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Davon wird in Martin Scorseses 122 Minuten langem Streifen so gut wie nichts auch nur angedeutet. »There will be blood« (USA). Upton Sinclair – was für ein Erzähler, und obendrein einer mit Gewissen, einer der großen sozialkritischen Schriftsteller Nordamerikas – lieferte den Stoff für einen Film von Format, mit einem Schauspieler von Format, der einen gewissenlosen Mann mit größter Genauigkeit darstellt: Daniel Day-Lewis als Goldgräber Daniel Plainview, der zum millionenschweren Öl-Baron aufsteigt und dabei über Leichen geht. Ein bedeutender Film in der Regie von Paul Thomas Anderson. »Sharon« (Israel/Deutschland). Vor Jahrzehnten war Ariel Sharon nicht nur der Motor der israelischen Siedlerbewegung, sondern ein Kriegstreiber obendrein. Sehr viel später, im Jahr 2003, ließ er als israelischer Premierminister 21 Siedlungen niederreißen – eine Wandlung, die Dror Moreh in seinem Dokumentarfilm zu deuten versucht. Das mißlingt, weil er sich im wesentlichen mit einer Aneinanderreihung »sprechender Köpfe« begnügt, die Sharons politische Beweggründe zerreden. Schier unerträglich, unter anderem, die Banalitäten des Joseph Fischer oder die der Condoleezza Rice während ihres Besuches auf Sharons Farm. »Julia« (Frankreich). Hier bewahrt die Schauspielerin Tilde Swinton, die eine alkoholabhängige Frau mit Namen Julia verkörpert, ein hanebüchenes Drehbuch vor dem Desaster. Ein achtjähriger Junge wird zweimal entführt. Die erste Entführung gelingt Julia im Auftrag der entrechteten Mutter, mit der zweiten gewinnen mexikanische Gangster am Ende zwei Millionen Dollar Lösegeld und suchen das Weite. Winner takes all. Ja, ohne die Swinton und ihre grandiose Darbietung der haltlosen Trinkerin, die schließlich den Jungen liebgewinnt, wäre der Streifen (Regie Erick Zonea) keine Erwähnung wert. »Elegy« (USA). Eine Sternstunde für einen Schriftsteller, wenn einer seiner Romane derart übereinstimmend verfilmt wird wie »Das sterbende Tier« von Philip Roth – eine Glanzleistung, an der die beiden Hauptdarsteller entscheidenden Anteil haben. Ben Kingsley als alternder Literaturprofessor und Penélope Cruz als die Studentin, in die er sich verliebt, geben dem Buch eine weitere Dimension, lassen es pulsieren, das Buch lebt! Wer den Film gesehen hat und das Buch jetzt liest oder wiederliest, wird die bezaubernde Cruz, den sehr männlichen und zugleich sensiblen Kingsley vor Augen behalten und deren Leistung (wie auch die der Regisseurin Isabelle Coixet) doppelt würdigen. »Shahida – Brides of Allah« (Israel). Der Dokumentarfilm über palästinensische Selbstmordattentäterinnen, die, ehe sie ihre Anschläge verüben konnten, gefaßt und zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, ist allein schon deshalb von hohem Wert, weil sich die junge Regisseurin Natalie Assouline unvoreingenommen ihrer Aufgabe stellte. Zwei Jahre lang hat sie das Gefängnisdasein der Frauen begleitet, ihr Vertrauen gewonnen und sie in langen Gesprächen sagen lassen, was sie sagen wollten. So nur waren deren Beweggründe deutlich zu machen – was war geschehen, daß junge Palästinenserinnen, nicht wenige von ihnen Mütter kleiner Kinder, ihr Leben zu opfern bereit waren? Es ist Natalie Assoulines bleibender Verdienst, den Frauen auf eine Weise begegnet zu sein, daß sie sich offenbarten. Ein guter, aussagekräftiger Film. »Kirschblüten – Hanami« (Deutschland). Eine Fehlbesetzung beschädigt Doris Dörries an sich sehenswerten Spielfilm: Hannelore Elsner. Man glaubt ihr die kleinbürgerliche Frau aus einem bayrischen Dorf so wenig wie ihre Hingabe zur japanischen Tanzkunst und zu jenem fernöstlichen Land. Schade, denn wie nach ihrem Tod ihr Mann auf Japan reagiert (hervorragend Elmar Wepper als Rudi), überzeugt vollkommen: Ein Bayer im gleißenden Neonlichtergewühl von Tokio, aus dem er sich in die Obhut einer kleinen japanischen Straßentänzerin rettet, der er unter den Kirschblüten im Park begegnet – das ist so anrührend ins Bild gesetzt und gestaltet, man wird die väterliche Zuneigung, die er zu hegen beginnt, durchaus nachvollziehen. Auch warum er am Ende ihr (und nicht den eigenen Söhnen) seine gesamten Ersparnisse überläßt. »A Trip to Asia« (Deutschland). Ein gekonnt komponierter Dokumentarfilm über klassische Musik und die Berliner Philharmoniker mit ihrem Dirigenten Sir Simon Rattle, die auf ihrer Reise zu den Megastädten Asiens ins Bild gesetzt werden. Ihre sehr eigenen Aussagen – tiefgründig wie auch anrührend die des Orchesterleiters – alternieren mit dem, was das Kameraauge sieht, mit besonderen Bildern aus dem chinesischen, koreanischen, japanischen Alltag. Regisseur Thomas Grube beobachtet gut und hört genau hin – was diesen Film zu einem Fest für die Sinne macht. »Sag mir, wo die Schönen sind« (Deutschland). Im Jahr 89 nehmen neun junge Frauen an einem Schönheitswettbewerb in Leipzig teil – achtzehn Jahre später macht sich Gunther Scholz auf die Suche nach ihnen und bringt einen aufschlußreichen Dokumentarfilm über neun sehr unterschiedliche Lebensläufe zustande. Die Offenheit, Herzlichkeit, oft humorvolle Art der Frauen, ihre Ernsthaftigkeit auch machen den Streifen zu einem Erlebnis; und hoch anzurechnen ist dem gesamten Stab, daß die Frauen sich derart ungezwungen einbrachten. »Restless« (Israel/Deutschland). Der Drehbuchautor und Regisseur Amos Kollek, der Sohn des einstigen Oberbürgermeisters von Jerusalem, bringt zwei Männer ins Zentrum des Geschehens, deren Schicksale viel über das geistige Klima Israels vermitteln: Der Dichter Moshe verläßt das Land, weil ihn dessen ständig gefährdete Zukunft erschreckt, zwanzig Jahre später folgt ihm sein zwanzigjähriger Sohn Tzach nach New York, der sich, nachdem er wegen einer Tötung an einem Kontrollpunkt kurzfristig aus der Armee entlassen werden mußte, total aus der Bahn geworfen sieht. Nun driften beide, Israel mit Bitterkeit und Sehnsucht im Herzen, in der Fremde umher – ziellos, heimatlos, »restless«, was hier treffend mit »gehetzt« übersetzt wäre. Kolleks Film offenbart grimmige Seiten israelischer Wirklichkeit – wie auch des Asphaltdschungels von New York. »Ballast« (USA). Das von einem Highway durchschnittene Mississippi-Brachland mit einer Siedlung von barackenähnlichen Holzhäusern und Schwarzen, die hier ihr Leben fristen: trostlos allesamt. Man atmet förmlich auf beim Erscheinen jenes alten Mannes, eines Weißen, der dem schwarzen Ladenbesitzer Lawrence seine Anteilnahme bekundet und ihm Hilfe anbietet. Lawrence hat nach dem Selbstmord seines Bruders sich selbst das Leben zu nehmen versucht. Lance Hammers Film zeigt US-amerikanisches Hier und Heute mit schmalstem Silberstreif am Horizont, als sich Lawrence mit der Schwägerin Marlee zusammentut und sie gemeinsam deren zwölfjährigen Sohn auf einen Weg zu bringen versuchen, der wegführt von Drogen und Gewalt zu einem Minimum an Zukunft.
Erschienen in Ossietzky 4/2008 |
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