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Zu ihnen gehören, um nur einige wenige Beispiele zu nennen: unser Bundespräsident Horst Köhler, der Schauspieler Heiner Lauterbach und Gabi Zimmer, Europaabgeordnete der Linken. Das Staatsoberhaupt erklärte schon in seiner Antrittsrede: »Ich liebe Deutschland.« Lauterbach, der am Starnberger See lebt, gestand in der Netzzeitung isarboten.de: »Ich liebe dieses Land. Und zwar nicht erst seit der Fußball-WM – also seit es jeder tut. Ich habe mich früh zu meinem Patriotismus bekannt. Gerade in der Zeit, in der ich viel gereist bin, habe ich erkannt, daß Deutschland eines der schönsten Länder überhaupt ist. Die zwei Meere, die Lüneburger Heide, die Alpen, der Schwarzwald. Ein unheimlich vielseitiges Land, das mitten in Europa liegt.« Fast hat es den Anschein, daß seine Liebesbegründung von Frau Zimmer beeinflußt wurde. Diese hatte, als sie PDS-Vorsitzende war, auf einem Parteitag in Cottbus gestanden, sie liebe Deutschland, und später gegenüber der taz in einem Interview auf die Frage: »Was genau lieben Sie denn an Deutschland?« schwärmerisch geantwortet: »Wissen Sie, wie schön es ist, mit dem Segelflugzeug über die Hessische Rhön zu fliegen, dort, wo mein Onkel wohnt – herrlich! Ich liebe überhaupt bestimmte Landschaften, den Thüringer Wald, Hiddensee. Ich liebe alte deutsche Städte wie Erfurt oder Marburg.« Freilich, zuweilen tanzt dieser oder jener aus der Reihe, zum Beispiel der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann, der, befragt, ob er die Bundesrepublik liebe, antwortete: »Ich liebe meine Frau.« Aber kann der Mensch nicht mehreres zugleich lieben? Obwohl auch ich meine Frau liebe, kann ich doch mein Vaterland nicht durch Liebesentzug benachteiligen. Deshalb gestehe ich unumwunden: Auch ich liebe und verehre Deutschland, genauer gesagt, die Bundesrepublik Deutschland, deren Staatsbürger zu sein, ich die Ehre schon hatte, als ich Bürger der DDR war. Denn die BRD hatte deren Staatsbürgerschaft nicht anerkannt und mich stets als einen der Ihren betrachtet. Meine Liebe zur Bundesrepublik hat viele Gründe. Zehn davon möchte ich nicht verschweigen: 1. Deutschland ist ein Land der Harmonie und des sozialen Miteinanders. Obwohl in ihm sieben Millionen Hartz-IV-Empfänger, 2,6 Millionen arme Kinder, 35 Millionen Arbeiter und Angestellte mit sinkendem Realeinkommen, davon 6,5 Millionen Niedrigverdiener, 790.000 Millionäre und 122 Milliardäre leben, gelten Neiddebatten als verpönt und garstiger Klassenkampf als überholt. 2. Die Bundesrepublik ist ein Staat, in dem sich auch nach der »Wiedervereinigung« stets herausragende Persönlichkeiten um das Wohl des Volkes kümmerten und kümmern. Stellvertretend für viele stehen der Kanzler der Einheit, Kohl, der die blühenden Landschaften im Osten schuf, Altbundespräsident Herzog, der für den Ruck in der ganzen Republik sorgte und heute altersweise vor der »Rentnerdemokratie« warnt, Ex-Kanzler Schröder, der mit der »Agenda 2010« den Sozial-Schmarotzern zu Leibe rückte, Bundespräsident Köhler, der die verdienstvolle, »Treuhand« genannte Enteignungsanstalt kontrollierte, und natürlich Angela Merkel, die sich beispielhaft von der FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda zur Kanzlerin heraufarbeitete und jetzt voll Stolz erklären kann, daß der »Aufschwung« bei den Menschen ankommt. 3. Die Bundesrepublik ist seit 1990 endlich wieder eine normale Militärmacht, was sie mit ihrer Teilnahme am Krieg gegen Jugoslawien trefflich unter Beweis gestellt hat. Gegenwärtig verteidigt sie Recht und Freiheit überall in der Welt: im Kosovo, in Afghanistan, Usbekistan, Bosnien-Herzegowina, im Sudan, in Georgien, vor Libanon und vorm Horn von Afrika. 4. In der Bundesrepublik herrscht laut Artikel 5 des Grundgesetzes Meinungs- und Pressefreiheit. Folgerichtig verfügt sie über eine meinungsbildende Monopolpresse und über ein hochentwickeltes öffentlich-rechtliches und privates Fernsehen. Letzteres strahlt hin und wieder aufschlußreiche Dokumentationen aus. Natürlich spät abends. Da stört einen wenigstens das gewöhnliche Volk nicht, das zu dieser Zeit nach dem Genuß des »Musikantenstadel«, »Wer wird Millionär?« oder »Wetten, daß...« in Morpheus‘ Armen liegt. Selbst Nachbars Hund gibt Ruhe. 5. Obwohl die Bundesrepublik 1973 bei der Begründung ihres Antrages auf Aufnahme in die UNO erklärt hat, daß das Verbot neonazistischer Organisationen ausdrücklich im Grundgesetz verankert ist, was dummerweise auch in Artikel 139 nachgelesen werden kann, lassen sich ihre Verfassungsorgane nicht dazu hinreißen, die NPD zu verbieten. Immer wieder ist es eine Freude zu sehen, wie unsere Polizei die Demonstrationen der Nazis schützt und mit aller Härte gegen unbelehrbare protestierende Antifaschisten vorgeht. 6. Unser Gesundheitswesen ist weltweit vorbildlich – auch im Hinblick auf die Ausprägung der Zweiklassenmedizin. Arme müssen zwar länger auf Arzttermine warten als Privatversicherte, sitzen mehrere Stunden in den Wartezimmern, sind in Krankenhäusern meist schlechter untergebracht, aber dafür sterben sie früher als die Reichen. Was für ein unschätzbarer Vorteil angesichts des unerträglichen Elends in der Welt. 7. Unser jahrzehntelang geteiltes Vaterland ist wieder ein einig Land von Brüdern und Schwestern. Die östlichen von ihnen sind zufrieden und glücklich darüber, daß sie dank der Treuhandanstalt nicht mehr die Last des gemeinsamen Volkseigentums tragen müssen, der Löwenanteil ihrer Betriebe in westdeutsche Hände ging, ihre Tariflöhne niedriger sind und der Wert ihrer Rentenpunkte schon im Jahre 2040 Westniveau erreichen soll. 8. In der Bundesrepublik achten die Sieger der Geschichte sorgsam darauf, daß die Schrecken der »SED-Diktatur« und ihr Triumph über den »Unrechtsstaat DDR« nicht vergessen werden. Sie halten sich an Ulrich Plenzdorf: »Auf tote Hunde schießt man nicht ... Heißt der Hund DDR, wird immer noch zum Halali geblasen ... Er röchelt noch. Das ist der Punkt.« Wer freut sich da nicht, daß die Berliner Jagdaufseher anläßlich des im nächsten Jahr bevorstehenden 20. Jahrestags des Sieges gemeinsam mit geübten Wildschützen à la Knabe und Eppelmann zur erneuten Hetzjagd auf den roten Hund rüsten, der scheinbar doch nicht ganz so tot ist? 9. Deutschland ist Weltmeister, nicht nur im Export, im Frauenfußball und im Zweier-Kunstradfahren der Männer, sondern auch im Archivwesen. Vor mehreren Jahrzehnten angelegte Akten des längst toten DDR-Ministeriums für Staatssicherheit werden akribisch gepflegt, bei Bedarf gezogen und in die Medien lanciert. Dokumente und Personendossiers der sehr lebendigen Geheimdienste unseres freiheitlichen Staatswesens werden ebenfalls gewissenhaft geführt, präzise eingesetzt, aber gottlob als Betriebsgeheimnis fürsorglich gehütet. 10. Auch nach der »Wiedervereinigung« ist sich die Bundesrepublik treu geblieben. Von der DDR hat sie außer dem Volksvermögen nur den grünen Pfeil übernommen. Letzteren auch erst nach Jahren, denn den westdeutschen Landsleuten war, so die berechtigte offizielle Erklärung, nicht zuzumuten, sich so schnell an eine derartige Neuerung zu gewöhnen. Andere Neuerungen – zum Beispiel Polikliniken oder Betriebskindergärten – werden zu Recht ohne jeden Bezug auf den »Unrechtsstaat« eingeleitet oder diskutiert. Zweifellos gibt es noch viel mehr Gründe, die Bundesrepublik zu lieben, Doch ich lasse es genug sein, schließlich bin ich Deutschland selbst. Das zumindest weiß ich seit jener wunderbaren, von der Bertelsmann AG organisierten und inzwischen leider ein wenig in Vergessenheit geratenen PR-Aktion deutscher Medienunternehmen »Du bist Deutschland« und deren Aufruf: »Behandle Dein Land doch einfach wie einen guten Freund. Meckere nicht über ihn, sondern biete ihm deine Hilfe an. Bring die beste Leistung, zu der du fähig bist. Und wenn du damit fertig bist, übertriff dich selbst. Schlag mit deinen Flügeln und reiß Bäume aus. Du bist die Flügel, du bist der Baum.« Wie sollte ein geflügelter Baum Deutschland in seiner heutigen Verfassung nicht lieben?
Erschienen in Ossietzky 9/2008 |
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