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Die Nachrichtenagentur dpa meldete: »Mit Entsetzen hat der Zentralrat der Juden in Deutschland auf die Neonazi-Krawalle in Passau reagiert. ›Es ist ungeheuerlich, daß braune Banden ungehindert durch die Innenstadt Passaus marschieren und ihre Hetzparolen kundtun konnten‹, sagte Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch. ›Der Vorfall zeigt, daß die Umtriebe der Neonazis massiver werden und außer Kontrolle geraten. Das darf nicht wieder vorkommen.‹« Frau Knobloch – eine überzeugte Optimistin, wie es scheint – forderte »ein stärkeres Durchgreifen der Behörden«. Auch Ihrer Behörde? Wissen Sie zufällig, wo Passau liegt? Sie haben vielleicht ganz andere Sorgen. dpa weiß: »Der Menschenrechtsbeauftragte Nooke (CDU) hat bei seinem Besuch in Moskau eine kritischere Sicht auf die sowjetische Geschichte in Rußland angemahnt. Die Aufarbeitung der Vergangenheit habe hier noch nicht begonnen, kritisierte Nooke nach seiner Rußland-Reise. Er betrachte mit Sorge die Popularität des sowjetischen Diktators Josef Stalin.« Man sollte Sie nun endlich zum Bundesbeauftragten für die Menschenrechte in Sibirien, Japan, Polynesien und vielleicht sogar in den USA ernennen. Sicher werden Sie vorher in Berlin-Mitte rasch noch Marx, Engels und Gorki (Theater!) aufarbeiten. Und wieso steht da eigentlich immer noch der in DDR-Zeiten errichtete Fernsehturm? Aufarbeiten! Thilo Sarrazin, Berliner Schulden-Senator. – Sie empfehlen uns, dicke Pullover zu tragen, wenn es kalt wird. Die Raumtemperatur müsse ja nicht unbedingt 16 Grad übersteigen, verkünden Sie als Finanz- und Heizungsexperte der SPD. So könnten wir Energie und damit Kosten sparen. Doch gegen soziale Kälte im Land helfen Ihre dicken Pullover nicht. Deswegen empfehlen wir Ihnen, sich angesichts der näherrückenden Wahltermine rechtzeitig Thermo-Unterwäsche im Outdoor-Laden zu besorgen. Dann können Sie sich schon einmal sehr warm anziehen. Roland Koch, Geschäftsführer Hessens. – »Ein Zeichen für den Linksruck der SPD« sei es, meinen Sie, daß die Landesschiedskommission dieser Partei in Nordrhein-Westfalen den ehemaligen Superminister Wolfgang Clement ausschließen möchte. Sicher, Sie haben allen Grund, dem so malträtierten Energieaufsichtsrat rhetorische Hilfe zu leisten, immerhin hat er durch seinen Ratschlag zur Hessenwahl dazu beigetragen, daß Sie dort nicht auf die Oppositionsbank geraten sind. Aber Sie sollten die Rotmalerei nicht übertreiben; womöglich müssen Sie sonst einen Rechtsruck der SPD bestätigen, wenn deren Partei-Granden dafür gesorgt haben, daß Clement sich weiterhin Sozialdemokrat nennen darf. Peer Steinbrück, Parteitherapeut. – »Die SPD und Wolfgang Clement müssen einander aushalten« – so Ihre Empfehlung in diesem Konfliktfall. Wir verstehen, was Sie damit meinen: Die Partei – und darum bemühen Sie sich ja längst – muß noch »wirtschaftsfreundlicher« werden, damit einer wie Clement es darin weiter aushält. Diejenigen Mitglieder der SPD, die das wiederum nicht aushalten, können ja austreten, das erspart Schiedsgerichterei. Rainer Wend, SPD-Wirtschaftssprecher. – Sie haben auf Clements gesellschaftsreformerische Verdienste hingewiesen: Der habe doch »gemeinsam mit Gerd« die Agenda 2010 durchgesetzt. Bei den ausschlußbetreibenden Landesschiedskommissionären könne es »sich nur um abgedrehte Sektierer handeln«. Wir lernen also: Sektiererisch ist es, wenn kleine Funktionsträger einer Partei es als parteischädigend ansehen, daß ein Parteiprominenter dem Wahlvolk nahelegt, die Stimme für die Konkurrenz abzugeben. Sigmar Gabriel, SPD-Realist. – Das Theater um Clement möchten Sie beendet sehen; schließlich könne die Partei »nicht jeden, der mal Blödsinn erzählt, ausschließen«, denn dann werde es »einsam«. Das stimmt, wenn man die Zahl der Blödsinnerzähler hoch veranschlagt. Sie sprechen aus Erfahrung, und Ihnen ist gewiß auch selbst daran gelegen, Mitglied zu bleiben; Ihre Karriere muß ja noch nicht zu Ende sein. Wolfgang Clement, forsch wie immer. – Die Gelegenheit schien Ihnen günstig, als Abkanzler aufzutreten: Das Ausschlußverfahren gegen Sie sei doch nur möglich geworden, weil »der Linksflügel« derzeit in der SPD-Spitze »dominiere«, und da hätten sich Parteimitglieder erdreistet, Ihnen »das Recht auf freie Meinungsäußerung« beschneiden zu wollen. Ruck nach rechts, heißt Ihr Kommando – so weit, daß Sie nicht mehr vor »Industriefeindlichkeit« der Sozialdemokratie warnen müssen, sich wieder voll der Tätigkeit für den RWE-Konzern etc. widmen können. Frank Bsirske, ver.di-Vorsitzender. – Anläßlich Ihrer Wahl in dieses Amt ließen Sie sich erst einmal Ihr Gehalt verdoppeln. Ihre innergewerkschaftlichen Förderer argumentierten, Sie könnten dann »auf Augenhöhe« mit den Unternehmern verhandeln. Das war naiv. Wir nahmen an, Sie könnten sich nun besonders komfortable Urlaubsreisen leisten. Sie aber ließen sich Erster-Klasse-Urlaubsflüge von der Lufthansa bezahlen, in deren Aufsichtsrat Sie sitzen. Jetzt schlagen wir Ihrer Gewerkschaft vor, Sie, Ihren Nachfolger und alle hauptamtlichen Funktionäre mit einem von ihr ausgehandelten Tariflohn für Facharbeiter zu besolden. Dann könnte sie sich – das sei nicht verhohlen – in eine Kampforganisation von Lohnabhängigen verwandeln. Martin Walser, Schriftsteller. – Für die Verbreitung Ihrer neuesten Feststellung, in Deutschland gebe es gar keine wachsende Armut, Ihrer Rechtfertigung von Steuerhinterziehern wie dem ehemaligen Postchef Zumwinkel und der Erkenntnis »Geld ist das einzige Mittel zur Unabhängigkeit« haben Sie das richtige Organ gewählt: das Wirtschaftsmagazin Capital. Von dessen Lesern können Sie weiterhin Beifall erwarten. Wir dagegen, die einst mit Ihnen den gewerkschaftlichen Zusammenschluß von Schriftstellern betrieben haben, wissen längst, daß wir von Ihnen persönlich, politisch und literarisch nur noch Borniertheit und Langeweile erwarten können.
Erschienen in Ossietzky 16/2008 |
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