der an der Supergala, am Medienereignis des Jahres, teilnehmenden, bei solchen gesellschaftlichen Höhepunkten nie fehlenden Politiker, Wirtschaftsbosse, Stars und Sternchen aus Film und Fernsehen, kurzum der Crème de la Crème unseres freiheitlichen Sozialstaates würde sich für diese Thematik weniger interessieren. Aber so manche vor dem Bildschirm Sitzenden, vor allem ostdeutsche – das festliche Ereignis wird selbstverständlich im MDR-Fernsehen live übertragen – würden ganz gern eine Antwort des Freundes und Gönners der Ostdeutschen auf diese Fragen hören. Allerdings ist zu erwarten, daß er die Klippen bravourös umschifft. Er wird bescheiden bleiben, auch wenn er die Worte der ungefragten Namensgeberin des Preises, Helga Hahnemann: »Ick bin, wat wa alle sind, een kleenet Menschenkind« schwerlich auf sich beziehen wird. Statt dessen wird er in gewohnter Manier an die innere Einheit und an die Solidarität von West und Ost appellieren. Das wird die Riesenfreude der Organisatoren und Teilnehmer der Festivität nicht trüben. Auch einen »schwarzen Hahn« wird er nicht bekommen. Es bleibt bei der Henne, einer goldenen, 3,5 Kilo schwer und 22 Zentimeter hoch.
Erschienen in Ossietzky 18/2008 |
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