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Ein Museumsmann aus Hannover, Hans-Jürgen Häßler, verfaßte einen Aufruf; ich half ein wenig, den Text zu verbreiten. In kurzer Zeit unterschrieben mehr als 100 Direktoren von Museen, zudem Historiker, Politikwissenschaftler, Politiker, Künstler. Von vornherein war klar: Ein Holocaust-Museum im Land der Täter ist anders zu gestalten als das in Washington, anders auch als die Gedenkstätte Yad Vashem in Israel. Eine seiner Aufgaben muß das Gedenken an die Opfer sein, aber dies ist nicht die einzige und nicht die zentrale Aufgabe. Denn Gedenkstätten waren – meist von engagierten Antifaschisten mühsam erkämpft – schon an vielen Orten entstanden, und inzwischen kam das hauptstädtische Stelenfeld in der Nähe des Brandenburger Tores hinzu, mit vorzüglich gestalteten unterirdischen Dokumentationsräumen. Die Hauptaufgabe eines zentralen Museums sahen wir darin, auf eine Frage zu antworten, die auch spätere Generationen immer wieder stellen werden: Wie war es möglich, daß viele, sehr viele Menschen in einem hochentwickelten europäischen Staate zu massenhafter Vernichtung anderer Menschen bereit und fähig wurden? Was geschah damals – oder schon vorher – in deutschen Schulen und Hochschulen, in der Justiz, in den Medien, in der öffentlichen Verwaltung, im Militär, in der Ärzteschaft, in den Kirchen, in den Machtzentralen der Wirtschaft? Welche Ideen und Interessen verbanden sich? Das vorgeschlagene Museum soll also vor allem die Täterschaft thematisieren – nicht etwa als schicksalhaft, sondern als Ergebnis historischer Entwicklungen und Entscheidungen, wobei sich immer zeigen läßt, daß auch andere Entscheidungen möglich waren. Dies kann an den einzelnen authentischen Orten der Verfolgung und des Widerstands, an denen bisher Gedenkstätten errichtet wurden, nicht geleistet werden, auch nicht in der geplanten »Topographie des Terrors« in Berlin am ehemaligen Sitz der Gestapo. Als ein geeigneter Bau erschienen uns die »Große Halle des Volkes« in Weimar, ein vom thüringischen Gauleiter der NSDAP, Fritz Sauckel, begonnener, nie ganz fertiggestellter Betonklotz. Aber in Weimar herrschte die Meinung vor, es genüge schon, die KZ-Gedenkstätte Buchenwald in der Nähe zu haben. Und inzwischen fand sich ein Investor, der bereit war, aus der »Großen Halle des Volkes« ein Einkaufszentrum zu machen. Ernsthaftes Interesse regte sich mittlerweile in Leipzig. Dort steht seit dem Neubau der Messe im Norden der Stadt auf dem Gelände der Alten Messe die Halle 12 (»Russischer Pavillon«) leer. Die Stadtverwaltung zeigte Interesse an Häßlers Vorschlägen. Der Hamburger Architekt Meinhard Gerkan fertigte bereits einen Entwurf für die Umgestaltung der Halle an Mit eigenen Mitteln gründete Häßler eine Stiftung, für die er inzwischen schon etliche Zustifter fand. Über das Fortschreiten des Projekts – wozu anfangs drei Fachtagungen in Hannover und Dresden beitrugen – berichtet er regelmäßig in den »Mitteilungen« der Stiftung, von denen soeben die Nummer 16 erschienen ist. Sie enthält auch die Nachricht, daß er in Anerkennung seiner Initiative zur Aufklärung über die NS-Diktatur mit der Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet wurde. (Adresse: Stiftung Deutsches Holocaust-Museum, Dr. Hans-Jürgen Häßler, Trierer Straße 6, 30173 Hannover) * Der »Grundrechte-Report«, der jetzt zum zwölften Male erscheint, wird dieser Tage in Stuttgart mit dem Theodor-Heuß-Preis gewürdigt. Das ist eine erfreuliche Nachricht, auch für mich, wenngleich