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Wie im Zusammenhang mit der Ausspähung des afghanischen Handelsministers und der Spiegel-Reporterin Susanne Koelbl bekannt wurde, wendet der Bundesnachrichtendienst (BND) heute bereits ähnliche Methoden an; er verletzt die Privatsphäre, späht sogar Regierungen aus, die als »befreundet« gelten, und kümmert sich auch nicht um die Pressefreiheit. Zweiter Punkt: Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat gegenüber Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) das noch weitergehende Zugeständnis gemacht, Wohnungen mit Kameras überwachen zu lassen (»großer Spähangriff«). Damit steht sie in ihrer eigenen Tradition, Bürgerrechte einzuschränken; schließlich war sie zu Zeiten des »roten Sheriffs« Otto Schily beamtete Staatssekretärin im Bundesinnenministerium und setzte dessen Vorgaben um. Vorübergehend versuchte sie durch öffentlichen Widerspruch gegenüber Schäuble den Eindruck zu erwecken, als läge der SPD eine grundrechtsbetonte Innen- und Justizpolitik am Herzen. Nach ihrem Einknicken beim BKA-Gesetz sind die Fronten wieder klar: Nur die Opposition streitet im Bundestag noch für die Bürgerrechte, die SPD hat sich den Hardlinern in der Union um Schäuble und Schönbohm untergeordnet. Der dritte Einwand wurde in der öffentlichen Debatte plakativ zum Ausdruck gebracht: Die BRD bekomme eine Art »deutsches FBI«, also eine zentrale Bundespolizei – im Gegensatz zu der bewußten Entscheidung bei Gründung der BRD, die Kompetenz für die Polizei den Bundesländern zu übertragen, damals als Reaktion auf den Mißbrauch der Polizei als Repressionsapparat durch die Nazis gedacht. Dem Bundeskriminalamt waren nur einzelne Aufgaben bei der Verfolgung bereits begangener Straftaten zugewiesen worden, jedoch nicht die polizeiliche Kernkompetenz der Abwehr bevorstehender Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Gefahrenabwehr und damit Prävention galt als zentrale Aufgabe der Landeskriminalämter und nicht des BKA. Mit dieser Struktur in der »Sicherheitsarchitektur« bricht das neue BKA-Gesetz. Als Argument muß dabei wieder einmal die Bekämpfung des »nationalen und internationalen Terrorismus« herhalten. Dabei fällt auf, dass das BKA künftig nicht etwa nur bei konkreten Bedrohungen für die innere Sicherheit eingreifen darf. Vielmehr darf es schon im Vorfeld agieren, um solche Gefahren überhaupt erst zu erkennen. Genau dies ist aber eine typische Aufgabe von Geheimdiensten, während die Polizei auf die Abwehr konkreter Gefahren beschränkt war. So wird klar, daß es wenig brächte, Ermächtigungen wie heimlichen Online-Durchsuchungen oder den großen Spähangriff jeweils nur einzeln zu kritisieren. Vielmehr muß die Kritik im Kontext der Neuausrichtung des BKA formuliert werden. Auch die Bezeichnung »deutsches FBI« greift zu kurz. Vielmehr wird mit dem BKA-Gesetz bewusst die Trennlinie zwischen (zulässiger) polizeilicher Abwehr konkreter Gefahren und (unzulässiger) Schnüffelei in der Privatsphäre von Bürgern ohne konkreten Anlass überschritten. Anders ausgedrückt: Das Bundeskriminalamt wird nicht nur zu einem deutschen FBI, sondern zu einer Mixtur aus FBI und CIA. Der Grundsatz der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten wird endgültig aufgegeben. Im BKA neuen Zuschnitts vermischt sich künftig Geheimdienst- und Polizeitätigkeit zu Lasten der Bürgerrechte. Der rechtspolitische Sprecher der Partei Die Linke, Wolfgang Neskovic, bezeichnete diese Pläne als »Tabubruch«. Die Koalition wolle eine zentrale Polizeistelle mit operativen Befugnissen schaffen. Dieser grundsätzlichen Kritik hält die Ausrede der Befürworter des BKA-Gesetzes, man übernehme nur bestehende Regelungen aus den Bundesländern, nicht stand. Wolfgang Bosbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, erklärt immer wieder, das BKA werde eben jetzt zu einer richtigen Polizei und erhalte zur Bekämpfung von Terrorismus diejenigen Befugnisse, die bisher den Länderpolizeien zustünden. Da sei es selbstverständlich, daß der Bundesgesetzgeber für das BKA die Regelungen übernehme, die es jetzt schon verstreut in den jeweiligen Polizeigesetzen der Länder gebe. Doch Brigitte Zypries und Wolfgang Schäuble haben sich jeweils auf die größtmöglichen Eingriffe in die Bürgerrechte geeinigt, so daß insgesamt ein Paket herausgekommen ist, das den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel grob missachtet. Der »Spähangriff« wird, wie vor Jahren der große Lauschangriff damit gerechtfertigt, die Maßnahme betreffe ja nur »Verbrecherwohnungen«. Tatsächlich werden nicht überführte Straftäter, sondern Verdächtige erfaßt, betroffen ist nicht nur deren eigene Wohnung, sondern alle, in denen sich Verdächtige womöglich aufhalten könnten. Nicht einmal die optische Überwachung von Berufsgeheimnisträgern wie Anwälten und Journalisten ist ausgeschlossen, sie ist vielmehr nach Prüfung der »Verhältnismäßigkeit« unter »Würdigung des öffentlichen Interesses an den von dieser Person wahrgenommenen Aufgaben« ausdrücklich zulässig. Der Kernbereich der privaten Lebensführung galt bisher als unantastbar. Jetzt soll bei der heimlichen Online-Durchsuchung genau in diese Privatsphäre eingegriffen und erst nachträglich aussortiert werden, was dem Intimbereich zuzuordnen ist. Die polizeiliche Beobachtung gemäß § 20i hält sich nicht an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erfassung von Autokennzeichen. Die Richter hatten einen konkreten Anlaß für den Datenabgleich verlangt, nunmehr soll sich die Beobachtung durch das BKA auf eine Vielzahl von Umständen beziehen dürfen, wobei der Anlass der Beobachtung in § 20i Absatz 2 nur vage beschrieben wird: Das Bundeskriminalamt darf beobachten, wenn es dies aufgrund der »Gesamtwürdigung der Person« für geboten hält. Auch die Rasterfahndung in Paragraph 20j ist viel zu weit gespannt. Die Merkmale, die erfasst werden sollen, werden nicht hinreichend eingegrenzt. Bei der Onlinedurchsuchung von Computern in Paragraph 20k wird keine konkrete Gefahr vorausgesetzt. Wenn mittels des Bundestrojaners Daten von einer Festplatte erfasst werden, wird nicht einmal vorgeschrieben, daß ein unabhängiger Richter die Überprüfung vornimmt, ob diese Daten unverwertbar sind, weil sei den Kernbereich privater Lebensführung berühren. Vielmehr soll diese Entscheidung zwei Bediensteten des Bundeskriminalamts übertragen werden. Auch die Pflicht der Behörde, nach dem Ende von Überwachungsmaßnahmen die betroffenen Bürger zu benachrichtigen, wird durch den Gesetzentwurf eingeschränkt. Wie es heute schon bei der Telefonüberwachung gängige Praxis ist, wird der Ausspionierte also in Zukunft von der Online-Durchsuchung nur in seltenen Ausnahmefällen Kenntnis erlangen. Dies widerspricht den rechtsstaatlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. In der Süddeutschen Zeitung vom 8. April 2008 nannte Heribert Prantl das geplante Gesetz einen »staatlichen Anschlag auf die Privatheit«. Es sei ein »BKA-Allmachtsgesetz«. Die Opposition wird im Bundestag selbstverständlich dazu eine Sachverständigenanhörung beantragen. Die Erfahrung lehrt aber, daß sich die Bundesregierung davon kaum beeindrucken läßt. Es ist zu befürchten, daß CDU/CSU und SPD diesen großen Schritt in den Überwachungsstaat unbeirrt gehen und ihr Vorhaben bis zur parlamentarischen Sommerpause durchziehen werden.
Erschienen in Ossietzky 9/2008 |
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