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Alles beim Alten?

Wie Mugabe die Wahlen gleichzeitig verliert und gewinnt

von Beatrice Schlee

Der überraschende Wahlsieg der simbabwischen Opposition bei den Wahlen vom 29. März 2008 hat für kurze Zeit den lange ersehnten politischen Wandel in greifbare Nähe gerückt. Die leichte Öffnung des sonst restriktiven Umfelds für Oppositionskandidaten sowie die wirtschaftliche Not bewirkten, was viele nicht mehr für möglich gehalten hatten: Ein nachweisbarer Wahlsieg der Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC). Zum ersten Mal in der von Wahlfälschung geprägten Geschichte des Landes mussten die Ergebnisse an den Wahllokalen ausgehängt werden.

Doch Simbabwe wäre nicht Simbabwe, wenn das ernsthafte Konsequenzen für das Regime des 84-jährigen Robert Mugabe nach sich gezogen hätte. Nicht umsonst hält sich der Diktator trotz einer weit über 100.000 Prozent liegenden Inflation seit Jahren an der Macht.

Das Wahljahr 2008 wird somit als ein Jahr erinnert werden, in dem die Regierungspartei Zimbabwe African National Union Patriotic Front (Zanu-PF) die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen verloren und zugleich gewonnen hat. Nichts ist unmöglich im Staat Mugabes, der immer einen Joker in der Hand zu haben scheint, mit dem er die Weltöffentlichkeit, afrikanische und westliche Diplomaten sowie die eigene Opposition und Zivilgesellschaft blenden kann.

Mugabe und seine Getreuen aus Armee und Polizeidienst sind alte Kämpfer, die 1980 den Krieg gegen das weiße Smith-Regime gewonnen haben. Von der Rhetorik dieses Sieges leben sie, er legitimiert ihren unbeschränkten Herrschaftsanspruch. Die Kämpfer der Vergangenheit haben die Hinhalte-Taktik, mit der man Feinde zermürbt, nicht verlernt. Ebenso wie sie es in den vergangenen Jahren geschafft haben, sich immer wieder aus der Affäre zu ziehen, beispielsweise durch die Verkündung großartiger Wirtschaftsreformen, scheint es ihnen auch dieses Mal zu gelingen, weiter zu machen. Selbst der sicher geglaubte Wahlsieg der Opposition im Abgeordnetenhaus kann durch Anfechtung der Wahlergebnisse zunichte gemacht werden. Dass dazu die Regierung selbst der eigenen Wahlkommission Bestechung und Betrug vorwirft - eine Kritik, die bis dato von der Opposition geäußert wurde -, ist zwar grotesk, fügt sich aber nahtlos in den absurden Alltag simbabwischer Politik ein.

Ob wir jemals erfahren werden, wie die weitaus wichtigeren Präsidentschaftswahlen ausgegangen sind, ist derzeit offen. Die erneute Auszählung der Wahlergebnisse wird nach Wunsch der Regierung hinter verschlossenen Türen durch Regierungstreue vorgenommen. Damit herrscht derselbe status quo wie vor den Wahlen. Die Opposition hat zwar Klage gegen die erneute Auszählung eingereicht und vom Gericht Recht bekommen. Doch reicht das in einem immer mehr von Rechtlosigkeit geprägten Staat? Den verschiedenen Versionen der Wahlergebnisse von Opposition, Regierung und unabhängigen Wahlbeobachter ist gemein, dass es sich nur noch um Rechenspiele handelt. Ihr Wahrheitsgehalt spielt keine Rolle. Dies zeigt sich auch an der Entscheidung des Richters, der die Forderung der MDC nach sofortiger Verkündigung der Wahlergebnisse ablehnte. Die Regierung lenkt derweil die Aufmerksamkeit von den Wahlen weg: Laut den Aussagen verschiedener so genannter Kriegsveteranen befindet sich Simbabwe bereits wieder im Krieg. Zumindest beginne er in dem Moment, in dem der Präsident die Stichwahl verliere.

Um ihr Leben müssen in diesem Krieg all jene fürchten, die im Wahlkampf für die Opposition eingetreten sind. Für zwei Unterstützer der MDC kam bereits jede Hilfe zu spät. Green Bombers (Jugendmilizen der Zanu-PF) sowie "Kriegsveteranen", die so jung sind, dass sie im Unabhängigkeitskampf fern der Kriegsschauplätze waren, überziehen die der Zanu-PF abtrünnigen Provinzen mit Terror. Neben MDC-Kandidaten und -Sympathisanten werden wahllos auch andere Menschen zusammengeschlagen. Ihr Ziel haben die Mugabe-Anhänger bereits erreicht: Die Wählerschaft vor allem der ländlichen Gegenden zieht sich wieder in die politische Apathie zurück. Sollten die Stichwahlen überhaupt stattfinden, werden nur noch wenige wie am 29. März den Mut aufbringen, gegen Mugabe zu stimmen.

Diesem Treiben kann kaum jemand Einhalt gebieten. Die MDC hat zwar zu Protesten und einem Generalstreik aufgerufen. Opposition und Zivilgesellschaft waren aber schon in der Vergangenheit nicht fähig, wirksame Strategien gegen das Regime zu entwickeln. Die Opposition befindet sich in einem Teufelskreis: Ruft sie zu Aktionen auf, läuft sie Gefahr, dass der Ausnahmezustand ausgerufen wird und das Thema Wahlen als abgeschlossenes Kapitel betrachtet wird. Tut sie es nicht, ist die Regierungspartei auf dem besten Weg, ihr auch dieses Mal die Wahlen zu "stehlen".

Von den Nachbarländern der Southern African Community for Development (SADC) kann die Opposition nur begrenzt Unterstützung erwarten. Der SADC-Gipfel am 12. April in Lusaka rief die simbabwische Regierung zwar zur Respektierung der Gesetze und zum Frieden auf, verurteilte jedoch nicht die Gewalt der Repressionsagenten Mugabes. Positiv ist, dass die SADC erstmals die Oppositionskandidaten Morgan Tsvangirai und Simba Makoni einlud und nun darauf drängt, die Wahlstimmen in Anwesenheit aller Parteien auszuzählen. Außerdem stellt sie die Entsendung einer Beobachtermission in Aussicht.

Das allein wird nicht ausreichen, Mugabe zu stoppen. Dass die SADC auf Kontinuität setzt, zeigt die Entscheidung, den südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki als Mediator beizubehalten, obwohl seine "stille Diplomatie" immer mehr auf Kritik stößt und er bereits seinem Herausforderer Jacob Zuma das Feld überlassen hat. Hinter verschlossenen Türen soll in Lusaka eine Regierung der nationalen Einheit für Simbabwe diskutiert worden sein, in der Präsidentschaftskandidat Makoni eine größere Rolle spielen könnte und in der für Mugabe eine zeremonielle Präsidentschaft eingerichtet werden soll. Mbeki empfiehlt jedoch, erst einmal auf die offizielle Verlautbarung der Wahlergebnisse zu warten. Ohne Südafrika werden auch die anderen SADC-Länder kaum tätig werden, zumal einige sich selbst nicht an demokratische Spielregeln halten.

Die Simbabwer haben am 29. März viel Mut bewiesen. Doch in einem Land wie Simbabwe reicht der Gang zur Wahlurne nicht, um politischen Wandel herbeizuführen. Ob sie bereit sein werden, noch mehr zu riskieren, ist offen. Vorerst haben Angst, Apathie und Frustration erneut Einzug gehalten. Die Rechnung Mugabes scheint aufzugehen. Doch kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich tatkräftiger Widerstand formiert - sei es von Seiten der MDC oder der Gegner Mugabes aus den eigenen Reihen.

Beatrice Schlee ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Arnold Bergstraesser Instituts in Freiburg.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift informationszentrum 3. welt (iz3w), Nr. 306.

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sopos 5/2008