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Ähnlich kritisch urteilt er über den Büchnerpreisträger von 2007: »Das hätte auch ein Martin Mosebach nicht verschwurbelter ausdrücken können.« Das Lexikon meldet: schwurbeln steht für »sich unklar, unkonkret artikulieren, Unsinn reden, es geht zurück aufs mittelhochdeutsche schwirbeln, d. h. sich wirbelnd bewegen, im Kreis drehen«. Offensichtlich passiert das nicht nur im Körper, sondern auch im Kopf. Aber Leute, die ihre sieben Sinne noch beisammen haben, registrieren den geballten Unsinn aufmerksam mit Hilfe des Mehrzweckwortes. So die taz am 25. Juli /07 in einer perfekt passenden Überschrift: »Des Kaisers neues Geschwurbel – Der Dalai Lama rhabarbert sich zurzeit mit seinen Platitüden durch Deutschland«. Dennoch mochte Bundeskanzlerin Merkel nicht darauf verzichten, später den heiligen Herrn im Kanzleramt zu empfangen, die beiden haben offenbar innig miteinander geschwurbelt, egal, welche Disharmonien das Treffen im Verhältnis zu China nach sich zog. Weniger folgenschwer ist das Geschwurbel der Feuilletons zum Comedian Oliver Pocher, das der Spiegel in der Nr. 47/07 etwas verblüfft feststellt. Im selben Heft auf Seite 170 warnt das Magazin vor falsch angewendeten gymnastischen Übungen, die, unter dem Namen Pilates zusammengefaßt, sich großer Beliebtheit erfreuen, doch oft mehr schaden als nutzen können. Deshalb steht im Spiegel einiges zur »etwas verschwurbelten Philosophie des Vorturners Pilates«. Der stern merkt im Oktober 07 zu Eva Herman an, das sei »Geschwurbel und Schlimmeres«. Nicht nur in der Presse, auch im Fernsehen macht das Modewort Karriere, zum Beispiel in der Sendung Monitor vom 31. Juli 07: »Nun sind sie da, die deutschen Soldaten im Leichensack. Es ist Krieg in Afghanistan, auch im Norden, wo die Bundeswehr stationiert ist. Vor kurzem starben drei deutsche Soldaten bei einem Selbstmordanschlag. Das ›Verschwurbeln‹ und ›Schönreden‹ der wirklichen Lage vor Ort geht weiter. Wir sollen weiter glauben, daß die deutschen Soldaten so eine Art Entwicklungshelfer oder Sozialarbeiter in Uniform sind. Klarheit über diesen Auslandseinsatz will weder die Regierung noch die militärische Führung schaffen. Und in der SPD-Fraktion gab es einen Maulkorb-Erlaß für Kritiker.« Geht es um Leben und Tod, wird die Methode Verschwurbeln unerträglich, ja ein Verbrechen, doch die Politik bedient sich ihrer oft und gern quer durch sämtliche Ressorts. Da kann die Philosophie nicht zurückstehen, wie der Freitag bereits am 12. Mai 2000 unter dem genau gezielten Titel konstatierte: »Schwurbel – Sloterdijk in Karlruhe«. Soweit ich es übersehe, war das die früheste, maßgeschneiderte Anwendung des vielfältig nutzbaren Wortes. In dem Artikel stand der Satz: »Sloterdijk … nahm in der üblichen Wolkigkeit Plato, Heidegger und Nietzsche für sich in Anspruch.« Wolkig ist kommensurabel mit verschwurbelt. So, und nun zeigt sich das Vertrackte der favorisierten Vokabel. Wird sie auf Leute angewendet, die einem nicht sympathisch sind, findet man das vortrefflich. Wie aber, wenn es die Falschen erwischt? Statt Freude ein Faustschlag. Beispiele dafür präsentiert Stephan Wackwitz in der FAS vom 20. Mai 07, dort ist zu lesen von der »linksbürgerlichen Schwurbelliteratur Erich Frieds, Alfred Anderschs oder Peter Paul Zahls«. Zugegeben, über Geschmack läßt sich nicht streiten, jedoch über Charakter. Wackwitz vollbringt im sonntäglichen Blatt einen veritablen, selbstironischen, stilistisch versierten Kotau, schreiben kann dieser Doktor der Philosophie. 1952 in Stuttgart geboren ist er nach bürgerlichen Maßstäben mit einer schweren Jugendsünde belastet: Er gehörte dem DKP-nahen Marxistischen Studentenbund Spartakus an. Um diese »Scharte« auszuwetzen, muß er das Messer wetzen und gegen ihm früher intellektuell verbundene Autoren richten. Neben den drei oben genannten werden noch Heinrich Mann und Bertolt Brecht wegen von ihnen verfaßter »blödester Stalin-Elogen« geschlachtet. Da hilft dem armen BB auch nicht, daß er nach dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 Josef Wissarionowitsch »verdienter Mörder des Volkes« nannte. Heinrich Mann, 1950 verstorben, konnte seine Meinung über Stalin nicht mehr korrigieren. Hätte wohl auch alles nichts genutzt, Wackwitz will seine Vergangenheit auslöschen, da hat der fleißige Autor viel zu tun. Am 9. April 2003 schrieb er in der taz eine verständige, geradezu liebevolle Rezension über Rudi Dutschkes Buch »Jeder hat sein Leben ganz zu leben – Die Tagebücher 1963–1979«. Weiß das die FAS nicht, oder hat sie dem bußfertigen,radikal gewendeten Wackwitz bereits verziehen? Der gescholtene deutsch-jüdische Dichter Erich Fried muß so etwas vorausgeahnt haben, wie dieses kurze Gedicht von 1977 verrät: Steigerungsstufen für Aufsteiger Arsch- Arsch- Arsch-
Erschienen in Ossietzky 25/2007 |
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