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Auch das Denkmal muß zum Reichstag
Otto Köhler
Unser Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung ist ein überlegener Stratege. Das bewies er schon als Chef der Hessischen Staatskanzlei von Roland Koch, als er illegale Spenden an seine Partei als »jüdische Vermächtnisse« ausgab. Ziemlich korrekt übrigens, denn so manche Firma, die da spendiert, hat an der Arisierung gut verdient.
Dieses Jahr wollte er, daß das Rekrutengelöbnis, an dem die Öffentlichkeit gern manchen überraschenden Anteil nimmt, wenn sie zugelassen ist, nicht wie bisher in seinem wohlgehüteten Bendler-Block, sondern vor dem Reichstag stattfindet.
Daß das Gartenbauamt wegen des schönen Rasens nicht einverstanden sein würde, konnte er sich ausrechnen. Darum war es leicht, nationale Empörung zu entfachen, weil es seinen Soldaten nach einem Bescheid dieses Amtes nicht erlaubt sein sollte, auf dem Rasen vor dem Reichstag zu marschieren – obwohl die Bundeswehr doch eine »Parlamentsarmee« ist. Und obwohl Jung doch einen guten Grund für die Verlegung seiner Truppe geschaffen hatte: Zum mutmaßlichen Volkstrauertag im November sollte im Bendler-Block sein Ehrenmal für die bei den weltweiten Einsätzen gefallenen und sonstwie umgekommenen Soldaten eingeweiht werden. Im Juli hätten die Gelöbnissoldaten bei den Bauarbeiten für das – übrigens sehr geschmackvolle: mit Gold überzogene – Ehrenmal gestört.
Der Berliner Senat gab nach – wen kümmert bei so großen Staatsangelegenheiten das Gartenbauamt! Aber nachdem das Gelöbnis vor dem Reichstag exerziert worden war, stellte sich heraus, daß die Bauarbeiten für das Denkmal noch nicht einmal begonnen haben. Der angedachte Volkstrauertag muß ohne Denkmal auskommen.
Und nun legt sich der kühle Stratege Jung wieder mit dem Gartenbauamt an: Bäume sollen weg, verlangt er, weil sie den Blick auf sein Ehrenmal verstellen.
Gewiß, das Gartenbauamt tut nur, was seines Amtes ist: es schützt die Bäume. Aber genau damit muß der überlegene Stratege Jung gerechnet haben. Denn die Lösung des Problems ist einfach und konsequent: Nicht nur das Gelöbnis muß, wie er letzte Woche angekündigt hat, alljährlich am Reichstag stattfinden. Auch das Denkmal gehört dorthin.
Bleibt ein Problem, das mit dem Denkmal vor dem Reichstag ebenfalls zu lösen wäre: »Eine Schande!«, stöhnte Bild, »Politiker schwänzen Soldaten-Gelöbnis«. Nicht einmal Bundestagspräsident Lammert (CDU) und sein Vize Thierse (SPD) waren da, geschweige denn die überwältigende Mehrheit jener Abgeordneten, die so vorbildlich die Soldaten zur Verteidigung unseres Landes an den Hindukusch und sonstwohin schicken – sie machten Urlaub.
Die Lösung ist einfach. Auf dem Denkmal, dazu ist so etwas ja da, werden noch vor den Namen der toten Soldaten jeweils die Namen der Abgeordneten eingemeißelt, die – Ehre wem Ehre gebührt – Ja zu deren Kriegseinsatz sagten. Dann wird beim nächsten Gelöbnis die übergroße Mehrheit unserer Abgeordneten, wenn nicht physisch, so doch metaphysisch vertreten sein.
Erschienen in Ossietzky 17/2008
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