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Dort ist zum Beispiel der Archiv-Verlag beheimatet, der vor einiger Zeit deutsche Geschichte streng limitiert anbot (Ossietzky 16/07) und den Interessenten zusicherte, »dramatische Dokumente zum Dritten Reich, ... ein für lange Zeit fast totgeschwiegenes Kapitel, eine noch nie dagewesene Top-Sammlung« in Ordnern im Luxusformat mit Goldschnitt bereitzuhalten. Nun ist über Richard Borek, laut Briefkopf gegründet 1893, zu berichten, der in der dortigen Theodor-Heuss-Straße einen Briefmarkenhandel betreibt. Ihm gelang es, für sein aktuelles Angebot niemand Geringeren als den früheren Intendanten des Westdeutschen Rundfunks und langjährigen Fernsehmoderator Friedrich Novottny zu gewinnen. Dieser läßt es sich nicht nehmen, jeden Adressaten des Angebots persönlich anzusprechen und ihm anzuraten, aus Anlaß der Erinnerung an die Machtübertragung an Herrn Hitler – nein, er benutzt die beliebte Vokabel »Machtergreifung«, obgleich doch der Reichspräsident damals freiwillig den Regierungsauftrag erteilte und gar keine Ergreifung abzuwarten brauchte – etwas für die nachfolgenden Generationen zu tun. Können doch, meint Novottny, die Marken »zum würdevollen (sic!) Gedenken an eine bewegende Epoche der deutschen Vergangenheit« dienen. Und er fährt fort: »Gerade der ›Letzte Deutsche Wehrmachtssatz‹ ist ein authentisches Zeugnis der damaligen Zeit. Er dokumentiert einen wichtigen Teil deutscher Vergangenheit und trägt dazu bei, daß nicht vergessen wird, was damals geschah.« Es wäre ein Verlust, nicht auch noch den folgenden Satz zu lesen: »Helfen Sie mit, Herr ..., die Erinnerung an diesen schicksalhaften Teil der deutschen Geschichte zu bewahren und an unsere Kinder und Enkelkinder weiterzugeben. Ihr ...« Was ist das für eine Markenserie, die Novottny so bewegt hat? Der »Heldengedenktag« am 11. März 1944 bot den Anlaß für die Herausgabe des Satzes, bestehend aus 13 Stücken, die eine Auswahl von Waffen und Bewaffneten vorführten und, wie damals üblich, mit hohen Aufschlägen zum Nennwert den Endsieg finanzieren sollten. Sie trugen die Landesbezeichnung »Großdeutsches Reich« zu einer Zeit, da sich der Zerfall dieses Imperiums bereits abzeichnete. In der Reichshauptstadt, die seit 1943 durch die Flugzeuge der Royal Air Force in immer stärkerem Maße bombardiert worden war, trat zwar zwischen dem 9. und dem 22. März 1944 eine Pause ein, doch hatten nun seit Anfang des Monats die USA die Tagesangriffe übernommen und die letzte Phase des Luftkrieges eingeleitet, die zur fast vollständigen Zerstörung der Berliner Innenstadt und vieler anderer deutscher Städte führen sollte. Die »authentischen Zeugnisse« waren in jener Zeit, in der die Wehrmacht bereits an allen Fronten zurückmarschierte, eine bildnerische Form der Propaganda, um die Bevölkerung weiter an den Endsieg glauben zu lassen. Diese den Postwertzeichen zugedachte Funktion erwies sich später auch am Ende der Kampfhandlungen, als am 21. April 1945 (die Rote Armee hatte an diesem Tag bereits die ersten Ortsteile Berlins eingenommen) die letzte Auflage an die Schalter gelangte, die noch zum klein gewordenen Machtbereich des Großdeutschen Reiches gehören mochten. Die Marke wird als »SA/SS« geführt. Ob sie überhaupt noch Verwendung fand, weiß wohl niemand genau. Ein paar Tage später gab es kein Großdeutsches Reich mehr. Das Haus Borek, dessen Markenzeichen nach eigener Aussage Solidität ist, läßt den Bestellern des Briefmarkensatzes obendrein ein Geschenk zukommen: einen originalen Reichspfennig, über 70 Jahre alt, Kupfer, von dem behauptet wird, daß »nur noch wenige Exemplare erhalten« seien und es sich daher um eine »einzigartige Rarität« handle – was man an jedem Trödelmarkt unschwer bestätigt finden würde, wenn man alles glaubte, was im Handel behauptet wird. Ich will nicht unerwähnt lassen, daß ein Käufer, der gleichzeitig ein Glückspilz ist, in einer vom Hause Borak veranstalteten Verlosung eine Reise für zwei Personen und drei Tage nach Berlin gewinnen kann, um, wie versichert wird, das weltweit gerühmte Deutsche Historische Museum besuchen zu können. Das kann freilich kein Trödelmarkt bieten. Apropos Braunschweig: Hitler war geborener Österreicher, 1925 gab er diese Staatsangehörigkeit auf und war für die folgenden Jahre als staatenlos gemeldet. Um ihm die Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten zu ermöglichen, wurde vereinbart, daß er Regierungsrat im Amt für Landeskultur und -vermessung einer Landesregierung wurde. An deren Vertretung in Berlin sollte er wirken, was er jedoch nie tat. Verbunden mit der Ernennung war die erforderlich gewordene Zuerkennung der deutschen Staatsbürgerschaft. Das geschah im Februar 1932 im Freistaat Braunschweig.
Erschienen in Ossietzky 9/2008 |
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