Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Bedroht »der Islam« unsere Zivilisation?Werner Ruf Es ist faszinierend: Binnen gerade einmal anderthalb Jahrzehnten ist es gelungen, einen in sich heterogenen und widersprüchlichen Kulturkreis zu einer ubiquitären Bedrohung aufzubauen, denn »den Islam« gibt es so wenig wie »das Christentum«, ja die islamische Welt ist mit ihren zwei wichtigsten Konfessionen, sunna und shi’a, mit ihren vier Rechtsschulen, mit unzähligen Formen eines von den Schriften weit entfernten Volksislam, vor allem aber mit ihren zahlreichen säkularen Gruppen noch weniger geeint als »das Christentum« mit all seinen Varianten von Bigotten und Fundamentalisten bis zur (katholischen!) Befreiungstheologie. Wie in allen Glaubensrichtungen gibt es auch im Islam Phasen und Dimensionen einer Politisierung, die jedoch nur aus dem historischen Kontext heraus zu erklären sind. Der politische Islam oder Islamismus, der heute in Erscheinung tritt, muß als eine Reaktion auf den Imperialismus und die koloniale Expansion Europas in den Orient verstanden werden, eine Reaktion auf die auch mit christlichem Sendungsbewußtsein vorgetragene »zivilisatorische Mission« des Westens. Ein religiös fundiertes anti-imperialistisches Programm formulierten erstmals die Muslim-Brüder (gegründet 1928 in Ägypten), die sich allerdings primär gegen die säkularen politisch-militärischen Eliten ihrer Länder richteten. Diese Eliten erhielten während des Kalten Krieges in ihrem Kampf gegen den Kolonialismus und die Dominanz des Westens die Unterstützung der Sowjetunion – was sie nicht daran hinderte, in ihren Ländern die Kommunisten und die linke Intelligenz gnadenlos zu bekämpfen und Hunderte, ja Tausende von Menschen zu ermorden oder hinzurichten, vor allem in Ägypten, Syrien, Irak. Dennoch lieferte die Sowjetunion aufgrund von machtpolitischen und geostrategischen Überlegungen weiterhin politische Unterstützung und Waffen. Seit Beginn der 1970er Jahre – also lange vor dem Krieg gegen die Sowjetunion in Afghanistan und den dort von der CIA mit saudischem Geld aufgebauten islamistischen Brigaden – erfuhren die Islamisten zunehmende Unterstützung sowohl seitens der USA wie der meisten Regime der Region, galten sie doch vor allem an den Universitäten und in der gewerkschaftlichen Arbeiterschaft als nützliches Gegengewicht gegen die »atheistische« Linke: So wurden islamische Gewerkschaften gegründet und die Zellen der Muslimbrüder an den Universitäten unterstützt. Damals förderte auch Israel die aus der unbedeutenden palästinensischen Muslimbruderschaft hervorgegangene Hamas, um ein Gegengewicht gegen die PLO zu schaffen, ihr geistiges Oberhaupt Sheikh Yassin (im März 2004 von Israel ermordet) war gern gesehener Interview-Partner im israelischen Fernsehen. Mit dem realen Zusammenbruch des Sozialismus sowjetischer Prägung verlor der Westen zugleich seinen Feind und sein Feindbild. Diese Lücke füllte Samuel P. Huntington mit seinem Epoche machenden (und drei Jahre später zu einem dicken Buch erweiterten) Aufsatz »The Clash of Civilizations?«, der 1993 in der Zeitschrift Foreign Affairs erschien. Begierig griffen die militaristischen Kreise des Westens das neue Feindbild auf, ging es doch um ihre Legitimation und vor allem um die der NATO: Schon 1994 stellte das französische Verteidigungsweißbuch fest: »Der islamistische Extremismus stellt ohne Frage die beunruhigendste Bedrohung dar. (...) Er nimmt oft den Platz ein, den der Kommunismus innehatte als Widerstandsform gegen die westliche Welt.« Und der damalige NATO-Generalsekretär Willi Claes dramatisierte in einem Interview mit der britischen Tageszeitung The Independent (8. Februar 1995): Der islamische Fundamentalismus sei möglicherweise eine größere Bedrohung, als der Kommunismus je gewesen sei. Der 11. September 2001 lieferte dann den endgültigen Beweis für den auf planetarischer Ebene entbrannten »Kampf der Kulturen« und den daher notwendigen, weltweit zu führenden »Krieg gegen den Terror«. Solche Kriegsführung paßt sich den Erfordernissen der globalisierten Welt an: Bis zum Ende der Bipolarität standen sich Staaten mit ihren Gewaltmonopolen auf klar definierten Territorien gegenüber. Mit der Globalisierung expandieren nicht nur Finanzkapital und Märkte weit über staatliche Grenzen (und Regulation) hinaus, auch die Transnationalisierung von Migration, Lebensstilen und Kulturmustern ist ein wesentliches Merkmal dieser sich herausbildenden neuen Weltgesellschaft. Das Feindbild Islam trägt dieser neuen Realität in geradezu perfekter Weise Rechnung: Der Feind steht nicht mehr an den Grenzen, er bedroht »uns« nicht mehr mit klassischen Armeen – er ist hier, unter uns, überall. Soziale Ängste, ihrerseits Folgen der neoliberalen Globalisierung, und unterschwelliger Rassismus lassen sich verschmelzen mit neo-imperialistischen Strategien zur Sicherung »unserer« Rohstoffe. Und die beschworene Bedrohung wird dazu genutzt, das Völkerrecht in einem Zug mit der Rechtsstaatlichkeit im Inneren zu demolieren ...
Erschienen in Ossietzky 15/2008 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |