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Hatte Gerhard Schröder, der Friedensverräter im Kanzleramt, in den Jahren 2002 und 2003 noch hoch und heilig versichert, daß sich die Bundesrepublik Deutschland nicht an dem unter US-amerikanischem Kommando in Szene gesetzten Krieg gegen den Irak beteiligen werde, so hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr geurteilt: »Mit der Luftraumüberwachung der Türkei in AWACS-Flugzeugen der NATO haben sich deutsche Soldaten an einem Militäreinsatz beteiligt, bei dem greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine drohende Verstrickung in bewaffnete Auseinandersetzungen bestanden.« Ein für allemal widerlegt ist somit die rot-grüne Legende von der Nichtbeteiligung Deutschlands an jenem aus imperialer Hybris begangenen Verbrechen gegen Völkerrecht und Humanität. Um die Entsendung der fliegenden Gefechtsstände des Atlantischen Bündnisses hatte Ankara die Alliierten nach Saddam Husseins Drohung gebeten, jeder Verbündete der USA in der Region, der die Aggression gegen den Irak unterstütze, werde Ziel irakischer Verteidigungsschläge sein. Deutsche Luftwaffensoldaten stellen nach wie vor etwa ein Drittel der Besatzungen des supranationalen Luftwaffenverbandes, dessen Heimatflughafen im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen liegt. Ohne sie wäre der Einsatz unmöglich gewesen. Von Beginn an hatte die Völkerrechts- und damit zugleich auch die Grundgesetzwidrigkeit des Bundeswehreinsatzes an Bord der Luftraumüberwachungsmaschinen klar auf der Hand gelegen. Denn die Bereitstellung dieser Flugzeuge erfüllte den Tatbestand der Beihilfe zum Angriffskrieg – auch in dem Falle, daß die Türkei selbst nicht in die Angriffsoperationen eingriff. »Selbst wenn die Türkei als nicht aktive Kriegspartei geschützt werden soll, wird die Schutzmaßnahme durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg überhaupt erst ausgelöst. ... Denn diese Schutzmaßnahme bewegt sich nicht im Rahmen der Zweckbestimmung der NATO zur Friedenswahrung und Verteidigung, sondern im Rahmen der Aggression«, erklärte damals der Professor für ausländisches und internationales Strafrecht am Max-Planck-Institut in Freiburg, Jörg Arnold. Indes hatten die Karlsruher Verfassungsrichter in diesem Verfahren nicht über die Völkerrechtswidrigkeit der AWACS-Mission zu entscheiden, sondern über deren Verfassungswidrigkeit wegen Verletzung von Parlamentsrechten. Die FDP-Fraktion hatte Klage erhoben, weil sich die Bundesregierung geweigert hatte, die Zustimmung des Parlamentes zu dem Bundeswehreinsatz einzuholen. Mit seinem jetzt ergangenen Urteil, das der Klägerin in vollem Umfang Recht gibt, setzt das höchste Gericht dieses Landes bewußt ein Zeichen für die Stärkung der parlamentarischen Beteiligung an Entscheidungen über bewaffnete Einsätze im Ausland. So konstatiert der 2. Senat vor dem Hintergrund der erweiterten NATO-Strategie: »Wegen der politischen Dynamik eines Bündnissystems ist es um so bedeutsamer, daß die größer gewordene Verantwortung für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte in der Hand des Repräsentationsorgans des Volkes liegt.« Was die Rotröcke gleichwohl blauäugig übersehen, ist, daß der Bundestag selber seiner Verantwortung nicht gerecht wird, wenn die Mehrheit seiner Abgeordneten ausdrücklich darauf verzichtet, ihre verfassungsmäßigen Rechte von der Bundesregierung einzufordern – da wird das verfassungsrechtliche Postulat der Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative von der kalten politischen Realität der Gewaltenverschränkung zwischen Bundesregierung und Mehrheitsfraktion überrollt. Im vorliegenden Fall geschah dies am 20. März 2003, als der Entschließungsantrag der FDP-Fraktion, die Bundesregierung zum Einholen eines Mandat für den Einsatz deutscher Soldaten an Bord der AWACS-Maschinen einzuholen, abgelehnt wurde. Schwierig wird es für die Parlamentarier, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, wenn ein Bundeskanzler ihnen durch ein Junktim mit der Vertrauensfrage ein Mandat schlichtweg abpreßt, wie Schröder es am 16. November 2001 vorexerziert hat. Damals nötigte er die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, der Beteiligung Deutschlands an der völkerrechtswidrigen »Operation Enduring Freedom«, inklusive der Entsendung von Soldaten der Bundeswehr, mit der sogenannten »Kanzlermehrheit« zuzustimmen. Solche Machtproben scheinen auch den Verfassungsrichtern zu schwanen. Sie winken mit dem dicksten Zaunpfahl, wenn sie ihre eigenen Entscheidungskompetenzen herausstellen: »Die Frage, ob eine Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Unternehmungen besteht, ist gerichtlich voll überprüfbar; ein vom Bundesverfassungsgericht nicht oder nur eingeschränkt nachprüfbarer Einschätzungs- oder Prognosespielraum ist der Bundesregierung hier nicht eröffnet.