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Gelegentliche Verdoppelungen können zur besseren Durchdringung der verschiedenen Themen beitragen, stören jedenfalls nicht. Eine wichtige Frage, die in vielen Beiträgen wiederkehrt, ist die nach der Hegemonie: Hat das neoliberale Projekt einer Ablösung vom Keynesianismus und der Auflösung des Sozialstaates eine politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Vorherrschaft etablieren können, hierzulande und weltweit? In mehreren Beiträgen wird das bejaht. Es gelte aber, diese neoliberale Hegemonie endlich in Frage zu stellen und zu destabilisieren. Sie sei schließlich auch eine »Gefahr für die Demokratie« und könne Rechtsradikalen Auftrieb geben, wie Christoph Butterwegge in seinem Beitrag »Marktradikalismus und Rechtsextremismus« darlegt. Ulrich Brand diskutiert, wie »Gegenhegemonie unter ›postneoliberalen‹ Bedingungen« möglich sei, und sieht hierfür wichtige Akteure in vielen sozialen und globalisierungskritischen Bewegungen. Zu ähnlichen Einschätzungen kommt Hans Jürgen Urban in seinem Beitrag »Die postneoliberale Agenda und die Revitalisierung der Gewerkschaften«. Alex Demirovic dagegen nimmt in dem grundlegenden Aufsatz »Neoliberalismus und Hegemonie« eine andere analytische Einordnung vor. Für ihn hat es der Neoliberalismus gerade nicht zu einer umfassenden »Hegemonie« im Sinne Gramscis bringen können. Dazu wäre nötig gewesen, daß die herrschende Klasse sich um Zugeständnisse an die von ihr beherrschten Bevölkerungsschichten bemüht hätte, also mittels Kompromißbildungen agieren würde, ähnlich wie zuvor der Fordismus regiert hatte. Doch der »Neoliberalismus ist das zerstörerische Moment in den transformatorischen Prozessen der kapitalistischen Gesellschaftsformationen.« Er ist »eine Kampfansage an alle, die kein Eigentum an Produktionsmitteln haben, eine Ideologie der Zumutungen an die Beherrschten, die auf Verzicht, Verarmung, verschärfte Ausbeutung, Unterwerfung und Botmäßigkeit in allen Aspekten des Lebens zielt, während das Bürgertum, soweit es nicht selbst Opfer der Restrukturierung wird, seine Gewinne steigert und sich selbst feiert.« Deshalb sei das Kennzeichen des Neoliberalismus nicht Hegemonie im Sinne Gramscis, sondern Herrschaft in der Form von Dominanz: Regiert werde mit aufgebautem Zwang und verbreiteter Angst. Dies habe oft zu Passivität geführt, berge aber auch das Potential für Protest, Streik und Demonstrationen, wie es sich in letzter Zeit verstärkt bemerkbar mache. Mario Candeias wiederum möchte in seinem Aufsatz »Von der Dialektik des Neoliberalismus zu den Widersprüchen der Bewegung« in modifizierter Form weiterhin mit dem Hegemoniebegriff arbeiten. Er verweist zu Recht darauf, daß der Neoliberalismus trotz seiner antisozialen Politik sich durchaus in Teilen auf aktive und passive Zustimmung der abhängig Beschäftigten stützen könne, weil er deren Interessen »aufnimmt, ihre Ziele allerdings ver-rückt, d.h. ins Kleid der Selbstvermarktung stopft«. Beispielsweise hätten die Neoliberalen die verbreitete Kritik der Achtundsechziger an den unterdrückerischen und normierenden Verhältnissen im Fordismus oder an den paternalistischen und patriarchalen Strukturen des alten Sozialstaates geschickt aufgenommen. Selbst einige der »Aktivisten« aus den Reihen der einst Protestierenden seien »in den herrschenden Block an der Macht einverleibt« worden. Doch erfolge seit einiger Zeit verstärkt Widerspruch, nötig sei die Ausweitung effektiver Brüche, der Alltag selbst müsse als Sphäre der Politik begriffen und genutzt werden. Birgit Sauer meidet in ihrem Aufsatz »Neuliberale Verhältnisse: Staatlichkeit und Geschlecht« den Hegemoniebegriff. Im Anschluss an Foucault spricht sie (wie auch einige andere Autoren) lieber von »Gouvernementalität«, womit »Regierungsmechanismen zur Herrschaftssicherung« gemeint sind. Sie führt aus, daß diese im Neoliberalismus vorrangig nicht mehr als aufgezwungene Anpassung an vorgegebene Normen wirkt, sondern durch angeblich frei gewählte Selbstanpassung und Selbstregierung. Auch Geschlechterrollen erscheinen hier nicht mehr als aufgezwungen, sondern »als Ergebnis ihrer freien Wahl«. So ist im Neoliberalismus »Gouvernementalität eine Form der Macht, die über den Diskurs der Freiheit regiert«. Doch nach wie vor sei der weibliche Alltag eine Quelle des Widerspruchs. Feministische Handlungsperspektive könnte sein, »diese widersprüchlichen weiblichen Alltagspraxen, die Lücken und Brüche, welche die neoliberale Restrukturierung dort hinterläßt, sichtbar zu machen, zu politisieren und zu verändern.« Das Buch verspricht im Untertitel »Analysen und Alternativen«. Die analytische Vielfalt und zumeist Stringenz sind in der Tat noch weit beeindruckender, als sie hier angedeutet werden konnten. Die »Alternativen« fallen dagegen spärlich aus und erschöpfen sich zumeist in Andeutungen. Aber wie könnte es anders sein, solange es trotz sich ausbreitender Unzufriedenheiten immer noch derart ruhig bleibt, landauf, landab? Man kann ja bei Marx lernen: »Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen.« Aber wo fängt diese alles verändernde Dialektik an? Vielleicht doch bei der analytischen Durchdringung und Erkenntnis? Bert Brecht jedenfalls war sich (in »Lob der Dialektik«) sicher: »Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?« Christoph Butterwegge, Bettina Lösch, Ralf Ptak (Hrsg.): » Neoliberalismus – Analysen und Alternativen«, VS Verlag für Sozialwissenschaften« 420 Seiten, 24.90 €
Erschienen in Ossietzky 9/2008 |
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