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Nun ist ihnen die Ursache dafür glücklicherweise wieder einmal erklärt worden – von einem unserer liebenswertesten Zeitgenossen, dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Günther Oettinger (CDU). In der Sendung »Maybrit Illner« im ZDF benannte er in einem heftigen Disput mit der stellvertretenden Vorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping, eindrucksvoll den Grund für diese Ungleichbehandlung und erläuterte ihn mit bestechender Logik. »Warum haben wir denn im Osten geringere Renten?«, fragte er und gab sogleich die Antwort: »Weil Ihre Vorfahren in Ihrer Partei die DDR an die Wand gefahren haben ... So war für die Rente der Arbeitnehmer in der alten DDR keine Mark da, und im Grunde bezahlen alle deutschen Steuerzahler die Ostrenten im starken Maße mit.« Da die klug argumentierende linke Gesprächspartnerin in dieser und auch in anderen Fragen nicht seine einzig richtige Meinung vertrat, wies er die 29-Jährige steif und hölzern wie stets, aber mit haßerfüllter Stimme in die Schranken: »Einer führenden Frau der Linken, der PDS, der SED sollte man das Recht absprechen, uns zu raten, wie man Rente finanziert! [...] Ein Sozialdemokrat hat das Recht. Eine SED-Nachfolgefrau hat das Recht nicht!« Dieses Recht, das sagte er allerdings nicht, räumte er in seiner politischen Karriere lieber solchen nazi-geprägten Experten wie Hans Filbinger, einem seiner Amtsvorgänger, ein. Oettingers knappe, einfache und falsche Argumentation in Sachen Altersvorsorge suggeriert, daß es in der Bundesrepublik eine Rentenkasse gab, in die die Bürger der Alt-BRD jahrzehntelang eingezahlt und Riesensummen angesammelt haben, um im Alter daraus ihre Rente zu beziehen. Dabei weiß der Ministerpräsident sehr wohl, daß der Rente seit Bismarcks Zeiten ein Umlageverfahren zugrunde liegt, und die Beiträge der jeweils arbeitenden Generationen die Rente für die Alten sichern. Schließlich hat er schon vor Jahren langfristig das Ende dieses Generationenvertrages gefordert: »In 15 bis 20 Jahren halte ich eine grundlegende Umstellung für denkbar, so daß die Jungen nicht mehr in die Rentenkasse einbezahlen, sondern für sich selbst Rücklagen aufbauen.« Geradezu kurios ist Oettingers Behauptung, daß »in der alten DDR keine Mark« dagewesen sei. Mittlerweile müßte es sich doch auch bis zu seinem Amtssitz in der prachtvollen Stuttgarter Villa Reitzenstein herumgesprochen haben, daß die Pro-Kopf-Verschuldung der DDR-Bürger zum Zeitpunkt des Anschlusses wesentlich geringer war als die der Bundesbürger. Aber solche unwichtigen Details interessieren dort ebensowenig wie im Berliner Kanzleramt. Bei einem wertkonservativen CDU-Politiker wie Oettinger, der den »furchtbaren Juristen« Filbinger von seinen verbrecherischen Taten in der Nazizeit freisprach und ihn posthum als Gegner des NS-Regimes glorifizierte, einem würdigen Filbinger-Nachfolger also, der schon mal die erste Strophe des Deutschlandliedes singt und dessen Landesregierung symbolisch 100.000 Euro als Anzahlung für das »Zentrum gegen Vertreibung« in Berlin gespendet hat, verwundert es nicht, wenn er die DDR und ihre Ex-Bürger diffamiert und mit frechen Lügen auf Dummenfang geht. Nachdenklicher stimmt es schon, daß ein Teil des Publikums der ZDF-Talkshow ihm für seinen Rentenschwindel starken Beifall spendete. Die Mär von dem in Jahrzehnten in der Bundesrepublik einst prall gefüllten Rententopf, in den die Ostdeutschen mit gierigen Händen griffen, ist noch immer weit verbreitet. Dieser Irrglaube findet seine schöne Ergänzung in der regierungsamtlichen Behauptung, daß der Rentenpunkt Ost aus dem Grunde niedriger als der westdeutsche sei, weil zwischen Elbe und Oder die Produktivität geringer sei als zwischen Elbe und Rhein. Die bekanntlich geistig schwerfälligen Ostdeutschen bestreiten diese Argumentation, obwohl sie doch wissen müßten, daß der Rentenpunkt West deshalb einheitlich ist, weil eben die Produktivität auf den einsamen nordfriesischen Inseln und in den unterentwickelten Orten des Frankenwaldes genauso hoch ist wie in München oder in Oettingers Landeshauptstadt Stuttgart. Eigentlich wäre das einmal ein interessantes Thema für »Maybrit Illner«. Aber bitte ohne Lügenbolde.
Erschienen in Ossietzky 25/2007 |
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