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»Zur Gewalt seine Zuflucht zu nehmen Scheint böse. Aber da, wo das, was ständig geübt wird, Gewalt ist Ist es normal und nichts Besonderes.«
Hierzu meldete Brie »konkrete Differenz« an. Er sehe fundamentale Auffassungsunterschiede. Er wurde gefragt, wie man Kapitalmacht brechen könne, ohne ihre Freiheit einzuschränken, ohne Gegenmacht auszuüben. Er möge dafür ein einziges Beispiel nennen. Ein hilfsbereiter Souffleur rief aus dem Saal: »Allendes Chile!« Woran scheiterte der Sozialismus dort? Brie meinte, die Unidad Popular habe die Kontrolle der Streitkräfte vernachlässigt. Die Kontrolle! Daß die demokratisch errungene Volksmacht sich die Militärmacht hätte aneignen und die überwiegend antidemokratisch eingestellten Spitzen des Militärs auswechseln müssen, brachte er nicht zur Sprache. Aber: »Die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch materielle Gewalt«, heißt es bei Marx. Wenn die Verhältnisse so bleiben, wie sie gegenwärtig sind, dann fallen wir – so nochmals Hermann Klenner – zurück hinter die von Rousseau erhobene Forderung, keiner dürfe so reich sein, einen anderen kaufen zu können, und keiner so arm, sich verkaufen zu müssen. Durch einen Hinweis auf die biblische Apostelgeschichte veranlaßte er mich, nach der Veranstaltung zu Hause im Neuen Testament nachzulesen: »Alle aber, die gläubig waren geworden, waren beieinander und hielten alle Dinge gemein. Ihre Güter und Habe verkauften sie und teilten sie aus unter alle, nach dem jedermann not war.« (Apostelgeschichte, 1. Kapitel, Vers 44 und 45) »Wenn wir so etwas für extremistisch halten…« Klenner brauchte den Satz nicht zu vollenden. Er wünschte Mut zur Diskussion, frei von Denkverboten. Aber an diesem Mut mangelt es. Unter dem Druck des verordneten Antikommunismus, den Organe des Staates sowie Interessenverbände, politische Vereine und Parteien immer dreister und drastischer betreiben, kommt links gelegentlich ein Gefühl der Aussichtslosigkeit auf. Die Medien tun so, als wären sich hierzulande alle einig, daß Sozialismus keine Chancen mehr habe. Doch Umfragen des Demoskopischen Instituts Allensbach haben das Gegenteil gezeigt. Institutsleiter Thomas Petersen schrieb in einem Beitrag, den die FAZ unter der Überschrift »Der Zauberklang des Sozialismus« veröffentlichte, über Ergebnisse einer Umfrage, die 2002 und nochmals 2007 vorgenommen worden war. Die Frage lautete: »Kürzlich sagte jemand: ,Ich frage mich, was das für eine Freiheit sein soll, in der Millionen arbeitslos sind, immer mehr Leute von Sozialhilfe leben müssen und die Großindustrie Rekordgewinne macht. Auf so eine Freiheit kann ich verzichten.‹ Würden Sie das auch sagen, empfinden Sie das auch so, oder würden Sie das nicht sagen?« – »Das sehe ich auch so«, sagten im Juli vergangenen Jahres 62 Prozent der Befragten. Fünf Jahre zuvor hatten 53 Prozent so geantwortet. 1944/45 verdichtete Bertolt Brecht das »Manifest« von Marx und Engels in Hexametern. Diesem Text sind die folgenden Zeilen entnommen. Die Schauspielerin Renate Richter trug sie und weitere Brecht-Texte in der von Klaus Höpcke erwähnten Veranstaltung vor. Das Gedicht »Der Kommunismus ist das Mittlere« entstand 1932 nach der Uraufführung von Brechts Stück »Die Mutter« als Antwort auf den Vorwurf von rechts, der Kommunismus sei nur die Sache einer kleinen extremen Minderheit. »Die Klassiker und ihre Zeit« stammt aus »ME-TI – Buch der Wendungen« (1940). Manfred Wekwerth stellte die Texte zusammen.
Aus dem »Manifest« So nun aber entstand, die jetzt vergeht, die Epoche des Bürgers. Eisernen Griffes zerstörte die Bourgeoisie alle alten Patriarchalischen stillen Idylle, zerriß die feudalen Alten buntscheckigen Bande, geknüpft zwischen Knechten und Schutzherrn Duldend kein anderes Band zwischen Menschen als nacktes Interesse Barer Bezahlung. »Adlige Haltung« und »Ritterlichkeit« und »Treues Gesinde«, »Liebe zum Boden« und »ehrliches Handwerk« »Dienst an der Sache« und »inn’re Berufung« ertränkt sie in Eiskaltem Wasser der reinen Berechnung. Menschliche Würde Macht sie zum Tauschwert, brutal setzend nun anstelle der vielen Heilig verbrieften Freiheiten nur die Freiheit des Handels. Kurz: an Stelle der innigen, frommen, scheinbar natürlichen Ausbeutung setzt sie die offene, schamlos betrieben direkte.
Der Kommunismus ist das Mittlere Wenn schon nicht die ganze Welt den Kommunismus Für ihre Sache hält, so ist doch die Sache des Kommunismus Die ganze Welt. Wir sprechen nicht für uns als Einen kleinen Teil, sondern als Teil der Menschheit, der die Interessen der Menschen (und nicht die eines Teiles) vertritt.
Zum Umsturz aller bestehenden Ordnung aufzurufen Scheint furchtbar. Aber das Bestehende ist keine Ordnung, sondern Verordnete Unordnung und planmäßige Willkür.
Zur Gewalt seine Zuflucht zu nehmen Scheint böse. Aber da, wo das, was ständig geübt wird, Gewalt ist Ist es normal und nichts Besonderes. Der Kommunismus ist nicht das Äußerste Aber wenn er nicht verwirklicht ist, gibt es keinen Zustand, der Selbst von einem Unempfindlichen auf Dauer ertragbar wäre. Der Kommunismus ist wirklich die geringste Forderung Das Allernächstliegende, Mittlere, Vernünftige. Wer sich gegen ihn stellt, ist nicht ein Andersdenkender Sondern ein Nichtdenkender, ein nur an sich Denkender. Niemand hat das Recht, daraus, daß wir kämpfen Den Schluß zu ziehen, wir seien nicht objektiv. Der scheinbar Objektive bürgerliche Skeptiker erkennt nicht oder Will nicht erkennen lassen, daß er in diesem großen Kampf Mitkämpft, indem er die permanente, aber durch den Usus Lange Zeit dem Bewußtsein entrückte Ausübung der Gewalt durch eine kleine besitzende Schicht Nicht Kampf nennt. Es ist notwendig, dieser besitzenden Schicht auch Sämtliche »Güter idealer Art« aus den Händen zu schlagen. Was immer weiterhin »Freiheit«, »Gerechtigkeit«, »Menschlichkeit« Bedeuten sollen – bevor diese Begriffe Nicht von allem gereinigt sind, was ihnen von ihrem Funktionieren in der bürgerlichen Gesellschaft anhaftet, werden sie Nicht mehr gebraucht werden können. Unsere Gegner sind Gegner des Menschengeschlechts. Sie haben Nicht »recht« von ihrem Standpunkt aus: das Unrecht Besteht in ihrem Standpunkt. Sie müssen vielleicht So sein, wie sie sind, aber sie müssen nicht sein. Es ist Verständlich, daß sie sich verteidigen, aber sie verteidigen Den Raub und die Vorrechte, und verstehen darf hier nicht heißen Verzeihen. Der dem Menschen ein Wolf ist, ist kein Mensch, sondern Ein Wolf Furchtbar Böse Unempfindlich Stets nur das Äußerste wollend, was selbst zum kleinsten Teil verwirklicht Die ganze Menschheit immer wieder ins Verderben stürzte.
Die Klassiker und ihre Zeit Die Klassiker lebten in den finstersten und blutigsten Zeiten. Sie waren die heitersten und zuversichtlichsten Menschen.
Erschienen in Ossietzky 11/2008 |
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