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Der ehemalige Verteidigungsminister und vielzitierte Verfassungsrechtler Rupert Scholz befand, es sei nicht die Aufgabe eines Soldaten, zu bewerten, ob ein Krieg völkerrechtswidrig sei und ob er deshalb die Ausführung bestimmter Befehle verweigern dürfe. Gerade Berufssoldaten seien dem existenznotwendigen Prinzip von Befehl und Gehorsam verpflichtet. Deshalb könne es nicht sein, daß Rechtsfragen Gegenstand einer Gewissensentscheidung des Soldaten würden mit der Maßgabe, daß er den Befehl verweigern könne. Diese Einlassungen mußten schon deshalb Erstaunen hervorrufen, weil bereits jedem Rekruten der Bundeswehr zu Beginn seiner Grundausbildung beigebracht wird, daß er Befehle, durch die eine Straftat begangen würde, gar nicht befolgen darf (§ 11 Soldatengesetz). Dieser Pflicht kann ein Soldat selbstverständlich nur dann nachkommen, wenn er die Rechtmäßigkeit von Befehlen prüft, bevor er sie ausführt. Daß einem ehemaligen Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr derartiges wehrrechtliches Basiswissen offenbar nicht präsent war, konnte den Major Pfaff in seiner Haltung nur bestätigen. Auch unter Bundeswehrgeneralen stieß das Urteil auf Ablehnung. Allerdings wagten wie üblich nur Pensionäre öffentliche Kritik. So sprach der ehemalige Inspekteur des Heeres, Jörg Schönbohm, der später sogar zum Staatsekretär auf der Hardthöhe befördert wurde und jetzt als Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident von Brandenburg fungiert, von einer »bedauerlichen Entwicklung« und warnte unter Bezugnahme auf Theodor Heuss vor einem »Verschleiß des Gewissens«. Darüber hinaus sah er die Bündnisfähigkeit Deutschlands in der NATO gefährdet, »wenn Bundeswehrsoldaten in wichtigen Funktionen plötzlich anfangen, sich auf ihr Gewissen zu berufen«. Kräftiger langte Jürgen Reichardt hin, der ehemalige Amtschef des Heeresamtes und jetzige Präsident des Bayerischen Soldatenbundes. In seiner Hauspostille mit dem bezeichnenden Namen Treue Kameraden Ausgabe 4/05 nannte er die Entscheidung der Leipziger Richter »eine befremdliche, unverständliche Gesetzesauslegung, vergleichbar jenem berüchtigten (sic!) ›Mörder-Urteil‹ des Bundesverfassungsgerichts. Sie liefert die Funktionsfähigkeit unserer Streitkräfte den persönlichen Anschauungen einzelner Soldaten aus, untergräbt somit die Grundlagen soldatischen Handelns und gefährdet die Verläßlichkeit unserer Streitkräfte.«Überdies witterte Reichardt Gefahren für die »Fundamente des Staates«schlechthin. Den Gewissenskonflikt des Soldaten Pfaff angesichts massiven Völkerrechts- und Verfassungsbruchs bezeichnete er als »eigentlich belanglose Sache«und unterstellte ihm »anmaßende politische Absichten politisierenderSoldaten«. Bei dieser Gelegenheit schoß der General außer Diensten auch gleich eine ideologische Breitseite gegen das »sogen. ›Darmstädter Signal‹, eine kleine Gruppe politisch extrem linker Soldaten, die sich im Internet ihrer Kampagnen rühmen«, denn Pfaff sei dort Mitglied. Zu dumm nur, daß es sich bei Pfaff um einen tiefgläubig katholischen, politisch eher konservativen und unbeirrbar rechtstreuen Bayern handelt, der linken Umtrieben definitiv abhold ist. Bloß noch skurril wirkte dann Reichardts Schlußappell an den Verteidigungsminister, die Revision des Leipziger Urteils als seine Aufgabe anzusehen. Offenbar hatte der General nicht mitbekommen, daß gegen die höchstrichterliche Entscheidung eine Revision gar nicht zulässig war. Den Vogel schoß indes der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, Oberst Bernhard Gertz – notabene Volljurist –, ab, als er allen Ernstes zum Besten gab, man müsse hinsichtlich der Gewissensfreiheit für Soldaten »unterscheiden zwischen Wehrpflichtigen und Zeit- sowie Berufssoldaten«; für den Berufssoldaten gelte »eine deutlich stärkere Pflichtenbindung« (Westfälische Rundschau, 26. 6. 