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Als einer der vielen, die die Zerschlagung Jugoslawiens, den blutigen Bürgerkrieg, das unsägliche Leid von Millionen bosnischen Moslems, Serben, Kroaten und Angehörigen anderer Völker mit Erschütterung und Schmerz verfolgt haben, kann ich nicht behaupten, daß Karadzic meine besondere Sympathie genießt. Sein Charakter wird recht unterschiedlich beurteilt. Politisch galt er wie seine Widersacher als unnachgiebiger Nationalist. Ideologisch ist der bekennende Antikommunist weder besonders originell noch besonders klug. Im Sommer 1994 war es zwischen Karadzic und dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic zu einer harten Auseinandersetzung gekommen. Namens der Bundesrepublik Jugoslawien hatte Milosevic im Interesse der Beendigung des mörderischen Bürgerkrieges vergeblich an Karadzic und die bosnischen Serben appelliert, einen Kompromißvorschlag zu akzeptieren, der die Umwandlung von Bosnien-Herzegowina in eine Union zwischen der moslemisch-kroatischen Föderation und der Serbischen Republik bei einer territorialen Aufteilung im Verhältnis von 51 zu 49 vorsah. Mit der Begründung, daß der Plan den territorialen Zusammenhalt der serbischen Gebiete zerstöre, hatte Karadzic ihn zurückgewiesen. Daraufhin brach Belgrad im August 1994 die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Pale, dem Zentrum der bosnischen Serben, ab und sperrte die jugoslawische Grenze für alle Transporte, mit Ausnahme humanitärer Güter, in Richtung der Republika Srpska. Für die NATO war die starre Haltung Karadzics ein willkommener Vorwand, sich offen auf die Seite der moslemisch-kroatischen Föderation zu stellen, zur Partei im Bürgerkrieg zu werden und massive Luftangriffe gegen die Serben zu beginnen. Jetzt befindet sich Karadzic hinter jenen Gefängnismauern, hinter denen Milosevic gefangen gehalten und zu Tode gebracht wurde. Zwischen diesen beiden serbischen Politikern gab es enorme Unterschiede. Dennoch habe ich auch die Verhaftung und Auslieferung Karadzics mit Erbitterung und die Jubelgesänge darüber mit Abscheu aufgenommen. Einige Gründe seien genannt: Am Churchillplatz Nr. 1 in Den Haag sitzen vor allem Vertreter jener Staaten zu Gericht, die den Bürgerkrieg in Jugoslawien nach Kräften geschürt, die kosovo-albanische UCK unterstützt und 1999 das nur noch aus Serbien und Montenegro bestehende Restjugoslawien mit einer gewaltigen Luftarmada überfallen und 78 Tage lang Tod und Verderben gesät haben. Bei solcher Art Justitia kommt einem unwillkürlich Kurt Tucholskys 1921 in der Weltbühne veröffentlichtes Gedicht »Deutsche Richtergeneration 1940« in den Sinn. Eine Verszeile lautet: »Gott gnade dem armen Sünder, der dir in die Finger fällt.« Im Chor derer, die Karadzic beschuldigen, in Bosnien-Herzegowina schwerste Verbrechen begangen zu haben, gehören deutsche Politiker und Medien zu den lautesten. Unerwähnt bleibt die Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich dazu beigetragen hat, diese ehemalige jugoslawische Republik, dieses wunderbare Jugoslawien im kleinen, in den verheerenden Bürgerkrieg zu treiben. Drei verhängnisvolle Schritte der bundesdeutschen Außenpolitik – die verantwortungslose überstürzte Anerkennung Sloweniens und Kroatiens, die Forderung nach einem Referendum über die Unabhängigkeit, das auf eine Majorisierung der serbischen Bevölkerung, eines Drittels der Gesamtbevölkerung, hinauslief, und der Beschluß zur Anerkennung des moslemisch dominierten separaten Staates – markierten diesen Weg in den Abgrund. Am 6. April 1992, dem Jahrestag des Überfalls der Hitlerwehrmacht auf Jugoslawien, vollzog die Europäische Gemeinschaft die Anerkennung Bosniens und Herzegowinas, für die laut dpa »Bundesaußenminister Genscher ... entschieden plädiert und zunehmend seine EG-Partner auf diese Meinung eingeschworen hatte.