ich nicht zu den Verehrern des ersten Bundespräsidenten gehöre, der einst als Reichstagsabgeordneter dem Ermächtigungsgesetz, also der NS-Diktatur zugestimmt hatte und der restaurativen Politik des ersten Bundeskanzlers, Konrad Adenauer, kaum ein liberales Tüpfelchen aufmalte. Aber es gab und gibt Freidemokraten, die inzwischen zur Verteidigung von Grundrechten wacker beigetragen haben: Hildegard Hamm-Brücher, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Burkhard Hirsch, auch Max Stadler. Mitte der 1990er Jahre hatte mich der damalige Vorsitzende der Humanistischen Union, Till Müller-Heidelberg, zu einer Wochenendtagung eingeladen, auf der beraten werden sollte, wie die Bürgerrechtsbewegung (von dem, was sich in Ostdeutschland unter diesem Namen geregt hatte, war schon nicht mehr viel zu spüren) unter veränderten politischen Bedingungen neue Wirksamkeit erlangen könnte. Ich schlug vor, den Verfassungsschutzberichten, in denen die Innenminister des Bundes und der Länder alljährlich beklagen, welche Gefahren dem Staate drohen, einen Bericht über die Gefahren und Verstöße, die vom Staate selbst und seinen Organen ausgehen, entgegenzustellen. Außerdem warb ich dafür, einmal auf einem Kongreß in Berlin einen Überblick zu geben, wie von den verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten immer mehr abbröckelt, teils im Alltag durch Behördenwillkür oder obrigkeitsergebene Richtersprüche, teils durch eine Gesetzgebung, die immer wieder einer vermeintlichen Sicherheit des Staates Vorrang vor der Freiheit der Bürger gibt (Notstandsgesetze, Sicherheitsgesetze, Antiterrorgesetze und so weiter). Für den »Alternativen Verfassungsschutzbericht«, der dann den Namen »Grundrechte-Report« erhielt, gab es große Zustimmung. Der Rowohlt Verlag, den ich darauf ansprach, sagte zu, und so konnte 1997 das erste Jahrbuch mit Themen wie Abhören, Abschiebehaft, Polizei-Übergriffe oder Eingriffe in die Pressefreiheit erscheinen. Herausgeber waren und blieben außer der Humanistischen Union auch die Gustav-Heinemann-Initiative, das Komitee für Grundrechte und Demokratie und der Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen. Inzwischen kamen als Mitherausgeber Pro Asyl, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein, die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, die Internationale Liga für Menschenrechte und die Neue Richtervereinigung hinzu. Ein Verlagswechsel von Rowohlt zu S.Fischer änderte nichts am Konzept. An Material hat es all die Jahre leider nie gefehlt. Ich hoffe, bei der Preisverleihungsfeier wird ein Skandal gebührend zur Sprache kommen: Der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Ossietzky-Mitherausgeber Rolf Gössner (60), inzwischen auch stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, wird seit 38 Jahren durch das Bundesamt für Verfassungsschutz geheimdienstlich beobachtet. Der Liga ist zuzustimmen, wenn sie diese Dauerüberwachung eines Bürgerrechtlers »nicht allein für einen Verfassungsbruch in Permanenz, sondern auch eine ans Lächerliche grenzende Verschwendung von Steuergeldern« hält, also einen Fall für den Rechnungshof. Übrigens: Auch der vorgeschlagene Kongreß wird nun bald stattfinden, gemeinsam veranstaltet von allen neun Herausgeber-Organisationen des »Grundrechte-Reports« am 23. und 24. Mai in der Berliner Humboldt-Universität: »Sicherheitsstaat am Ende«, Kongreß zur Zukunft der Bürgerrechte.
Erschienen in Ossietzky 7/2008 |
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