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Aber so etwas hätte wohl doch nicht in die neue deutsche Kinolandschaft gepaßt. Nach der televisionären Leichenfledderei mit Stoffen aus dem Zweiten Weltkrieg wie »Dresden« und »Gustloff« – wir Deutsche als Opfer, das tut uns ja so gut – ist man jetzt im Ersten Weltkrieg gelandet und hat den Fliegerhelden Manfred von Richthofen wiederentdeckt, der als »roter Baron« zur Legende wurde, weil er seine Fokker-Maschine rot anstreichen ließ, damit Freund und Feind stets wissen sollten, mit welchem Aß sie zu tun hatten. Der Film stilisiert seinen Protagonisten zum ritterlichen Streiter, der seinen alliierten Kontrahenten nach dem Abschuß noch die Möglichkeit einer Notlandung ließ – eine Geschichtslegende, die mit der Wirklichkeit kollidiert. Aus Richthofens Autobiographie geht hervor, daß er stets auf den Mann zielte und auch Tiefflugattacken auf feindliche Soldaten als »wilden Spaß« verstand. Auf der Leinwand erscheint der Krieg neben den für Action sorgenden computerisierten Luftkämpfen als flottes männerbündisches Kasinoleben, das auch mal einen Besuch im Puff einschließt. Dem Helden bekommt der Krieg offenbar wie eine Badekur, gleich Hindenburg, der dies einmal von sich behauptete. »Wir sind Sportsmänner«, hämmert der rasch zum Rittmeister aufgestiegene Jung-Offizier seinen Untergebenen ein, und zum heroischen Filmvokabular gehören markige Sprüche wie »Das Beste ist Jagd, Kampf«, »Ich will, daß sie Angst vor mir haben« oder »Einem Offizier ist verboten zu trauern«. Im Bemühen um historische Authentizität taucht eine Figur wie Richthofens anfänglicher Vorgesetzter Oberleutnant Bodenschatz auf, der später bei den Nazis Karriere machte, und ohne erkennbare Identität fallen auch mal die Namen Udet und Göring (damals Richthofens Nachfolger als Staffelkapitän), wobei der Zuschauer nichts über die von ihnen personifizierte Kontinuität fliegerischer Tradition in Hitlers Luftwaffe erfährt. In Persona erscheinen Hindenburg und Kaiser Wilhelm II., die seinerzeit tatsächlich wie im Film Richthofen propagandistisch zum Durchhalte-Idol für die kriegsmüde Heimat und die in den Schützengräben ihre Haut zu Markte tragenden einfachen Landser aufbauten. Verkörpert werden sie von den tschechischen Schauspielern Josef Vinklar und Jan Vlasak – wohl ein Zugeständnis an den billigen Produktionsstandort Prag. Dort wurde das ganz aus privaten Mitteln finanzierte (ein Lob den sich verweigernden Fördergremien!), 18 Millionen Euro teure Epos in englischer Sprache gedreht. Schließlich hofft der in der Nähe Hollywoods lebende, weitgehend unbekannte Regisseur Nikolai Muellerschoen auf den internationalen Markt. Als Sympathieträger für ein deutsches Publikum engagierte er prominente Mimen wie Michael Schweighöfer (als Richthofen) und Til Schweiger (als dessen Freund Voss), mit Blick aufs Ausland Joseph Fiennes (für eine Nebenrolle als abgeschossener kanadischer Flieger) und Lena Headey, die für eine unvermeidliche Lovestory herhalten und dem Film auch zu einem pazifistischen Alibi verhelfen muß. Der Titelheld verliebt sich in diese fiktive belgische Krankenschwester (»Du bist mein größter Sieg«) und fordert unter ihrem Einfluß sogar Hindenburg zur Kapitulation auf. Beides entsprang der Phantasie des Regisseurs, der sechs Jahre an seinem Drehbuch bastelte. Der historische Richthofen war eher gefühlskalt und liebte nur seinen Hund – was an Hitler denken läßt. Apropos: »Der rote Baron« steht in einer Traditionslinie von NS-Propagandafilmen, in denen Flieger eine bevorzugte Rolle spielen. Filme wie »Pour le Mérite« und »D III 88« schlugen damals eine Brücke von den Jagdfliegern des Ersten Weltkriegs zum Aufbau einer neuen Luftwaffe, »Kampfgeschwader Lützow« und »Stukas« feierten die Helden der Luft im Zweiten Weltkrieg, »Himmelhunde« und »Junge Adler« appellierten vor allem an die abenteuerlustige Kriegsbegeisterung des Nachwuchses. Daran anknüpfend könnte heute »Der rote Baron« einem wenig geschichtsbewußten jungen Publikum mit Richthofen als Identifikationsfigur neue alte Werte vermitteln. Schließlich verteidigen ja schon »Tornados« unsere Freiheit am Hindukusch, und ein Jagdgeschwader der Bundesluftwaffe ist nach Richthofen benannt. In Berlin überstand eine Manfred-von-Richthofen-Straße unbeschadet den Wechsel der Zeitläufe. So braucht man sich am Ende nicht mehr zu wundern, daß dem Namenspatron zum 90. Jahrestag seines Todes im Kino ein filmisches Denkmal errichtet wird. Nach 80 Luftsiegen wurde Richthofen wenige Tage vor seinem 26. Geburtstag am 21. April 1918 selbst abgeschossen.
Erschienen in Ossietzky 8/2008 |
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