« Gerade in Bosnien hat Deutschland schwere Schuld auf sich geladen. Namhafte Zeugen dafür gibt es en masse. Nur an zwei sei erinnert: Schon 1991 hatte Lord Carrington, Vorsitzender der Jugoslawien-Konferenz, an die deutsche Adresse gerichtet, gewarnt, daß eine frühzeitige Anerkennung Sloweniens und Kroatiens »der Funke sein (könnte), der Bosnien-Herzegowina in Brand setzt«. Und Henry Kissinger konstatierte 1996: »Die Anerkennung (Bosniens; R.H.) bewirkte nicht die Geburt eines Landes, sondern einen Bürgerkrieg.« Karadzic wird vor ein Gericht gestellt, dessen Initiatoren mit sehr unterschiedlicher Elle messen. Sein Widersacher im Bürgerkrieg, Alija Izetbegovic, Verfasser der berüchtigten »Islamischen Deklaration« (s. Ossietzky 15/08) und bosnisch-moslemischer Präsident, wurde von westlichen Politikern und Publizisten als »entschlossener und mutiger Politiker« gepriesen, der seinem Volk »mit seinem persönlichen Mut« geholfen habe, eine der größten Tragödien Europas seit dem Zweiten Weltkrieg zu überstehen. Franjo Tudjman, kroatischer Staatspräsident, bekannt für seine separatistisch-nationalistische Politik und die brutale Vertreibung von Hunderttausenden von Serben aus ihrer angestammten Heimat, der Krajina, wurde als »Vater der kroatischen Unabhängigkeit« geehrt und vom Haager Tribunal nicht angetastet. Hashim Thaci, einst politischer Chef der damals selbst von den USA als »terroristische Organisation« eingestuften UCK, wurde während der Verhandlungen in Rambouillet 1999, die der NATO-Aggression vorausgingen, und in Wien 2007 über den Status Kosovos als Chef der kosovo-albanischen Delegation akzeptiert und ist seit der Abspaltung der südserbischen Provinz als Premierminister ein geschätzter Gesprächspartner. Die Führer der Serben wie Milosevic und jetzt Karadzic dagegen wurden als »Monster« und »Schlächter« dämonisiert und vor das NATO-Tribunal gezerrt. Fünftens schließlich ist es wohl alles andere als ein Zufall, daß gerade diejenigen über die Inhaftierung des Serben Karadzic am lautesten jubeln, die mit ihrer verbrecherischen Intervention- und Aggressionspolitik dem serbischen Volk schweres Leid zugefügt haben, darunter: der NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer, sein Vorgänger und heutiger EU-Chefdiplomat Javier Solana, der ehemalige deutsche Kanzleramtschef und jetziger Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der ehemalige Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling. Niemand faßte ihre Freude besser zusammen als der französische Außenminister Bernard Kouchner, der gestand: »Wir alle sind in die Luft gesprungen: Endlich, endlich, 13 Jahre!« und der US-»Vermittler« und UCK-Freund Richard Holbrooke: »Einer der schlechtesten Männer der Welt, der Osama bin Laden Europas, ist endlich gefaßt worden. Einer der allerschlimmsten Strolche ist aus dem Verkehr gezogen worden.« An die Genannten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gewiß nicht gedacht, als sie die Verhaftung Karadzics mit den Worten: »Die Opfer dürfen wissen: Massive Menschenrechtsverletzungen bleiben nicht ungestraft« begrüßte. Da kam der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin der Wahrheit schon näher, als er konstatierte: »Sollte Karadzic der Prozeß in Den Haag gemacht werden, müßten auch diejenigen mit auf der Anklagebank sitzen, die die ›Demokratisierung‹ des Balkan und Bombenangriffe auf unschuldige friedliche Menschen befohlen hatten. Ich habe den Eindruck, daß das Kriegsverbrechertribunal zur Rechtfertigung der Aggression der NATO gegen Jugoslawien... gegründet worden ist.« Diesem Ziel dient der Prozeß gegen den neuen Häftling in Den Haag.
Erschienen in Ossietzky 16/2008 |
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