« So begrüßenswert dieses Urteil auch ist, bleibt doch ein Unbehagen hinsichtlich seiner Konsequenzen. Wer wird denn nun in welcher Form für den Verfassungsbruch zur Rechenschaft gezogen? Immerhin geht es hier nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um verfassungswidrige Beihilfe zu einem »völkerrechtlichen Verbrechen«. Deutschland, so die unbestreitbare Konklusion der Karlsruher Entscheidung, war auf Geheiß der rot-grünen Bundesregierung Kriegspartei. Und jene friedensverräterischen Regierungskriminellen tragen Mitschuld am hunderttausendfachen Massenmord an irakischen Männern, Frauen, Kindern, denn ohne die eilfertige Gewährung umfassender Unterstützungsleistungen hätte die angloamerikanische Militärmaschinerie kaum so wüten können, wie sie es 2003 und danach tat. Mitschuld tragen aber auch die Friedensverräter im Generalsrock, die sich, Kadavergehorsam leistend und ihren Diensteid brechend, nicht geweigert haben, mit Tausenden von Bundeswehrsoldaten willfährig den ihnen erteilten völkerrechts- und verfassungswidrigen Auftrag zu erfüllen. Um nur ein Beispiel aus dem unmittelbaren Umfeld des Autors dieses Beitrages zu nennen: Am 21. März 2003 schwor der damals amtierende Befehlshaber des Wehrbereichskommandos IV – Süddeutschland –, Generalmajor Kersten Lahl, sein im Lagezentrum versammeltes Offizierkorps auf vorbehaltlose Bündnissolidarität mit dem NATO-Partner USA ein und erklärte sowohl das Vorgehen der Kriegskoalition als auch sämtliche Anordnungen der Bundesregierung sowie der militärischen Führung für zweifelsfrei völkerrechts- und grundgesetzkonform. Allfällige Bedenken seiner Untergebenen gab er der Lächerlichkeit preis, indem er sich an seinen anwesenden Rechtsberater mit den Worten wandte: »Und im übrigen gilt doch, wie wir wissen: zwei Juristen, drei Meinungen – nicht wahr, Herr Clas?« Woraufhin der angesprochene Wehrjurist im Range eines Regierungsdirektors stumm und beflissen nickte. Einer weiteren Karriere des Generals als Befehlshaber des Streitkräfteunterstützungskommandos unter Beförderung zum Generalleutnant stand nach diesem Akt uneingeschränkter Loyalität gegenüber den regierungsamtlichen Friedensverrätern nichts mehr im Wege. Nach seiner Zurruhesetzung amtiert der flotte Pensionär nunmehr als Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, wo er die Crème de la Crème der sogenannten »Strategic Community« in die geheimnisvollen Tiefen einer globalisierten Sicherheitsstrategie und weltweiter Kriegführung einweiht – für fürstliche Bezüge, versteht sich. Doch da mit dem vorliegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nunmehr zweifelsfrei feststeht, daß eine demokratisch gewählte Bundesregierung deutsche Soldaten unter Bruch des Grundgesetzes in einen bewaffneten Konflikt entsandt hat, könnte sich die Ausgangslage für künftige Einsätze der Bundeswehr im Rahmen des ihr zugedachten »globalen Verteidigungsauftrags« als zunehmend prekär erweisen. Denn kein Soldat und keine Soldatin können fortan noch blind darauf vertrauen, daß sich ihr Dienstherr, wenn er ihnen Aufträge erteilt, an Verfassung und Völkerrecht hält. Und daraus folgt: Beim Betreten der militärischen Liegenschaft sind Gehirn und Gewissen nicht an der Wache abzugeben, sondern der Soldat hat beides stets mit sich zu führen und reichlich davon Gebrauch zu machen. Er soll also selbständig denken, urteilen und handeln. So lautet ab sofort die Parole. Überall, wo Gefahr besteht, daß deutsche Soldaten und Soldatinnen für völkerrechts- und zugleich verfassungswidrige Zwecke wie etwa den »Global War on Terror« mißbraucht werden, stehen der individuellen Gewissensprüfung sowie einer hieraus entspringenden Gehorsamsverweigerung Tür und Tor künftig weit offen.
Jürgen Roses Artikelserie zur Ächtung des Angriffskriegs, die in Ossietzky 1/08 begann, wird fortgesetzt. Der Autor, Oberstleutnant der Bundeswehr, ist aus disziplinarrechtlichen Gründen gezwungen, darauf hinzuweisen, daß er in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen darlegt.
Erschienen in Ossietzky 12/2008 |
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