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Angesichts der in den vorangegangenen Beiträgen skizzierten heiklen Entwicklung der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und der »Transformation« der Bundeswehr zur postmodernen Interventionsarmee müssen wir – den unverändert gültigen Imperativ Immanuel Kants im Sinne, der anno 1798 im »Streit der Fakultäten« postulierte: »Das Recht muß nie der Politik, wohl aber die Politik jederzeit dem Rechte angepaßt werden« – den Blick auf die völker- und verfassungsrechtlichen Grundlagen richten, auf die das Militär und die Militärpolitik der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sind. Die Verfassungsgeber haben im einschlägigen Artikel 87a des Grundgesetzes lakonisch und vage formuliert: »Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben«, und sie ergänzten noch: »Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt« – eine sybillinisch anmutende Auflage, auf die ich noch zurückkommen werde. Hier ist vorerst festzuhalten, daß die Kompetenz für die Aufstellung von Streitkräften beim Bund, nicht wie bis in die Zeiten des Ersten Weltkriegs bei den Ländern liegt. Zum Zwecke der Verteidigung ist der Bund zur Aufstellung von Streitkräften berechtigt; eine zwingende Verpflichtung zur Aufstellung von Streitkräften läßt sich daraus nicht herleiten. Im Budgetrecht des Bundestages ist der Status der Bundeswehr als einer Parlamentsarmee begründet. Im Hinblick auf den bereits unter historischer Perspektive abgehandelten Mythos von der Landesverteidigung als konstitutivem Auftrag der Bundeswehr muß bei der Betrachtung des Artikels 87a des Grundgesetzes geradezu ins Auge springen, daß es dort lediglich heißt: »Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.« Nicht aber: »Der Bund stellt Streitkräfte zur Landesverteidigung auf.« Was konkret unter der Zweckbestimmung »Verteidigung« zu verstehen ist, läßt die Verfassung an dieser Stelle offen. Zur Sinndeutung wird oftmals der Artikel 115a des Grundgesetzes herangezogen, wo vom Verteidigungsfall die Rede ist. Dieser Artikel bildet zusammen mit den Artikeln 115b bis 115l den Abschnitt Xa des Grundgesetzes, wo für den speziellen Fall der Landesverteidigung – wenn nämlich, »das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht« – ein Katalog von dann zu ergreifenden Maßnahmen zusammen mit der dafür erforderlichen Kompetenzverteilung zwischen den Verfassungsorganen normiert wird: die sogenannte Notstandsverfassung. Diese wurde erst 1968 nach inner- und außerparlamentarisch lange und erbittert geführtem Kampf ins Grundgesetz eingefügt. Demnach werden im Verteidigungsfall die in Friedenszeiten geltenden Rechtsnormen außer Kraft gesetzt – ab dann gilt »Kriegsrecht«. Daraus wird ersichtlich, daß es sich bei dem in Artikel 115a bis 115l verwendeten Ausdruck Verteidigungsfall lediglich um einen spezifischen Unterbegriff des weiter gefaßten Terminus »Verteidigung«, wie er in Artikel 87a des Grundgesetzes auftaucht, handelt. Trotz seiner definitorischen Lässigkeit stellt der Verfassungsgeber zumindest anderenorts, und zwar im Artikel 26 des Grundgesetzes, klar, was er unter gar keinen Umständen unter »Verteidigung« verstanden wissen will. Dort nämlich steht unmißverständlich geschrieben: »Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.« Der Angriffskrieg jedenfalls ist der Bundeswehr demnach qua Grundgesetz kategorisch untersagt. Aber auch das Völkerrecht ächtet den Angriffskrieg, und Artikel 25 des Grundgesetzes räumt dem Völkerrecht hierzulande unumschränkte und prioritäre Geltung ein: »Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.« Diese Verfassungsnorm bindet selbstredend auch alle Angehörigen der Bundeswehr, vom einfachen Soldaten bis zum höchsten General, strikt an das Völkerrecht – und damit zugleich an das Angriffskriegsverbot. Daß Friedenswahrung und -sicherung in Europa und der Welt den fundamentalen Daseinszweck der deutschen Streitkräfte zu bilden haben, folgt wiederum aus Artikel 24 des Grundgesetzes, der festlegt, daß der »Bund ... sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen [kann]; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern«. Als Fazit dieses kursorischen Blicks ins Grundgesetz läßt sich festhalten, daß der Verteidigungsauftrag der Bundeswehr dort nicht abschließend definiert wird, sondern innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen interpretationsoffen ist. Er bleibt einerseits den Restriktionen des Völkerrechts unterworfen, andererseits entsprechend der sicherheitspolitischen Lage zu konkretisieren. Die höchstrichterliche Jurisdiktion hat die Interpretationsspielräume in der jüngeren Vergangenheit auf sehr unterschiedliche Weise ausgefüllt. Wie hier nächstens gezeigt werden soll, muß in dieser Hinsicht die seit 1994 gepflegte Urteilspraxis des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe als nachgerade verheerend bezeichnet werden, während das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit einem Urteilsspruch im Jahre 2005 außerordentliche Weisheit an den Tag gelegt hat.
Erschienen in Ossietzky 4/2008 |
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