Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Wie Rußland gewählt hatSergej Guk Die Nachricht über die Erhöhung der Altersrente kam exakt am 1. Dezember, einen Tag vor der Duma-Wahl. Der Zeitpunkt war natürlich rein zufällig. Doch es wird immer Neider geben, die die feierliche Stimmung grob verderben. Einige Zeitungen veröffentlichten prompt Berechnungen unabhängiger Experten, die belegten: Die staatliche Gabe von 300 Rubel – wofür man heute etwa zwei Kilo mittelmäßiges Fleisch oder etwas mehr als ein Kilo Käse kaufen kann – wird schon im Laufe des Jahres 2008 von der Inflation restlos aufgefressen werden. Und der KP-Vorsitzende Gennadij Sjuganow verhöhnte im Fernsehen die Großzügigkeit der Exekutive: Die Verpflegung eines Kriminellen im Knast lasse sich der Staat 6200 Rubel monatlich kosten – doppelt so viel wie das durchschnittliche Altersgeld. Der Sieg der Partei »Einiges Rußland« war seit langem vorausgesagt. Trotzdem äußerte Wladimir Putin, der sich der Partei persönlich als Galionsfigur angeboten hatte, bei jedem öffentlichen Auftritt größer werdende Unruhe – als wäre der Kreml von mächtigen Feinden umlagert. Er nannte sie nicht namentlich, machte nur Anspielungen auf Kommunisten, Oligarchen sowie anonyme prowestliche, vom Ausland finanzierte Kräfte. Nur einmal wurde das Staatsoberhaupt deutlicher, als er in der sibirischen Stadt Krasnojarsk mit Bauarbeitern sprach: »Einiges Rußland« sei eine Partei »ohne beständige Ideologie und ohne Prinzipien, für welche sich die überwiegende Mehrheit der Parteimitglieder einzusetzen bereit wäre«. Dabei brandmarkte er die eigennützigen »Hochstapler«, die in die Partei eingedrungen seien. Nach diesem vernichtenden Urteil kam die berechtigte Frage, warum er denn sein Schicksal mit solchem Sumpf verbinde. Die lakonische Antwort: »Weil es bei uns nichts Besseres gibt.« Der Vorsitzende der zentralen Wahlkommission, Wladimir Tschurow, versprach der Presse, seinen Spitzbart abzuschneiden, sollte es in Rußland zu irgendwelchen schwerwiegenden Verletzungen der Wahlgesetze kommen. Jetzt wird dem Unvorsichtigen von bösen Zungen empfohlen, sich den ganzen Kopf zu rasieren. Warum? Ich nenne nur einzelne Vorfälle. Wie schwer sie wiegen, sollen die Ossietzky-Leser beurteilen. Die Zeitung Moskowskij Komsomolez berichtete, alle Gouverneure hätten von ganz oben die Mitteilung erhalten: Wenn »Einiges Rußland« in einer Region weniger als 60 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalte, könne der verantwortliche Gouverneur den Hut nehmen. Ob das stimmt oder nicht, weiß ich nicht definitiv. Aber es war unübersehbar, wie die machthabenden Knechtseelen in einen Wettbewerb traten, wer sich am eifrigsten anbiederte. In der Teilrepublik Komi wurde jedem, der zur Wahlurne kommt, ein kostenloser Lotterieschein in Aussicht gestellt (Hauptgewinn: ein Auto). In Noworossijsk händigte man jedem Erschienenen Marken für zehn Prozent Rabatt beim Nahrungsmittelkauf aus. In der Stadt Nischnjaja Salda am Ural versprach man den pflichttreuen Wählern 500 Rubel. In der sibirischen Stadt Kemerowo wurden die jungen Wähler mit dem kostenlosen Besuch eines Schwimmbades oder Stadions belohnt. In Tula verteilten die Behörden, um die Bürger zum Urnengang zu bewegen, ein Flugblatt, auf dem ein bärtiger, tierähnlicher Mann mit einer Axt in der einen Hand und einer Henne in der anderen abgebildet war. Die Unterschrift lautete: »Sie hat keine Wahl, aber Du!« Die Wahlberechtigten wurden massiv bedrängt, wählen zu gehen. Eine direkte Einflußnahme zugunsten einer Partei war das freilich nicht. In der Duma sitzen nun »Einiges Rußland« mit mehr als zwei Dritteln der Mandate und drei weitere Fraktionen, die dagegen zwergenhaft wirken – ähnlich wie schon während der vorigen Legislaturperiode. »Einiges Rußland« und die Regierung verhalten sich wie Zwillinge. Die eine stempelt bereitwillig alles ab, was die andere vorlegt, Anträge der Opposition werden zu Fall gebracht. Doch alles Gerede über die unfaire und undemokratische Wahl halte ich für Unfug, mögen behördliche Kriecher noch so sehr gegen das Wahlrecht vestoßen haben. Schon vor der Abstimmung war die Mehrheit für »Einiges Rußland«, genauer gesagt für Putin, offenkundig. Nach acht Jahren unter Putin haben die Russen – anders als nach Jelzins Ausplünderung des Landes, nach Verelendung und Anbiederung an den Westen – das Gefühl relativer Stabilität wiedergewonnen. Sie fühlen sich sicherer und nicht mehr national gedemütigt. Diesen Fortschritt will die große Mehrheit der Bevölkerung nicht aufs Spiel setzen. An »liberal-demokratischen« Experimenten, an denen nur die Oligarchen profitieren würden, hat sie kein Interesse.
Erschienen in Ossietzky 25/2007 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |