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Währenddessen diktierte der Korse, der auch den russischen Zaren für seine Pläne gewinnen konnte, die Friedensregelungen. Ziel war, Frankreich zur führenden Kraft in Europa werden zu lassen, England in seiner Inselposition festzusetzen und Preußen wie Österreich nur noch als schwache Partner an der angestrebten Neuordnung Europas zu beteiligen. Preußen wurde um rund die Hälfte seiner Fläche verkleinert, große Teile der Bevölkerung gerieten außerhalb der preußischen Grenzen und wurden Bürger umliegender, teilweise völlig neu gegründeter, von Mitgliedern des Bonaparte-Clans geführter Staaten. Der Frieden von Tilsit führte – trotz der sicherlich intensiven, zugleich aber auch diplomatisch hilflosen Bemühungen der Königin Luise um Milderung der Bedingungen Napoleons – zum Fast-Zusammenbruch Preußens nach nur hundert Jahren seines Bestehens. Erst Ende 1809 zeigten sich die Franzosen bereit, das Königspaar nach Berlin zurückkehren zu lassen. Der Einzug der gesamten Familie gestaltete sich zu einem Triumph besonders für die inzwischen zu einer vaterländischen Vorbildfigur entwickelte Luise. Sie stand im Mittelpunkt, als in dem vor den Toren der Hauptstadt gelegenen Dorf Weißensee, wo der Magistrat von Berlin ein Frühstück vorbereitet hatte, nicht dem Hohenzollern Friedrich Wilhelm III (»Unser Dämel sitzt in Memel«, war er in den Straßen der Residenz verspottet worden), sondern der zu einer Lichtgestalt des Widerstandes gegen Napoleon verklärten mecklenburgischen Prinzessin eine Galakutsche übereignet wurde. Diese Szene ist seitdem oft geschildert worden, vielfach als Beweis der Liebe des Volkes für die schöne, noch junge Königin. Die damaligen Zeitungen berichteten auch ausführlich über die Ausstattung des Gefährts, das innen wie außen mit der Lieblingsfarbe der Monarchin, Lila, geschmückt worden war, und über die an seiner Herstellung beteiligten Personen. Genannt wurden der Sattler Kolbe, der Lackierer Knecht, Hofriemermeister Richter, der das Paradegeschirr gefertigt hatte, sowie Juwelier Lebrun, von dem die vielfältigen Ziselierarbeiten aus massivem Silber stammten. Alle Metallbeschläge, auch die Kutschfedern, Bänder und Schrauben, waren mit Silber plattiert worden. Kurz vor der Abfahrt zur letzten Wegstrecke nach Berlin reichte eine der anwesenden Bürgertöchter, Demoiselle Weltz, ein Körbchen mit frischen Blumen, die der Stadtverordnete und botanische Gärtner Bouché gespendet hatte, in die Kutsche; es wurde von den Insassen wohlgefällig angenommen. Lange Zeit wurde über die Kosten gerätselt und mehr noch über die Quellen, die es dem Lande Preußen trotz der erlittenen Besatzung, trotz der ihm auferlegten Kriegskontribution in Höhe von mehr als 100.000 Franken und trotz der ökonomischen Schwächung durch die Reduzierung des Staatsgebietes ermöglichten, ein so königliches Geschenk zu finanzieren. Hundert Jahre später kam ans Licht, was der Berliner Stadtarchivar Clauswitz herausgefunden hatte: Die Aufwendungen für den Kutschwagen (3303 Taler), dazu die Montur für Kutscher und Reitknecht (51 Taler) und das silberbeschlagene Pferdegeschirr (2794 Taler) wurden ebenso wie die 50 Taler Honorar für den berühmten Architekten Schinkel, der die Karosse entworfen hatte, sowie die Kosten für ein der Königin gewidmetes Gedicht (die Verse selbst kosteten nichts, aber allein das Blatt dafür nicht weniger als 58 Taler), wurden aus einem Titel gedeckt, den die Berliner im Jahre 1806 durch eine Sammlung für einen ganz anderen Zweck aufgebracht hatten: rund 10.000 Taler, mit denen die Armee für ihren Feldzug gegen Frankreich mit neuen warmen Mänteln und Überknöpfhosen ausgestattet werden sollte. Das Ergebnis der Schlacht bei Jena und Auerstedt hatte diesen Zweck entfallen lassen, und so war das Geld, das trotz des Geldhungers der Sieger alle Kriegsereignisse überstanden hatte, auf einer fiskalischen Warteposition gelandet. Nun jedoch wurde mit Zustimmung des Oberpräsidenten aus Hosen und Mänteln eine prächtige Kutsche. Und das an diesem Tage in dem schönen Haus an Weißen See gereichte Frühstück wurde ebenfalls aus diesem Fonds finanziert. Heute würde man sowas Rüstungskonversion nennen. Und Luxusgüter für die Herrschenden wären immer noch erträglicher fürs Volk als alles, was der Kriegsvorbereitung dient. Nur, wir haben keine Königin, die ein Geschenk zutiefst gerührt entgegennehmen könnte. Das ist wohl der Grund dafür, daß wir bis auf Weiteres auf solche Konversion werden verzichten müssen. Es sei denn, wir folgten Anne Riegers Vorschlägen in Ossietzky 16/07, uns selber zu beschenken (300 Kindergärten mit je 30 Plätzen statt einer Korvette, beispielsweise).
Erschienen in Ossietzky 25/2007 |
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