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Das – für SPD-Verhältnisse – linke Programm der Landes-SPD und ihrer Vorsitzenden Andrea Ypsilanti trug dazu bei. Bei den Wahlen in Niedersachsen und Hamburg war die SPD mit einem alten »Neue Mitte«-, also Rechts-Programm angetreten. In Niedersachsen verlor sie weitere Stimmenanteile, in Hamburg lag der Zugewinn mit plus 3,6 Prozentpunkten halb so hoch wie in Hessen. Als Kurt Beck und Andrea Ypsilanti als logische Konsequenz aus dem hessischen Wahlergebnis kundtaten, den Rechtsausleger und Wahlverlierer Roland Koch durch eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der Partei die Linke um sein Ministerpräsidentenamt bringen zu wollen, war dies der Auftakt für eine Anti-Beck-Kampagne der führenden Medien des Landes und der SPD-Rechten. Der Tenor lautet: Beck bricht sein Versprechen (nicht mit den Schmuddelkindern zu spielen). Seither schmieren die SPD und Kurt Beck in den Umfragen ab. Der Sinn der Kampagne ist offenkundig: Selbst eine bescheidene Öffnung nach links darf nicht erfolgreich sein. Und so gewähren dieselben Medien im Verbund mit den Heckenschützen Steinmeier und Steinbrück dem SPD-Chef jetzt großzügig eine letzte Chance. Am Beispiel der Bahn soll Beck seine und der SPD »Politikfähigkeit« unter Beweis stellen. Damit rückt die Bahnprivatisierung zu einem maßgeblichen Thema der Innen- und Parteipolitik und der Staatsräson auf. Das ist, von der Sache her, gerechtfertigt. Die Eisenbahnen auf deutschem Boden waren, wie fast überall auf der Welt, ein halbes Jahrhundert lang überwiegend in privatem Besitz, was extrem ineffizient, unfallträchtig und für die öffentliche Hand sündhaft teuer war. Deswegen gingen die Eisenbahnen ab 1871 Zug um Zug in öffentliches Eigentum über, und 1920 wurde die einheitliche staatliche Reichsbahn gebildet. Fast ein Jahrhundert später soll das Rad der Wirtschaftsgeschichte zurückgedreht und ein Vermögen im Gesamtwert von rund 200 Milliarden Euro privatisiert werden. Nachdem ein breit angelegter Generalangriff in Form eines Gesetzesantrags zur »Neuordnung der Eisenbahnen«, der den Verkauf der gesamten Bahn, Immobilien, Bahnhöfe und Schienennetz einschloß, wegen des breiten öffentlichen Widerstands im Parlament stecken blieb, ist jetzt geplant, die Bahn am Parlament vorbei mittels eines so genannten Holding-Modells zu privatisieren. Bei diesem Modell wird die Bahn in Infrastruktur (Netz und Bahnhöfe) und Transport (Nah-, Fern- und Schienengüterverkehr, das Lastkraftwagen- Speditionsgeschäft und die weltweite Logistik) aufgespalten. An der Transportgesellschaft sollen sich private Anleger mit zunächst 49,9 Prozent beteiligen. Womit wir wieder beim Machtkampf innerhalb der SPD angelangt sind: Öffentlich bekennende Betreiber des Holdingmodells sind Peer Steinbrück, Peter Struck und Frank-Walter Steinmeier. Im Hintergrund wirken der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (SPD), jetzt Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bahn AG und Vorstandsvorsitzender von Evonik (ehemals Ruhrkohle AG), sowie Gerhard Schröder. Der Ex-Kanzler ist bei der Operation Bahnprivatisierung offenkundig Brückenkopf russischer Kapitalinteressen. Im Gespräch ist, daß nach der Teilprivatisierung die russische Staatsbahn RZB und russische Banken Anteile an der Transport AG der Deutschen Bahn übernehmen. Derart verbandelt könnte man dann – und hier kommt die Staatsräson ins Spiel – gemeinsam die vielberufene Schienenverbindung Deutschland–Rußland–China realisieren. Im April sollen die Entscheidungen fallen – in Sachen Bahn und Beck. Die am 28. März neu eingerichtete SPD-Bahn-Kommission, deren deutliche Mehrheit sich aus Pivatisierungsbefürwortern zusammensetzt, will auf drei Treffen, in insgesamt rund zwölf Stunden Sitzungszeit, bis Ende des Monats ein Konzept vorlegen. Beck äußerte seine Gewißheit, das Ergebnis werde »sowohl in der Koalition Zustimmung finden als auch in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des SPD-Parteitags« stehen. Tatsächlich widersprechen sich Holding-Modell und SPD-Parteitag eklatant. Kurt Beck hat zwei Optionen: Er kann den Parteitagsbeschluß in Sachen Bahn einhalten und damit die Bahnprivatisierung in dieser Legislaturperiode stoppen. Oder er kann versuchen, sich als »politikfähig« und koalitionskompatibel zu erweisen. Doch dann bricht er wirklich ein Versprechen – dasjenige, das er auf dem Parteitag gab. In Hamburg beschlossen die Delegierten, daß die SPD erstens den »integrierten Konzern Bahn verteidigt« und zweitens jeden Einfluß privater Investoren auf die Bahn ablehnt. Das Holding-Modell widerspricht der erstgenannten Zielsetzung. Eine Abspaltung des Schienengüterverkehrs bedeutet eine Aufspaltung des Konzerns und einen Verlust von Synergien. Der Verkauf von Anteilen des Bundes an der Transport AG widerspricht zusätzlich der zweiten Zielsetzung. Mit ihr werden private Anleger massiven Einfluß auf den Bahntransport und im übrigen auch auf das System Schienenverekhr als Ganzes bekommen. Auf mittlere Frist trifft das auch auf das Modell der SPD-Linken um den Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer zu, eine private Beteiligung nur in Form von stimmrechtslosen Vorzugsaktien zu gestatten. Über kurz oder lang werden sich solche »Volksaktien« als Manöveriermasse großer Investoren erweisen (wie schon bei den einstigen Veba- und VW-»Volksaktien«). Eine Beschränkung solcher Anteile auf stimmrechtslose Aktien kann auf anderem Weg – siehe die Aufhebung des VW-Gesetzes durch den Europäischen Gerichtshof – ausgehebelt werden. Es spricht viel dafür, die bisher sehr erfolgreiche Kampagne gegen jede Art Bahnprivatisierung, wie sie das Bündnis »Bahn für Alle« (www.deinebahn.de und www.bahn-fuer-alle.de) vertritt, konsequent weiterzuführen. Inzwischen arbeitet für das Bündnis nicht nur der Faktor Zeit (die Bahnprivatisierung soll nicht Thema des Bundestagswahlkampfs werden), sondern auch die Finanzkrise (wenn den Heuschrecken die Spekulationsmasse entzogen wird, leiden sie an Auszehrung).
Erschienen in Ossietzky 7/2008 |
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