08). Je höher Status und Besoldung, desto gewissenloser die Haltung, ließe sich daraus folgern. Konsequenterweise forderte Gertz, die Gewissensfreiheit für Soldaten einzuschränken; sie müsse gefälligst dort ihre Grenzen finden, wo die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr betroffen wäre. Gottlob aber obliegt hierzulande die Rechtsprechung immer noch Richtern in Roben und nicht Schwadroneuren in Uniform. In den Reihen der verteidigungsministeriellen Hofschranzen, wo man nach der Prozeßniederlage die schmerzhaften Wunden leckt, denkt niemand an eine Geste des Bedauerns, gar ein Angebot zur Kompensation des dem Major Pfaff zugefügten Unrechts. Ganz im Gegenteil: Die Schikanen gegen ihn setzen sich fort. So wurde und wird ihm bis heute die beantragte »laufbahnrechtliche Schadlosstellung« mit der absurden Begründung verweigert, er selbst habe ja den Anlaß für die Ermittlungs- und Gerichtsverfahren gesetzt – als läge die Ursache der juristischen Auseinandersetzung bei dem rechts- und gewissenstreuen Major und nicht in den kriminellen Handlungen der damaligen Regierung und Bundeswehrführung. Denn messerscharf hatte das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die deutschen Unterstützungsleistungen für den Aggressionskrieg gegen den Irak geurteilt: »Eine Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt.« Grotesk auch die Einlassungen, mit denen das Personalamt der Bundeswehr Florian Pfaff die ihm zustehende Beförderung versagt: Es bestünden »begründete Zweifel an seiner uneingeschränkten persönlichen Eignung und Befähigung«, einem höheren Dienstgrad gerecht zu werden. Dort, wo er seinen Dienst verrichtet, sieht man das völlig anders. In seiner dienstlichen Beurteilung schreibt der zuständige Vorgesetzte: »Major Pfaff ist ein gradliniger, eher ruhiger Stabsoffizier mit klaren Wertvorstellungen ... Major Pfaff ist mit Überzeugung Soldat ... Major Pfaff sollte nun auch zügig die durch seine Arbeit verdiente Beförderung zum Oberstleutnant zuteil werden.« Zweitens aber – so das Personalamt – sei er »aus den anerkannten Gewissensgründen« nur »eingeschränkt verwendungsfähig«. Soll wohl heißen: Ein Soldat, der sich weigert, an einem Bruch der Verfassung mitzuwirken, ein Soldat, der seinem Gewissen folgt, während andere sich in Kadavergehorsam üben, ein solcher Soldat ist in der Bundeswehr eigentlich fehl am Platze. Die Botschaft ist eindeutig: Wer nicht pariert, wird sanktioniert! Zwar hat das Verwaltungsgericht München Mitte Juni dieses Jahres die diffamierenden Winkelzüge des Verteidigungsministeriums verworfen und eine neue Entscheidung über Pfaffs Eignung für einen höheren Dienstgrad »unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts« verlangt (Aktenzeichen: M 21 K 06.1326), doch die kafkaeske Prozessiererei läßt sich mühelos noch jahrelang verschleppen, um den Bundeswehrmajor um sein gutes Recht zu betrügen. Darüber hinaus herrscht bis auf den heutigen Tag in der gesamten Bundeswehr ein geradezu ohrenbetäubendes Schweigen über die Causa Pfaff. Totschweigen, aussitzen und den Soldaten Pfaff selbst mundtot machen, lautet die Devise. So antwortete der Chefredakteur der bundeswehrinternen Desinformations- und Propagandaplattform Intranet aktuell, wo üblicherweise jede Nichtigkeit, die sich in der Truppe ereignet, akribisch rapportiert wird, auf die explizit vorgetragene Anregung, über die im Dezember 2006 erfolgte Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille an Pfaff gebührend zu berichten, mit Rückendeckung des Informations- und Pressestabes in Berlin: »Vielen Dank für den thematischen Vorschlag. Das Thema wird zur Zeit intern allerdings nicht gefahren. Mit freundlichen Grüßen ...« Im Hause des Franz-Josef Jung war und ist man, was den Umgang mit dem aufrechten Offizier Pfaff anbelangt, unübersehbar auf der Talsohle der Schäbigkeit angelangt. Jürgen Roses Artikelserie zur Ächtung des Angriffskriegs, begonnen im Ossietzky-Heft 1/08, wird fortgesetzt. Der Autor, Oberstleutnant der Bundeswehr, ist aus disziplinarrechtlichen Gründen gezwungen, darauf hinzuweisen, daß er in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen darlegt.
Erschienen in Ossietzky 14/2008 |
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