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Damals lud er mich ein, dort über die RITA zu referieren. Ich gab ihm zu bedenken, daß diese Einladung seine Position an der Universität nicht festigen würde. Peter war das egal, »mox nix« – wie die GI‘s sagen. Einige Zeit später entledigte sich die Universität seiner, indem sie sein Fach abgeschaffte. Es störte ihn wenig, er ging seinen Weg weiter. Zum Beispiel nahm er den (inzwischen ausgebooteten) australischen Justizministers Ruddock, der in der Universität einen Vortrag halten wollte, als Kriegsverbrecher fest; denn so ist die Rechtslage: Siehst Du jemanden, der ein Verbrechen begeht, und ist kein Polizist in der Nähe, so kannst Du als Bürger ihn festnehmen. Aber Ruddock wurde daraufhin nicht eingesperrt, sondern McGregor wegen unerlaubter Anwesenheit angeklagt. Die daraus folgenden Schwierigkeiten überlebte er, aber sein Gesundheitszustand verschlechterte sich so, daß Peter sich jetzt entschloß, genug sei genug. Die Trauerfeier gestern war nicht traurig. Viele lernten über diesen australischen Linken etwas, was sie vorher nicht gewußt hatten, etwas über seine Kämpfe, seine Siege. Mir fiel wieder auf, wie wenig wir Linken unsere vielen Siege wahrnehmen oder wie schnell wir sie vergessen. Die Geschichtsschreibung bleibt den anderen, den Rechten, überlassen. Kaum einer der Anwesenden wußte, daß Peter McGregor auch die US-amerikanische RITA unterstützt hatte. Ja, wie war das damals in Frankreich? Am 19. Dezember 1966 kam ein etwas verwahrloster Amerikaner, Gregory Graham, in Paris bei uns an. Wir – das war PACS, das Pariser Amerikanische Komitee zum Stop des Vietnamkrieges. Graham teilte uns mit, daß er auch gegen diesen Krieg war. Man hatte ihm als GI-Benzintankfahrer erklärt, daß er beim Überfahren einer Vietcong-Mine seinen brennenden Wagen überleben würde – drei oder vier Tage. Diese Vorstellung mißfiel ihm. Er setzte sich von der US-Armee ab. Nun wollte der Amerikaner von uns wissen, ob wir unsere Anti-Kriegs-Ideen auch praktisch umsetzten oder sie nur diskutierten. Beides gab es. Manche von uns waren ängstlich oder unentschlossen. Alle waren bereit, Kriegsdienstverweigerer zu unterstützen, aber einen Soldaten? Einen Freiwilligen wie Graham, der sich an seinem 17. Geburtstag zur Armee gemeldet hatte? Für ihn war die Armee der schnellste Weg gewesen, um aus dem Waisenhaus in Waco (Texas) herauszukommen, in dem er seit seinem sechsten Lebensjahr gelebt hatte. Als der Soldat erwähnte, daß er schon mehr als einen Tag nichts gegessen habe, nahm ich ihn mit nach Hause, wo er den Kühlschrank leer aß. Dann verschafften wir ihm, nach einem mißglückten Versuch bei einer kommunistischen Stadtverwaltung, eine Stelle in einer psychiatrischen Klinik in der Provinz, wo er alternativ als Hilfsarbeiter oder Patient eingetragen wurde – je nachdem, wer gerade inspizierte. Problem gelöst – dachten wir und machten keine Reklame für solche Hilfeleistung. Doch schon eine Woche später erschien ein junges Paar und sagte: »Wir hören, ihr nehmt amerikanische Deserteure auf.« Wir verneinten: Es sei doch rechtswidrig, Desertion zu unterstützen und zu ermutigen. »Nein, nein, wir sind nicht von der Polizei. Aber wir beherbergen zwei, seit einem Monat, und wir haben nur zwei Zimmer, bitte, helft!« Da waren es drei. Kurz danach sieben. Manche von uns jubelten: »Die US-Army fällt auseinander.« Da hatten wir damals, Anfang 1967, schon recht. Aber das Jubeln wurde verhaltener, als die Zahl der meist aus der Bundesrepublik Deutschland kommenden US-Soldaten stieg ... und stieg ... und wir eine schlechte Angewohnheit dieser Soldaten wahrnahmen: Sie wollten essen, zweimal am Tag. Zunehmend gerieten wir in Schwierigkeiten und versuchten daher, die Soldaten auf eine Hauptmahlzeit pro Tag umzustellen. Erfolglos, unsere Bemühungen stießen auf Widerstand. Resistance. Marx und Olaf Palme sei Dank, daß ab Oktober 1967 Schweden geöffnet wurde. Dort bekamen die ankommenden GI's 20 Dollar pro Woche Sozialhilfe. Das entlastete unsere Pariser Unterstützergruppe etwas. In Frankreich erteilte de Gaulles Regierung zwar Aufenthaltsgenehmigungen, gab aber kein Geld. Frankreich ist ein freies Land, Arme und Reiche dürfen (manchmal) unter den Brücken schlafen. Später erfand Gefreiter Dick Perrin das Akronym RITA, das für Resistance, Resister, Resist in the army steht. Viele der anfangs oft kaum politisierten Soldaten wurden Resisters und gaben die Zeitung RITA’s ACT heraus, zuerst in Paris, später in Heidelberg. Andere Zeitungen und andere RITA-Gruppen kamen hinzu – viele, überall, in Vietnam, in den USA, in Japan. Bis zum Ende des Vietnamkrieges waren es etwa 400 (von denen wir wissen, sicher waren es mehr). Wer erinnert sich noch? Wer schreibt die Geschichte? Leider nicht wir, die Gewinner.
RITA gibt es auch heute noch, nicht nur in der US-Army, sondern zum Beispiel auch in Israel. Ihre Zeitung heißt GI Special und ist über thomasfbarton@earthlink.net zu beziehen. Unser Autor hat selber zur Geschichtsschreibung beigetragen: Max Watts: »US Armee – Europe: Von der Desertion zum Widerstand in der Kaserne oder wie die U-Bahn zur RITA fuhr«, Harald Kater Verlag Berlin, Görlitzer Straße 39, harald.kater@goerl39.de)
Erschienen in Ossietzky 3/2008 |
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