Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Der RundumeinkäuferMatthias Biskupek Das Ladenschlußgesetz hat längst Schluß gemacht mit allen undemokratischen Einschränkungen. Wir genießen immer öfter die Hochzeit. Die Hoch-Zeit des Konsums. Geschäfte haben in vielen Bundesländern rund um die Uhr geöffnet. Von null auf 24 ohne Pause. Ich kaufe mich frei, unbegrenzt, unbeschränkt. Gewiß, wir Feingeister verachten die unbedarfte Kauflust des gemeinen Volkes. Doch Weltbürger, die wir sind, erzählen wir begeistert, wie wir in Frankreich noch spätabends den delikaten Rohmilchkäse im Laden nebenan erwarben. Und in den USA ließen wir uns auch tief in der Nacht von dienstbaren Geistern, die es dort überall gibt, unsere Einkäufe ins braune Packpapier wickeln. Die Polen, die wir wegen ihres papistischen Katholizismus belächeln, achten wir dennoch wegen ihrer unbegrenzten Ladenöffnungszeiten. Und in Ungarn heißen die großen Geschäfte nicht umsonst 24-Stunden-Läden. Unser soziales Herz schlägt natürlich für die kleine, spätschichtdienende Verkäuferin, aber bei der eigenen Kauflust setzt das Soziale unseres Herzschlags kurz aus. Denn im Interesse des Aufschwungs wissen wir: Kaufen und Gekauftwerden, das ist keine Frage, sondern die Antwort. Wir im Osten Deutschlands haben ein besonderes historisches Verhältnis zum Konsum – ich meine nicht jene DDR-Dorfläden, bei denen das Beste unterm Ladentisch gehandelt wurde. Ich denke an die auf gut sozialistisch ständig wachsenden Einkaufswünsche, die viel zu dünne Warendecke und die viel zu langen Schlangen. Denn wenn es damals den Slogan gegen den Westen gab: »Überholen ohne einzuholen« – so antwortete das Volk darauf trocken: Wir gehen erst mal einholen. Das archaische Wort »einholen« ist zwar nun ganzdeutsch vom modernen »shoppen« verdrängt, doch wir vom Atem der Geschichte Gestreiften ahnen: Was unser Volk künftig zu Revolutionen bringen könnte, ist mangelnde Einkaufsmöglichkeit. Mochte zu DDR-Zeiten die Zensur unerträglich sein, der Armee-Irrsinn viel zu verbreitet, die Bevormundung und Bürokratie von heftigen Ausmaßen – letztere fast wie die heutige –, doch wenn das Volk sich an Schlechtes erinnern will, sagt es: Gab ja nischde ze koofen. Dann gab es alles zu kaufen – aber eben nicht ständig. Und genau diese letzte Beschränkung ist inzwischen gefallen, auch wenn die Kirchen noch etwas murren. Wir können unser Geld immer und überall ausgeben, und wenn wir kein Geld haben, können wir zumindest immer hören und sehen und anfassen, was wir kaufen würden, wenn wir Geld hätten. Nach Theater und Zirkus, Kino, Fernsehen und Computerkilling ist Shopping die vorerst letzte Unterhaltungskunst der Moderne. Wir können uns rund um die Uhr in geheizten und lichtdurchfluteten Räumen, von Wasserspielen und Werbejingles umgeben, aufhalten und das machen, was schon vor einem Jahrhundert brave Buben und sittsame Mädchen trieben: das Kaufmannsladenspiel. Doch auch in den modernen Tempeln gibt es Tempelwächter, die uns nicht immer dulden werden. Wer nur guckt und nie kauft, wer eine moderne Rund-um-die-Uhr-Mall mit der Wärmehalle der Volkssolidarität verwechselt, den wird der Business-Body-Guard schon zur Kauf-Ordnung rufen. Die nötigen Überwachungsmaschinen blinken längst rund um die Uhr. Denn nur wer kauft, möglichst immer und überall, hält unsere Wirtschaft am ewigen Leben.
Erschienen in Ossietzky 25/2007 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |