Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Die raffgierigen AltenRalph Hartmann Endlich ist es soweit. Die Verheißung der Kanzlerin erfüllt sich: »Der Aufschwung kommt bei den Menschen an.« Am Dienstag, dem 1. Juli, können 20 Millionen deutsche Frauen und Männer aufatmen. Ihre Renten werden erhöht: um 1,1 Prozent. Noch in diesem Jahr wird der sogenannte Eckrentner pro Monat 13,05 Euro und damit insgesamt 78,30 Euro mehr auf sein Konto überwiesen bekommen. Nun gut, ganz so viel ist es nicht, denn gleichzeitig steigt der Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,25 Prozent, aber immerhin bleiben noch 58,73 Euro. Ewig Unzufriedene, notorische Nörgler verweisen darauf, daß die Inflationsrate von 3,3 Prozent den Prozentsatz der Rentensteigerung weit übersteigt und die Kaufkraft der Rentner daher um rund 2,2 Prozent sinken wird. Sie übersehen, daß die Inflation ihr Realeinkommen auch ohne die Rentensteigerung schmälern würde. Fakt ist doch: Die Rente wächst und mit ihr die Sorge, wohin mit dem vielen Geld? Das Ehepaar Müller hat das Problem schon lange hin- und hergewälzt. Nun wollen die Müllers einmal ins Theater gehen und in der Pause ein Mineralwasser trinken. Gerhard Schulze, er ist Witwer, beabsichtigt, mit seinen Enkeln den Zoo zu besuchen und ihnen anschließend ein großes Eis zu spendieren. Die Lehmanns brauchen sich darüber nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Ihre Wohnungsmiete wurde zum 1. Juli exakt um die erwarteten Mehreinnahmen erhöht. Nur wenige Rentner denken an den Staat, der für die deftige Erhöhung pro Jahr über zwei Milliarden Euro locker machen muß. Dunkle Zeiten brechen an. Auch am Horizont ist kein Licht zu sehen. Da die Alten immer älter, die Kinder, die Jungen und die arbeitenden Beitragszahler weniger werden, kurz gesagt, der demografische Faktor die Rentenkasse ausplündert, müssen die Renten weiter sinken. Und der Staat muß hilflos zusehen, wie die Altersarmut wächst und wächst. Besonders alarmierend ist die Lage im Osten Deutschlands. Mittlerweile dämmert das auch regierenden SPD-Politikern, die fleißig zur Misere beigetragen haben. Die Finanzminister von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, Bullerjahn und Sellering, beklagen die Folgen der Arbeitslosigkeit: »Je länger die Wiederherstellung der deutschen Einheit im Jahr 1990 zurückliegt, um so mehr verlieren die kontinuierlichen Erwerbsbiographien der DDR-Zeit für den Aufbau von Rentenanwartschaften an Bedeutung.« Endlich haben sie einmal Recht. Seit 2007 erwirbt ein ALG-II-Empfänger nur noch einen Rentenanspruch von 2,19 Euro pro Jahr. Auch die Niedrigverdiener, immerhin sind das 41 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten, stehen nicht besser da. Ihr Durchschnittsstundenlohn beträgt 4,86 Euro. Angesichts dieser Tatsachen konstatieren die SPD-Minister: »Wer schon in der Erwerbsphase arm ist, wird aller Voraussicht nach auch im Alter bedürftig sein.« Doch auch ohne ALG II und Niedriglöhne scheint die Rechnung simpel zu sein, und die Warnungen werden lauter und lauter: »Immer weniger Arbeitende sollen immer mehr Ruheständler versorgen. Das kann nicht gut gehen!« Das Argument, daß immer weniger immer mehr produzieren, akzeptieren die Kassandrarufer nicht. Der Einfachheit halber blenden sie beispielsweise sowohl die Tatsache, daß im Jahr 1900 ein deutscher Bauer etwa vier, 1950 bereits zehn und heute 128 Menschen ernährt, aus, als auch den Umstand, daß die Arbeitsproduktivität in der Industrie jährlich um etwa zwei Prozent wächst. Ihr Interesse gilt dem Profit, den wachsenden Gewinnen, die doch nicht einfach an die unproduktiven, raffgierigen Rentner verschleudert werden dürften. So klammern denn die sogenannten Wirtschafts- und Demografie-Experten in allen Debatten die Wertschöpfung durch den Einzelnen, die Entwicklung der Arbeitsproduktivität völlig aus und warnen vor den Folgen der immensen 1,1 % Rentensteigerung. Bert Rürup zum Beispiel, der den schönen Titel »Vorsitzender des Wirtschafts-Sachverständigenrates« trägt, meint, finanzpolitisch sei der »teure Schritt« nur dann zu rechtfertigen, wenn die ausgesetzte Rentenkürzung, er nennt sie »Rentendämpfung«, wie angekündigt wieder rückgängig gemacht werde. Und der Chef des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG), Meinhard Miegel, rechnet nicht damit, daß die Rentner in Zukunft freiwillig auf die Belastbarkeit der Jüngeren Rücksicht nehmen und ihre Ansprüche zurückschrauben würden, denn: »Die ältere Bevölkerungsgruppe hat einen kurzen Zeithorizont und will in der Gegenwart Kasse machen.« Die Wirtschaftskoryphäen stehen nicht allein. Sie erfreuen sich der Unterstützung aller Unternehmerverbände und nicht weniger Edelpensionäre, darunter bekanntlich des allseits verehrten Roman Herzog. Vom Turm der Götzenburg in Jagsthausen, in der er mit Alexandra Freifrau von Berlichingen sein Gnadenbrot verzehrt, warnt er vor einer »Rentnerdemokratie« und davor, »daß die Älteren die Jüngeren ausplündern«. Wahrlich, Deutschland kann stolz auf diesen Altpräsidenten sein, der sich mit einer bescheidenen Jahrespension von über 200.000 Euro und einigen Rücklagen mühsam durchs Leben schlägt. Wie anders dagegen unsere Kanzlerin Angela Merkel, die die geplante Erhöhung der Renten als »verantwortbar« verteidigt. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck meint, er könne die Erhöhung verantworten, »weil auch die Rentner den Aufschwung spüren sollen ... Schon aus Respekt vor ihrer Lebensleistung.« Freilich, auch manchem SPD-Politiker fällt die Rentenerhöhung um 1,1 Prozent angesichts der eigenen »Lebensleistung« zu niedrig aus. Dem früheren hessischen Ministerpräsidenten und von 1999 bis 2005 Bundesfinanzminister Hans Eichel, der für minimale Rentenerhöhungen und Nullrunden sorgte, stehen monatlich gerade einmal 7.150 Euro zu. Nun verlangt er 82 Prozent mehr, schließlich war er einst auch Oberbürgermeister der Stadt Kassel, die ihm dieses kleine Zubrot verweigerte.
Erschienen in Ossietzky 13/2008 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |