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Mit dem Lehrerinnenexamen 1899, frühen Initiativen zur Mädchenbildung und als Lehrkraft hatte Elly Knapp sich für einen emanzipatorischen Weg im Bildungsbürgertum entschieden. Die Zuwendung zu sozialen Problemen und sozialistischen Ideen führte sie zu Naumann. 1902 schrieb sie dem »hochverehrten Pfarrer«, daß sie ihm einen Teil einer ihr zugefallenen Erbschaft »für die nationalsoziale Sache zur Verfügung« stelle, und bekannte: »Ich kann sagen, daß Sie keinen geringen Teil an meiner Erziehung hatten, ich war fast noch ein Kind, als ich mir schon von meinem ersten Taschengeld die Hilfe hielt. Und Ihnen habe ich es zu danken, daß mir seither alle die sozialen Gedanken immer mehr zum Lebensinteresse und Lebensinhalt werden.« Bald kam es zu persönlichen Begegnungen mit dem inzwischen ebenso bekannten wie in allen politischen Lagern umstrittenen Politiker und zum Eintritt in den informellen Naumann-Kreis. Die junge Frau, Heuss und viele Gleichgesinnte nahmen den rüstungs-, kolonial- und großmachtpolitischen Enthusiasmus Naumanns als selbstverständlich hin und teilten ihn mehr oder weniger. Offensichtlich ging die Faszination des politischen Schriftstellers und begabten Redners für Gruppen der bürgerlichen Intelligenz vor allem von seinen nationalsozialen Reformideen aus. Die Jahre ab 1905 waren mit Studien an den Universitäten Freiburg und Berlin, vielgestaltiger Lehr- und Vortragstätigkeit und Sozialarbeit sowie weiteren Reisen ausgefüllt. Anfang Februar 1906 gab Elly Knapp dem nationalliberalen Reichstagsabgeordneten C. W. Freiherr von Heyl zu Herrnsheim eine Privatkonsultation zum Arbeiterschutz bei Heimarbeit. Sobald sie von der Lohnhöhe als eigentlichem Problem gesprochen und das Wort »Minimallohn« gebraucht habe, sei Heyl zusammengezuckt, schrieb sie ihrem Vater. Kurz danach berichtete sie, daß sie bei der Sozialpolitikerin Alice Salomon »vor etwa dreißig Damen ein Referat über Kartelle und Trusts gehalten« habe. Reisen im In- und Ausland, Vorträge und publizistische Arbeiten, auch historische und künstlerische Interessen formten ihr Profil. Gertrud Bäumer, Lujo Brentano, Hans Delbrück, Adolf von Harnack, Hermann Hesse gehörten zum Bekanntenkreis. 1910 erschien in Leipzig ihr Buch »Bürgerkunde und Volkswirtschaftslehre für Frauen«, das bis 1929 acht Auflagen erfuhr. 1912 schrieb sie an Naumann: »Zwanzig Putzmacherinnen und Schneiderinnen wollen abends einen Kurs in Bürgerkunde von mir haben. Das macht mir Spaß.« Im Ersten Weltkrieg nahm sich Elly Heuss-Knapp der Arbeitsbeschaffung für Soldatenfrauen an. Sie referierte über Ernährungsfragen im Kriege, Kriegswirtschaft, Hausfrau und Steuern, Hinterbliebenenfürsorge, Frauenerwerbsarbeit im Krieg und Vaterländischer Hilfsdienst der Frau. Ein Brief an Naumann vom 25. September 1914 verriet den Zwiespalt zwischen patriotischer Verbundenheit mit dem Reich und der Front einerseits und dem Abscheu über früh erkennbare Lügen und Verbrechen im Kriege andererseits. Sie könne »nicht jeden Belgier, der in Notwehr schießt, für einen gemeinen Lumpen halten«: »Wir lügen doch alle, sobald wir etwas drucken.« Einen Monat später hielt sie in einem Brief an den Vater fest, wie froh sie und Theodor seien, daß beim Kriegsaufruf hunderter deutscher Professoren er, »Brentano und noch ein paar Leute nicht drin vorkommen«. Naumann hatte das chauvinistische Pamphlet unterzeichnet. Ab November 1918, wie ihr Mann der neugegründeten Deutschen Demokratischen Partei (DDP) angehörend, leitete sie die Propagandagruppe für das Frauenstimmrecht im Ausschuß der Frauenverbände und verfaßte Flugblätter und Verse zu diesem Thema. Dazu kamen um die Jahreswende 1918/19 die Wahlkampfveranstaltungen für die eigene, von Naumann angeregte Kandidatur zur Nationalversammlung, die – ebenso wie die für den Reichstag im nächsten Jahr – erfolglos blieb. In den folgenden Jahren setzte Heuss-Knapp ihre politische, publizistische und Bildungsarbeit im Umkreis sozialer und christlicher Bewegungen und Verbände, verschiedener Frauenvereine und der DDP fort. Unter der Nazi-Diktatur arbeitete sie auf dem zukunftsträchtigen Gebiet der Werbung und trug damit erheblich zum Unterhalt der Familie bei. Sie schrieb Slogans, Verse und Prosatexte, erfand das akustische Warenzeichen für dieWerbung im Radio und verfertigte Rundfunk-, Schallplatten- und Film-Aufnahmen für AEG, Bleyle, Bosch, Henkel, Leica, Nivea, Reemtsma, Rotbart, Sonnebriketts und Wybert. Dazu kamen Vorträge und Veröffentlichungen zur Werbung. 1937 erschienen die Erinnerungen »Ausblick vom Münsterturm«. 1946 wurde die fast 66-Jährige in den Landtag Württemberg-Baden gewählt, 1949 erlebte sie die Wahl ihres Mannes zum ersten Bundespräsidenten und begründete 1950 das Mütter-Genesungswerk. 1952 verstarb Elly Heuss-Knapp in Bonn.
Erschienen in Ossietzky 11/2008 |
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