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Sie verlangt, daß immer mehr privatisiert wird. Immer schneller. Und kein Land zeigt so eifrigen Glaubensgehorsam wie die Bundesrepublik Deutschland. Sofort meldete sie sich bereit, als Brüssel forderte, das staatliche Monopol für den Briefverkehr aufzugeben. Wie selbstverständlich stellten unsere regierenden Politiker die Weichen, um die Bahn an die Börse zu bringen. Auch die staatlichen und die kommunalen Krankenhäuser müssen unbedingt privatisiert werden, ihr Hauptzweck wird dann, möglichst viel Profit abzuwerfen. Zum 1. Januar 2008 verscherbelte die Landesbank Baden-Württemberg für 42 Millionen Euro das Herzzentrum in Lahr (größter Arbeitgeber des Ortes) an die Mediclin AG, die zugleich auch die Aktienmehrheit an der Kraichgau-Klinik AG übernahm. Nun ist Stellenabbau zu erwarten. Im gleichen Bundesland werden in den nächsten Monaten die bisher für den Staat gewinnbringenden Notariate privatisiert, und mit den Stimmen von CDU und FDP billigte der Stuttgarter Landtag die Privatisierung der Bewährungshilfe für (vorerst) zehn Jahre. Jetzt befassen sich die beiden Parteien mit Plänen, die Jugendgerichtshilfe und die Aufgaben der Gerichtsvollzieher in private Hände zu geben. Eine Firma aus Hessen wird ab 2009 für den Betrieb der Justizvollzugsanstalt Offenburg zuständig sein, zum Beispiel für Verpflegung, Verwaltung, medizinische Betreuung. Wie durch Baden-Württemberg rollt die Privatisierungswelle auch durch die anderen Bundesländer. Kommunale Wasserwerke werden verkauft, Verkehrsbetriebe, die Stadtreinigung. Daß Privatschulen, die wegen der hohen Gebühren zumeist nur von den Kindern Wohlhabender besucht werden können, zusätzlich vom Staat finanziell unterstützt werden, ist absurd, aber schon seit langem Usus. Die preisgünstigsten verlangen pro Monat für jeden Schüler 300 Euro Gebühren, und kürzlich forderten ihre Sprecher, daß der Staat ihnen ebenso viel zahlt wie seinen eigenen Schulen. In manchen Orten ist sogar schon eine Art Privatisierung öffentlicher Plätze im Gespräch. Sie sollen zum Beispiel an Gaststätten in Erbpacht vermietet werden. Die könnten sie dann einzäunen und Tische aufstellen, so daß sich hier nur noch hinsetzen darf, der etwas zum Verzehr bestellt. Der Wahn grassiert nicht nur in Deutschland, er ist weltweit verbreitet. In der britischen Stadt East Riding startete die Bertelsmann-Firma Arvato ein Pilotprojekt: Wichtige städtische Aufgaben werden von dieser deutschen Firma erledigt. Sie ist unter anderem für die Auszahlung der Sozialleistungen zuständig und treibt die kommunalen Steuern ein. Nächstes Arvato-Projekt ist die Verwaltung der deutschen Stadt Würzburg. In Südamerika werden den Eingeborenen weiterhin ihre Länder weggenommen und Privatfirmen zur Ausbeutung übergeben. Noch bevor die USA den Irak erobert hatten, ordnete der US-Zivilverwalter Paul Bremer die vollständige Öffnung des Landes für westliche Firmen und die Privatisierung staatlicher Unternehmen an. Selbst Naturkatastrophen dienen den Zwecken der Neoliberalen und Globalisierer. Nach der Verwüstung südostasiatischer Küstengebiete durch den Tsunami kauften westliche Konzerne für billiges Geld staatliche Landstriche in den betroffenen Gebieten, um dort Luxushotels zu errichten. Nachdem der Hurrikan »Kathrina« die US-Golfküste verwüstet hatte, fehlte der Bush-Regierung das Geld für den Wiederaufbau der Schulen (sie braucht es für ihre Eroberungskriege); deswegen überließ sie diese Aufgabe großzügig privaten Investoren. Aber es ist nicht selbstverständlich, daß die Menschen ruhig zusehen, wenn das, was ihre Eltern und Großeltern für die Gesellschaft erarbeitet haben, einfach entwendet wird, damit Milliardäre zu Multimilliardären werden. Auch im Land der wegen Obrigkeitsfrömmigkeit verrufenen Deutschen formiert sich in etlichen Städten Widerstand, obwohl die Monopolpresse ihn zumeist kleinredet oder totschweigt. Erste Erfolge sind schon zu verzeichnen. So hat ein Bürgerentscheid in Freiburg/Breisgau im vergangenen Jahr verhindert, daß der grüne Oberbürgermeister Salomon und die schwarz-grüne Stadtratsmehrheit Hunderte von städtischen Wohnungen verkauften – ein Beispiel, das anderen Bürgerinitiativen, zum Beispiel in Leipzig, Auftrieb gibt. Sogar Bundesjustizministerin Zypries hat Anfang dieses Jahres zwar spät, aber immerhin erkannt, daß nach einer Privatisierung oftmals die Arbeitsverhältnisse sich verschlechtern, die Preise steigen und die Bürger mehr Zeit aufwenden müssen. Aber bis aus solcher Einsicht politische Konsequenzen gezogen werden, bedarf es noch kräftigen Engagements vieler Bürgerinnen und Bürger.
Erschienen in Ossietzky 2/2008 |
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