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Nach ökonomisch leidvollen Erfahrungen mit dem MÄRZ Verlag wollten wir dieses Mal alles besser machen: den Text erst erzählen, wenn die Subskribenten bezahlt haben, und kein Lager mehr aufbauen. Das hat bis heute funktioniert, jetzt haben wir die stolze Zahl von 50 Folgen erreicht. Und wir sind in Deutschland vermutlich die einzigen nicht marktkonformen Autoren, die von ihrer Arbeit ohne Preis- und Ehrensoldschnorrereien, Antichambrieren bei Institutionen oder andere entwürdigende Aktivitäten leben können – im Rahmen nobler Bescheidenheit, versteht sich.« Gut gebrüllt, Löwin und Löwe, das ist ein gewagter Weg. Wir sind von Anbeginn Sympathisanten. Und vorher auch schon. Das waren die 60er Jahre. Inzwischen lassen wir den beiden die Ossietzky-Hefte zukommen, und bei uns trifft jedes Exemplar von Schröder erzählt zuverlässig ein, handschriftlich signiert als Nr. 100. In der 50. Folge wird Klassenkampf en miniature angekündigt. Über das gegängelte Supermarktpersonal heißt es: »Es wird nicht mehr lange dauern, bis eine Kassiererin mal durchknallt und einen … Wüterich mit der Stangensalami erledigt.« Auf Seite 63 sind wir im Jahr 1964, Bernward Vesper und Gudrun Ensslin geben die Anthologie »Gegen den Tod – Stimmen deutscher Schriftsteller gegen die Atombombe«heraus. Irgendwo hier im Haus müssen noch Autorenexemplare dem aufgeschobenen Atomkrieg entgegendämmern. Schröders wilde Kulturjagd, nachmals Schröder & Kalender, also Jörg und Barbarabeschicken und notierendie westdeutsche Underground-Geschichte aus radikal subjektiver Perspektive. Die Mischung von Genie & Geschwätz ist von Fall zu Fall entweder Dynamit oder Knallfrosch, zum Beispiel » … der alte Frundsberger Grass« oder »Helmut Markwort, Chefredakteur des linksradikalen Wochenmagazins Focus …« Warum auch nicht linksradikal, wenn jeden selben Montag im Spiegel Augstein selbstgemordet wird wie Ulrike Meinhof. »War der Verleger Joseph Kaspar Witsch ein CIA-Agent?« fragt Jörg auf Seite 34 scheinheilig und verrät: »Ich weiß das alles so genau, weil ich von 1962 bis 1965 Werbeleiter im Hause Kiepenheuer und Witsch war.« Ich weiß das auch genau, denn seit der Kölner Zeit kennen wir uns. Vor Witsch warnte mich damals Hans Mayer, und Witsch warnte mich vor Mayer. Beide kannten sich aus Jugendzeiten. Wer war US-, wer SU-Agent? Jörg Schröder startete später seine Karriere als Verleger und schoß eben die 50. Folge seiner märchenhaft polemischen »Schwarzen Serie« in den eifrig wabernden Kulturraum, wo das offizielle Heroentum noch nicht mal zum Karnevalsauftritt reicht. Jörg Schröder ist Berliner, Jahrgang 1938, Westgänger und Kulturimporteur aus den USA der Antivietnamkriegsjahre, Avantgardist und Sammler einer Schar irrer Poeten, die zwischen Hungertuch und Bestsellerei herumwankten. Trotz Pleite und Herzinfarkt steht der verbale Kaskadeur jeden zweiten Tag verjüngt wieder auf. Wie viele Infarkte verkraftet der Mensch? Gregor Gysi brachte es auf drei Stück, ich hatte einen und erfuhr im Krankenhaus, es war mein zweiter. Jörg dreht beim Telefonieren auf, als steuere er seinen 77sten an. Die Infarkt-Brigade zieht dennoch ihres Weges. Man hat ein Ziel. Aber welches? Bei Jörg Schröder weiß ich ebenso wie bei Otto Köhler: Sie sind unfähig zum kleinsten Kompromiß mit Nazi-Deutschland samt seinen Folgen. Auf beide ist Verlaß. Ein Fall für Raritätensammler. Die Begleitumstände dieses Lebens mit Olympia Press und März-Verlag sind bereits ins Marbacher Literatur-Archiv eingeordnet – Rückblick auf die Antike der 68er, die den fatalen Ausweg in die brave Karriere scheuen und eine Kultur des aufrechten Ganges versuchen. Bis zum letzten Atemzug. Und wenn ganz Deutschland in der kopflosen Einigkeit des Gedächtnisverlustes erstarrt. Das ist noch nicht alles. In unserem über ein Halbjahrhundert gewucherten Dschungel-Archiv findet sich ein Bündel Notizen zu gemeinsamen Aktionen, und weil die Großmäuler des Kapitals zusammen mit ihren PC-Kulis die Jagd auf die 68er so fleißig betreiben, wie sie ihre Nazi-Eliten plus Bagage lebenslang beschützt haben, erheben wir uns von den Stühlen zum Salut auf 1968. Da vom »alten Frundsberger Grass« die Rede war, sprechen wir vom jungen Wehrmachtssoldaten Ratzinger, den der Danziger laut eigener Erinnerung im Kriegsgefangenenlager traf. Es begegnen sich eben immer die richtigen Leute. Ratzinger nun, in Benedikt umgetauft, stufte kürzlich die Protestanten zur Nichtkirche hinab und erledigt in seiner neuesten Enzyklika »Gerettet auf die Hoffnung hin – spe salvi« die notorischen Kirchenfeinde Francis Bacon, Marx, Lenin, Adorno, Horkheimer. Ob er auch Bloch niedermacht, können wir nicht beurteilen, denn wir lasen gestern aus der 64 Seiten umfassenden päpstlichen Philippika nur einen Auszug, den das vatikanische Amtsblatt FAZ seinen Gläubigen und Gläubigern präsentierte. So erlauben wir uns, der Vollständigkeit halber auf unser Buch »Sklavensprache und Revolte – Der Bloch-Kreis und seine Feinde in Ost und West« zu verweisen, wo wir Ratzinger, heute Benedikt, aus seiner Tübinger Zeit zitieren, zum Beispiel: »Ernst Bloch lehrte nun in Tübingen und machte Heidegger als einen kleinen Bourgeois verächtlich.« Offensichtlich eine Todsünde. Die mit dem ehemaligen Leipziger Philosophen Bloch verbundene »marxistische Versuchung«, die der Theologe spürte, verdeutlicht, weshalb Ratzinger den Kampf für sein von »existentialistischer Reduktion bedrohtes Christentum« aufnehmen mußte. Am Anfang aber standen wie bei Jörg Schröder die verdammten revolutionären 68er, deretwegen und wegen Bloch der verstörte Professor Ratzinger von Tübingen bis nach Rom entwich, von wo aus er nun, ganz schwarzer Fundi, selbst die eigenen Gläubigen ins Fegefeuer schicken will. (Eine Lösung für die schwierige irdische Energiefrage ist das aber auch nicht.) Die »Schwarze Serie« von »Schröder erzählt« erscheint im März im Desktop-Verlag, Wexstraße 29, 10715 Berlin; e-mail maerz-verlag@t-online.de Kontext:
Erschienen in Ossietzky 25/2007 |
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